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Ansätze zur Kreislaufwirtschaft für Industrieunternehmen

Ansätze zur Kreislaufwirtschaft für Industrieunternehmen

29. August 2023

Von der Wiederverwendung bis zur Aufbereitung - ein umfassender Ansatz

Eine Kreislaufwirtschaft kann dann entstehen, wenn Unternehmen nachhaltige Lösungen für langfristiges Wachstum umsetzen. Sie bietet ein überzeugendes Konzept mit konkreten Alternativen zu herkömmlichen Recyclingmethoden. Aus Managementperspektive hat der Ansatz der Kreislaufwirtschaft das Potenzial, Branchen umzugestalten und die Widerstandsfähigkeit gegenüber Umweltproblemen zu fördern.

Das Sammeln von sortierten Abfällen, wie z.B. Aluminiumschrott aus
Pressen und die direkte Weitergabe an die Lieferanten ist ein möglicher Hebel für industrielle Fertigungsunternehmen auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft.
Das Sammeln von sortierten Abfällen, wie z.B. Aluminiumschrott aus Pressen und die direkte Weitergabe an die Lieferanten ist ein möglicher Hebel für industrielle Fertigungsunternehmen auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft.

In einer sich ständig ändernden Wirtschaftswelt verspricht die Kreislaufwirtschaft eine lukrative und nachhaltige Zukunft. Gegenwärtig sind 91 Prozent unserer Wirtschaft linear aufgebaut. Das bedeutet, dass Produkte immer wieder aus neuen Rohstoffen hergestellt werden. Der Fokus der Kreislaufwirtschaft hingegen liegt auf dem Erhalt von Ressourcen, Materialien und Produkten. Dieses Konzept zeigt sich in den 4 Rs – Reuse (Wiederverwendung), Repair (Reparatur), Refurbish (Aufbereitung) und Recycling. Wenn Industrieunternehmen dieses neue Terrain betreten, stehen sie erst einmal vor einer grundlegenden Schwierigkeit: Sie müssen ein Gleichgewicht zwischen der Effizienz der Fertigung und den Anwendungen aus dem technischen Zyklus finden. Der Reiz dieses Konzeptes geht jedoch weit über den Bereich der Umweltauswirkungen hinaus. Es verspricht klare Kosteneinsparungen für diejenigen, die weit genug in die Zukunft denken. Potenzielle Neukunden werden durch diese Anpassungsfähigkeit gelockt – ebenso wie Arbeitskräfte. Zudem steht ein solcher strategischer Schritt im Einklang mit dem Europäischen Green Deal und mit künftigen Regulierungsmaßnahmen, die das Engagement des Unternehmens für Nachhaltigkeit und den Weg für weiteres Wachstum ebnen.

Der Kern der Kreislaufwirtschaft

Die zirkuläre Wirtschaft erfordert einen umfassenden Ansatz, der alle Bereiche eines Unternehmens einbezieht. Von Designern und Ingenieuren, die sich damit befassen, wie Produkte künftig anders genutzt werden könnten, bis hin zum Lieferkettenmanagement, das das Abfall- und Rohstoffmanagement optimiert – jede Funktion spielt eine Rolle bei der Verwirklichung der Kreislaufwirtschaft.

Unter den 4 Rs ist die Wiederverwendung die wirksamste Maßnahme zur Emissionsreduzierung. Durch kleine Veränderungen oder Reinigungen, verlängert sich die Lebensdauer von Produkten – und der Bedarf an neuen Materialien wird verringert. So können beispielsweise Automobilhersteller geschlossene Kreislaufsysteme einführen, indem sie bestimmte Komponenten aus zurückgegebenen Fahrzeugen wiederaufbereiten und wiederverwenden. Auf diese Weise vermeiden sie Abfall und schonen wertvolle Rohstoffe.

Die zweite Option ist die Reparatur. Unternehmen können Abfälle minimieren und Verbrauchern kostengünstige Alternativen anbieten, indem sie beschädigte Produkte reparieren. Dieser Ansatz ist in verschiedenen Geschäftsmodellen bereits weit verbreitet. Gerade Technologieunternehmen bieten Reparaturdienste für ihre elektronischen Geräte an, was die Lebensdauer der Produkte verlängert und die Nachfrage nach Neukäufen verringert.

Parallel zur Reparatur gibt es die Aufbereitung, das dritte R der Kreislaufwirtschaft. Durch Ausbesserung, Ersatz oder Upgrades wird ein Produkt wieder in einen neuwertigen Zustand versetzt. Das verlängert die Nutzungsdauer und den Wert. Die Aufbereitung eröffnet neue Möglichkeiten: Sie schafft alten Produkten nach ihrer ursprünglichen Nutzung ein neues Leben. So haben Forscher der RWTH Aachen herausgefunden, dass gebrauchte Autobatterien mit einer Restkapazität von 70 bis 80 Prozent für haushaltsintegrierte Energiespeicher verwendet werden können. Dies verlängert ihre Nutzungsdauer erheblich und fördert die Nachhaltigkeit im industriellen Sektor.

