Adidas Sprint in die digitale Zukunft

Think:Act Magazine Purpose
Adidas Sprint in die digitale Zukunft

7. August 2018

Wenn es um die Kombination von Business und Technologie geht, ist die digitale Strategie von Adidas auf Kurs

Interview

von Titus Chalk
Fotos von Dirk Bruniecki

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"Das Prinzip "Purpose" – Unternehmen brauchen einen Sinn"

Im Wettlauf der Digitalisierung will Adidas ganz weit nach vorn. Der weltweite Vertriebschef Roland Auschel erklärt die Drei-Punkte-Strategie, mit der die Traditionsmarke den Sprint in die Zukunft meistern will.

Roland Auschel ist raumgreifend, in jedem Sinne des Wortes. Mit langen Schritten gibt er das Tempo vor. Der Chef des globalen Vertriebs bei Adidas wirkt, als ob er viel Zeit im firmeneigenen Fitnessstudio verbringt. Eigentlich ist er während des ganzen Interviews mit Think:Act in Bewegung. Nur selten verringert er das Tempo, während er uns durch den Firmensitz führt und dabei mit unerschütterlichem Enthusiasmus von Adidas spricht. Vor 30 Jahren fing er hier an. Seitdem ist das Unternehmen enorm gewachsen. So, dass es kaum wiederzuerkennen ist.

Das einzig laute Geräusch ist das Jauchzen, das vom Werkskindergarten herüberschallt. Ansonsten strahlt das ehemalige Kasernengelände Ruhe aus. Gesäumt von Bäumen, Sportplätzen und einer stetig wachsenden Zahl an Gebäuden. Hier sitzt eines der jüngsten von Deutschlands alten Unternehmen. Das Durchschnittsalter liegt bei 37.

Im "Laces"-Gebäude, das seinen Namen von den Verbindungsbrücken hat, die so wie Schnürsenkel durch einen Schuh im Zickzack durch das große Atrium führen, sieht man junge Hipster in Jogginghosen, Wollmützen und Sweatshirts mit dem Firmenlogo, alle mit Laptops in den Händen. Auschel gibt sich kumpelhaft und beflügelt von den jungen Talenten, die er und seine Vorstandskollegen nach Herzogenaurach locken konnten, der Stadt, in der Gründer Adi Dassler aufwuchs und zum Schuster ausgebildet wurde.

Großer Sprung: Adidas ist der erste Sportartikelhersteller, der Athleten, Kunden und Partner einlädt, Teil der Marke zu werden.
Großer Sprung: Adidas ist der erste Sportartikelhersteller, der Athleten, Kunden und Partner einlädt, Teil der Marke zu werden.

Vor drei Jahren führte Adidas "Creating the New" ein, eine Strategie mit drei Schwerpunkten: Städte, Geschwindigkeit und "Open Source". Warum sind diese Bereiche wichtig für Adidas?
Wir haben diese Strategie 2014 entwickelt, unmittelbar nachdem wir zugeben mussten, dass unsere vorherige Strategie ihr Ziel verfehlt hatte (Geplant war, den Jahresumsatz von 2010 bis 2015 um 40% bis 50% zu steigern, auf dann 17 Milliarden Euro im Jahr). Also überlegten wir: Was würde uns zu etwas Besonderem machen? Wir fragten: Wo leben unsere Kunden? Und unsere Antwort lautete: In Metropolen – New York, Los Angeles, Paris, Schanghai, Tokio. Wir fragten: Wie wollen wir unsere Produkte kreieren? Darum wählten wir Geschwindigkeit. Und schließlich: Wie bauen wir unsere Marke für die Zukunft auf? Das führte uns zu Open Source. Fügen wir diese drei Dinge richtig zusammen, schaffen wir Brand Desire: Begeisterung für die Marke. Mit dieser Begeisterung werden wir Marktführer.

"Fügen wir diese drei Dinge richtig zusammen, schaffen wir Brand Desire: Begeisterung für die Marke. Mit dieser Begeisterung werden wir Marktführer."
Portrait of Roland Auschel

Roland Auschel

HEAD OF GLOBAL SALES
Adidas

Wie haben sich diese Begriffe auf Ihr Digitalisierungsprogramm ausgewirkt?
Gewaltig. Denn Digitalisierung bringt all diese Faktoren zusammen. Der Lifestyle unserer Kunden ist digital. Er besteht aus Facebook, Snapchat, Instagram. Dorthin verlagern wir unsere Anstrengungen, um Kunden zu aktivieren. Wir haben Open Source betrachtet und überlegt, welche Chancen dieser Begriff im Zusammenhang mit Digitalisierung eröffnet. Das war 2014 wahrscheinlich unsere radikalste Entscheidung als ein Unternehmen, das stolz auf seine 70-jährige Geschichte war. Hätten wir nicht diesen Moment des Scheiterns erlebt, hätten wir wohl nicht den Mumm gehabt, eine Open-Source-Strategie zu verfolgen. Aber genau das eröffnete uns die Möglichkeit, ein Risiko einzugehen – indem wir anderen erlauben, unsere kreativen Prozesse zu beeinflussen und etwas zur DNA unserer Marke beizutragen.

