Automobil- und Nutzfahrindustrie

Automobil- und Nutzfahrindustrie

Automotive-Akteure müssen ihre Kräfte sorgsam einteilen: Vor ihnen liegt kein Sprint, sondern ein Marathon

Die Automobilindustrie befindet sich mitten in einer Phase großer Umbrüche, ein Sturm, der sich in absehbarer Zeit nicht legen wird. Neue Technologien und geopolitische Ereignise werden Märkte und Lieferketten über die nächsten 10 bis 15 Jahre erschüttern, radikal verändern und bewährte Strategien obsolet machen. Der Schwerpunkt der Branche verlagert sich – aber noch ist unklar, in welche Richtung die Reise geht. Wird Asien im Jahr 2040 endgültig den Ton angeben oder gelingt westlichen Unternehmen ein effektives Comeback auf der globalen Bühne?

Kompetente Beratung ist in diesen Zeiten wichtiger denn je. Unsere Beratungsexpertise für die Automobilindustrie beruhen auf unserem tiefgreifenden Verständnis der heutigen und zukünftigen Anforderungen der Branche. Durch detaillierte Datenanalysen, Gespräche mit internationalen Branchenkennern innerhalb und außerhalb von Roland Berger sowie umfassende Studien mit Stakeholdern aus der gesamten Automotive-Wertschöpfungskette können wir vier Transformationsthemen identifizieren, die aus der Fülle der Branchentrends hervorstechen. Diese vier übergeordneten Themen werden die Transformation der Automobilindustrie bis ins Jahr 2040 bestimmen.

Polarized – Die Automotive-Welt erlebt eine zunehmende Polarisierung. Regionale Gegebenheiten und zusätzliche Komplexitäten stellen das Konzept der Globalisierung in Frage und zwingen die Akteure dazu, Entscheidungen zu treffen.

Automated – Automatisierung nimmt mit dem Aufkommen autonomer Fahrzeuge und dem Einsatz von KI in der gesamten Wertschöpfungskette zu.

Connected – Fahrzeuge werden zunehmend miteinander vernetzt und digitalisiert, wodurch ihre Leistung optimiert wird und kontinuierlich neue Funktionen und Merkmale eingeführt werden können.

Electrified – Die Elektromobilität schreitet rasch voran: Unser Basisszenario geht von einem Anteil batterieelektrischer Fahrzeuge von 71 % im Jahr 2040 aus, während wir in unserem Downside-Case-Szenario von einem Anteil von 64 % ausgehen, vorbehaltlich regionaler Unterschiede.

Die Anfangsbuchstaben der vier großen Transformationsthemen (englisch: Polarized, Automated, Connected, Electrified) bilden das Akronym PACE – eine passende Abkürzung, denn die Akteure der Branche, ob Automobilhersteller (OEMs), Zulieferer oder Nachrüstungshersteller, müssen sich auf den vor ihnen liegenden Weg einstellen. Es gibt noch viel zu tun: Die Reise bis 2040 wird ein Marathon, kein Sprint sein.

Polarisierung: Das Zeitalter der Globalisierung ist vorüber, denn regionale Märkte driften immer weiter auseinander

In den nächsten anderthalb Jahrzehnten werden sich die verschiedenen Regionen immer stärker andere Richtungen entwickeln. Ursache hierfür sind gleich mehrere Faktoren, die von unvorhergesehenen – und oft auch unvorhersehbaren – geopolitischen Entwicklungen bis hin zu divergierenden Kundenpräferenzen reichen. So ist China beispielsweise dabei, sich von einem Wachstumsmotor für europäische OEMs zu einem weitgehend von einheimischen Anbietern beherrschten Markt für Elektrofahrzeuge zu entwickeln, während der größte Teil Nordamerikas noch viele Jahre lang ein Markt für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor (ICE) bleiben wird. Je mehr sich die Märkte in ihrer Entwicklung und ihrem Tempo unterscheiden, desto stärker teilt sich auch die Automobilindustrie. Dies betrifft nicht nur die Wertschöpfungsketten, sondern auch die Frage, wo künftige Absatzmärkte und Einnahmequellen gesucht werden.