Recycling ist die letzte Maßnahme, die in Betracht zu ziehen ist, nachdem alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Dieses wesentliche Verfahren trägt dazu bei, den Lebenszyklus von Teilen von Produkten zu schließen und zu verhindern, dass sie zu Abfall werden. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass wertvolle Materialien zurückgewonnen und wiederverwendet werden. Ein Beispiel für dieses Prinzip ist die Sammlung von aussortierten Wertstoffen, insbesondere von Aluminiumabfällen aus Presswerken. Diese werden an ihre Lieferanten zurückgegeben, damit sie recycelt werden können. In dem Konzept des geschlossenen Kreislaufs werden zwei Ziele erreicht: die Verringerung der Umweltbelastung und die Steigerung der Rohstoffeffizienz. Zusammengenommen bieten die 4 Rs den Unternehmen mehrere Anhaltspunkte, um ihre Verfahren zu bewerten und zu ermitteln, wie sie wettbewerbsfähig bleiben können.

"Die Kreislaufwirtschaft ist mehr als nur ein Wandel – sie ist eine Revolution der Innovation und Zusammenarbeit. Sie fördert neue Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten, um wirtschaftlichen Fortschritt und ökologische Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen."
Portrait of Hannah Zühlke
Partner
Stuttgart Office, Zentraleuropa

Die Kreislaufwirtschaft in der Praxis: zukunftsweisende Technologien

Innovation und Technologie spielen eine zentrale Rolle, um das volle Potenzial der Kreislaufwirtschaft auszuschöpfen. Die bahnbrechende Technologie Augmented Reality (AR) revolutioniert die Art und Weise, wie Reparaturen durchgeführt werden. Durch die nahtlose Verschmelzung virtueller Elemente mit der realen Welt gibt AR den Benutzern visuelle Schritt-für-Schritt-Anleitungen an die Hand und macht herkömmliche Leitfäden überflüssig. Dieser transformative Aspekt von AR verbessert nicht nur die Effizienz von Reparaturen, sondern demokratisiert auch den Reparaturprozess und macht ihn für Menschen mit unterschiedlichem technischem Know-how zugänglicher.

Die additive Fertigung (3D-Druck) steht in den Startlöchern, um die Produktionsprozesse zu revolutionieren. Im Gegensatz zu herkömmlichen Fertigungsverfahren, die subtraktive Prozesse wie Schneiden und Bohren beinhalten, werden beim 3D-Druck Objekte Schicht für Schicht aus digitalen Modellen aufgebaut. Dabei kommen verschiedene Materialien wie Kunststoffe, Metalle, Keramiken und sogar Biomaterialien zum Einsatz. Bei der traditionellen Fertigung entsteht oft eine beträchtliche Menge an Abfall. Denn die Materialien werden geschnitten und geformt, um das gewünschte Produkt zu erhalten. Im Gegensatz dazu ist der 3D-Druck ein additives Verfahren, d. h. es wird nur genau die Menge an Material verwendet, die zur Herstellung des Objekts benötigt wird. Dadurch wird der Abfall erheblich reduziert.

Zudem stellt das Geschäftsmodell die traditionell lineare Struktur von Produkterwerb und Produktentsorgung in Frage. Neue Geschäftsmodelle wie "Product-as-a-Service" und "Material-as-a-Service" verändern die Interaktion zwischen Verbrauchern und Produkten grundlegend und öffnen Türen zu einer Reihe ergänzender Dienstleistungen. Indem Unternehmen das Eigentum an den Objekten behalten und flexible Nutzungsoptionen wie Leasing oder Pay-per-Use-Vereinbarungen anbieten, fördern Unternehmen eine maximale Nutzung und umweltfreundliche Verfahren.