Gibt es bei der Digitalisierung Bereiche, auf die Sie sich besonders konzentrieren?
Wir werden digitalisieren, was immer man digitalisieren kann. Im vorhergehenden Plan hatten wir die Erlöse aus E-Commerce auf 2 Milliarden US-Dollar ausgerichtet, jetzt haben wir das auf 4 Milliarden US-Dollar, die wir bis 2020 erreichen wollen, verdoppelt. Wir sind dabei, Hunderte Ingenieure und Softwareentwickler einzustellen, die uns dabei helfen sollen, das umzusetzen. Wir werden uns viel stärker auf Software ausrichten als bisher.

Dafür haben Sie auch etwas geschaffen, das Sie die Speedfactory nennen. Was ist das?
Wir werden einige Produkte in einer vollautomatisierten Fabrik produzieren. Die erste steht in Ansbach, die zweite haben wir kürzlich in Atlanta eröffnet. Dort strickt eine Maschine den oberen Teil des Schuhs, eine zweite produziert die Zwischensohle aus Boost-Schaum (ein innovatives dämpfendes Material), eine dritte Maschine bringt die untere Sohle an, und eine vierte sorgt am Schluss für die Stabilität – durch Nähte, die an der Seite angebracht werden. Roboter können den Schuh aneinander weiterreichen, alles funktioniert ganz ohne menschliche Hilfe. Allerdings brauchen wir noch jemanden, der die Schnürsenkel einzieht.

Und was hat es mit dem Future Team auf sich?
Zum "Future Team" gehört jeder in unserer Firma, der an etwas Innovativem arbeitet. Beispielsweise an innovativen Materialien, wie es die Sohle aus Boost-Schaum war. Das Team setzt sich zusammen aus Ingenieuren, Designern, Produktexperten und Menschen, die sich vollends dem Ziel verschrieben haben, die Zukunft umzusetzen. Sie sind ihrer Zeit zwei, drei oder fünf Jahre in der Entwicklung voraus, was Technologien, Materialien oder neue Designs angeht. Und sie genießen ein hohes Maß an Unabhängigkeit im Unternehmen. So können sie sich weit vorwagen – um mit Ideen zurückzukehren. Sie sind unsere Scheinwerfer, unsere Piloten – sie leuchten uns den Weg in die Zukunft.

Die Fußballweltmeisterschaft ist gerade zu Ende gegangen. Welche Rolle spielt dieses Turnier für Sie als Marketingplattform?
Eine sehr bedeutende. Seit 1970 produzieren wir den offiziellen Ball, worauf wir sehr stolz sind. Die Weltmeisterschaft ist immer eine fantastische Plattform dafür, Marken zu aktivieren. Wir können der Welt unsere neusten Innovationen und Designs auf dem Spielfeld vorführen. Getragen von Sportlern, zu denen viele Menschen in der Welt aufschauen, sei es Lionel Messi oder andere.

Welche Ambitionen hat Adidas für die Zukunft?
Wir möchten das beste Sportartikelunternehmen in der Welt sein. Es geht nicht nur darum, der Größte oder der Reichste zu sein, sondern der Beste. Das inspiriert uns. Und ich möchte dazu beitragen. Darum habe ich gerade einen Vertrag für fünf weitere Jahre bei Adidas unterschrieben. In meinem Alter ist das eine große Sache.

Es geht also nicht einfach darum, Sportschuhe zu verkaufen?
Sport beeinflusst Leben positiv, nicht nur unseres, sondern alle Leben. Denken Sie an das weltweite Problem mit Übergewichtigkeit und andere kulturelle oder Umweltherausforderungen. Vergangenes Jahr war ich auf einem großen Vertriebstreffen in Miami, wo wir einen einstündigen Vortrag von "Parley for the Oceans" hörten, einer Initiative, die Plastik aus dem Meer sammelt. Und daraus kann man wiederum die Außenhaut von Schuhen stricken. So wird aus einer Bedrohung ein Rohstoff. Wenn wir die Welt zu einem besseren Ort machen können, ist das das Beste, was unserem Unternehmen passieren kann.

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Das Prinzip "Purpose"

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Was bedeutet 'Purpose' für Sie und Ihr Unternehmen? Unser Think:Act Magazin widmet sich dem Wertewandel in der Geschäftswelt. Langfristige Visionen bilden die Basis für nachhaltige Produkte, inspirierende Dienstleistungen und ikonische Unternehmen. Die Zeit ist gekommen, Unternehmen neu zu erfinden.

Veröffentlicht Juli 2018. Vorhanden in
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