Automatisierung: Die Automatisierung schafft neue Chancen für mehr Profitabilität, während KI-gestützte Technologien für deutlich niedrigere Kosten sorgen

Der Weg zum automatisierten Fahren wird in den kommenden 15 Jahren schrittweise erfolgen. Wie schnell er zurückgelegt wird, entscheiden sechs „Fortschrittsmarker“: (1) On-Demand autonome Fahrzeuge sind verfügbar; (2) On-Demand autonome Fahrzeugen lassen sich profitabel betreiben; (3) Kunden können autonome Fahrzeuge für den privaten Gebrauch kaufen; (4) Pakete werden von autonomen Trucks geliefert; (5) Kunden haben volles Vertrauen in die Sicherheit autonomer Fahrzeuge; und (6) autonomes Fahren auf öffentlichen Straßen ist erlaubt.

Bei der Einführung KI-basierter Lösungen und Funktionalitäten befindet sich der Automobilsektor noch in einem vergleichsweise frühen Stadium. Dennoch bringt er unserer Ansicht alle Voraussetzungen mit, um von KI-getriebenen Effizienz -und Performancegewinnen zu profitieren. Wir gehen davon aus, dass KI bis 2040 von den Akteuren der Automobilbranche in großem Umfang genutzt wird. OEMs werden KI-Anwendungen in allen Funktionsbereichen nutzen und von zusätzlichen Endkundendaten aus ihren Vertriebs- und Aftersales-Aktivitäten profitieren. Lieferanten werden Daten verwenden, um wettbewerbsfähig zu bleiben und Akteure auf dem Sekundärmarkt (sowie Händler) werden Kunden- sowie Fahrzeugdaten einsetzen, um ihre operative Effizienz zu steigern, ihr Geschäftsmodell zu verbessern und die Aftersales-Erfahrung zu personalisieren.

Vernetzung: Bis 2040 dürften sämtliche Neuwagen eine softwaredefinierte Fahrzeugarchitektur aufweisen – ein Paradigmenwechsel für die Automobilindustrie

Der Umstieg auf softwaredefinierte Fahrzeuge (SDVs), bei denen das Fahrzeug um die Softwareplattform herum konzipiert wird anstatt umgekehrt, ist für Fahrzeughersteller wie -nutzer attraktiv. Für OEMs bedeutet ein SDV-Ansatz bis zu 26 Prozent niedrigere Softwarekosten sowie eine schnellere Markteinführung aufgrund kurzer, kontinuierlicher Entwicklungszyklen, geringerer Ausfallzeiten und einer insgesamt agileren Fahrzeugentwicklung. Die Nutzer profitieren von neuen Features und Funktionen, die über Softwareupdates während der gesamten Fahrzeuglebensdauer eingespielt werden können. Die Folge: mehr Sicherheit, Komfort, Personalisierung und Konnektivität – und die zunehmende Wichtigkeit von softwaregestützten Features als Kaufkriterium.

Elektromobilität: Trotz aktueller Marktentwicklungen lässt sich die Richtung des Wandels nicht umkehren

Die Elektromobilität im Automotive-Sektor beschränkt sich nicht nur auf den wachsenden Absatz batterieelektrischer Fahrzeuge (BEVs). Sie betrifft auch die Nutzung der Fahrzeuge als Energiespeicher für Vehicle-to-Home (V2H)- und Vehicle-to-Grid (V2G)-Systeme. Der globale Absatz von Elektrofahrzeugen steigt stetig an – wenn auch unterschiedlich schnell in den verschiedenen Regionen –, was zu strukturellen Verschiebungen in den Lieferketten, im Downstream-Geschäft und in den Zielmärkten führt. Wir sehen zwei mögliche Szenarien für die Einführung von BEV vor: ein Basisszenario mit einem BEV-Anteil von 71 Prozent im Jahr 2040 und ein Downside Szenario mit einem BEV-Anteil von 64 Prozent. Größere Unterschiede gibt es auf regionaler Ebene: In Europa wird bis 2040 ein BEV-Anteil von 99 Prozent erwartet, in Nordamerika dagegen nur 42 bis 60 Prozent und in China 70 bis 85 Prozent, je nach Szenario. Für den Rest der Welt erwarten wir, dass der BEV-Anteil bis 2040 auf etwa 50 Prozent ansteigt.

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