Dennoch ist die Einführung der Kreislaufwirtschaft mit einigen Herausforderungen verbunden. Eine gründliche Kosten-Nutzen-Analyse enthüllt, dass bestimmte kreislauforientierte Lösungen erhebliche Vorabinvestitionen erfordern, die nicht durch eine geltende Gesetzgebung gedeckt werden können. Die meisten Maßnahmen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit von Geschäfts- und Produktionsmodellen fallen in die Kategorie “hoher Aufwand/hoher Nutzen”. Das bedeutet, dass die potenziellen Gewinne beträchtlich sind. Dafür könnte aber der Aufwand an Zeit und Ressourcen ebenso bemerkenswert sein. Bei einigen dieser innovativen Verfahren könnte der Break-even-Punkt lange auf sich warten lassen, bei anderen wiederum könnten die Kosten möglicherweise nie vollständig gedeckt werden. Um den potenziellen Nutzen dieser Optionen zu maximieren, sollten Unternehmen einen vorausschauenden Blick in die Zukunft werfen und in manchen Fällen drei bis fünf Jahre oder sogar noch länger vorausplanen. Angesichts der zunehmenden Relevanz der Auswirkungen des Klimawandels werden diese Anpassungen immer dringlicher. Neue Arbeitskräfte der Generation Z erhöhen den Druck auf Unternehmen ebenso wie neue staatliche Regulierungen.

Zu berücksichtigen ist, dass nicht alle industriellen Umgebungen die 4 Rs einheitlich anwenden können. Die Nuancen dieser Strategien variieren nicht nur zwischen verschiedenen Branchen, sondern auch innerhalb von Unternehmen. In manchen Fällen ist eine Kombination von zwei der 4 Rs effektiv, während in anderen Fällen reines Recycling der beste Ansatz ist. Diese Vielfalt an Hebeln erfordert maßgeschneiderte Lösungen und unterstreicht die Notwendigkeit eines differenzierten und anpassungsfähigen Ansatzes, um nachhaltige Praktiken in der gesamten Industrielandschaft zu erreichen.

Um sicherzustellen, dass die Kreislaufwirtschaft im Industriesektor erfolgreich integriert wird, müssen Entscheidungsträger eine umfassende Checkliste von Aufgaben gewissenhaft abarbeiten. Klar formulierte Erwartungen der Interessengruppen, genaue Anweisungen für die Konstrukteure und hohe Transparenz bei der Beschaffung sind von Bedeutung, um praktische und wiederverwendbare Lösungen zu finden.

Der gegenwärtige Rechtsrahmen

Der Rechtsrahmen wird solche Vorgehensweisen in Zukunft fördern. In einem entschlossenen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit gibt der Europäische Green Deal einen ehrgeizigen Kurs vor. Ziel ist es, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen und das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln. Im Mittelpunkt dieser Bemühungen steht der zweite Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft, der den Schwerpunkt auf legislative Maßnahmen zur Förderung der Kreislaufwirtschaft entlang der Produkt-Wertschöpfungsketten legt. Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, ihre Wirtschaftslandschaft zu reformieren. Zu diesen Maßnahmen gehören ein strategisches Produktdesign, das Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Recycelbarkeit fördert sowie einen stärkeren Einbezug der Verbraucher als auch die Etablierung zirkulärer Praktiken in der Produktion und im Abfallmanagement.

"Die Kreislaufwirtschaft ist beides: Ein Wegbereiter für Nachhaltigkeit (insbesondere Dekarbonisierung) als auch ein wichtiger Hebel zur Risikominderung für die Tätigkeiten eines Unternehmens."

Unterdessen treibt China seine Ambitionen im Bereich der Kreislaufwirtschaft voran. Dies geschieht mithilfe eines seit langem bestehenden Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und einer konkreten Vision für verbessertes Abfall-Recycling und Energieeffizienz. In den Vereinigten Staaten steht die Umweltschutzbehörde mit der Nationalen Recyclingstrategie an der Spitze der Recycling-Bemühungen während einige Bundesstaaten Gesetze zur Herstellerverantwortung erlassen, um Einweg-Plastikverpackungen einzuschränken. Da das weltweite Streben nach Kreislaufwirtschaft immer stärker wird, stellen diese Maßnahmen eine einheitliche Ausrichtung hinsichtlich nachhaltiges Management dar.

Durch die Einbeziehung der Grundsätze der Kreislaufwirtschaft und der 4 Rs können sich industrielle Fertigungsunternehmen an der Spitze der Schaffung eines neuen Umfelds positionieren. Durch die Verbindung von Innovation und Regulierung bietet die Kreislaufwirtschaft eine überzeugende Möglichkeit, unseren Planeten positiv zu beeinflussen. Gleichzeitig sorgt sie für langfristige Stabilität von Unternehmen und Gesellschaft.

In unserer aktuellen Roland Berger Studie "What goes around, comes around – The circular economy in industrial manufacturing" finden Sie die neuesten Forschungsergebnisse und Experteneinschätzungen zu den Chancen und Risiken für internationale Marktteilnehmer. Darüber hinaus befasst sich die Studie mit dem Entwicklungspotenzial der Kreislaufwirtschaft in den kommenden Jahren. Nachfolgend können Sie den aufschlussreichen und umfassenden Bericht herunterladen.

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