Die Automobilwelt befindet sich in einem beispiellosen Wandel. Die Megatrends der Branche lauten Polarisierung, Automatisierung, Vernetzung und Elektrifizierung – kurz: PACE.
Automotive 2040
Elektrifizierung und alternative Kraftstoffe
Können Automobilakteure die Herausforderungen in Chancen verwandeln?
Elektrifizierung – einer der vier PACE-Megatrends des Automotive Outlook 2040 von Roland Berger – wird in den nächsten anderthalb Jahrzehnten ein zentrales Thema der Automobilindustrie sein. Die Richtung des Wandels ist unumkehrbar: Der Anteil an BEVs (batterieelektrischen Fahrzeugen) nimmt weltweit rapide zu, wenn auch mit regionalen Unterschieden. Der wachsende Anteil von Elektrofahrzeugen hat Auswirkungen auf Lieferketten, nachgelagerte Geschäftsbereiche und Zielmärkte – und schafft dadurch neue Herausforderungen, aber auch Chancen. So entstehen beispielsweise neue Geschäftsmodelle wie V2G (Vehicle-to-Grid)- und V2H (Vehicle-to-Home)-Systeme, durch die Kunden ihre Kosten senken und Automobilhersteller sowie Zulieferer neue Potenziale erschließen können.
Ein unaufhaltsamer Trend
In den vergangenen Jahren gab es einen intensiven Hype um Elektrofahrzeuge. Inzwischen werden die Erwartungen aufgrund eines neuen Bewusstseins für Risiken in der Batterie-Lieferkette, durch die Ankündigung reduzierter Verkaufsziele der Hersteller und das Auslaufen von Steuer- und Kaufanreizen in vielen Märkten nach unten korrigiert. Trotzdem ist klar, dass der Trend hin zu elektrischen Antrieben unaufhaltsam ist: Angesichts verschärfter Flottenemissionsstandards werden duale Antriebsstrategien unhaltbar und der Hochlauf neuer BEV-Modelle schreitet zügig voran. Wir gehen davon aus, dass die Einführung von BEVs in allen Segmenten zunehmen und bis 2040 zwischen 64 Prozent (pessimistisches Szenario) und 71 Prozent (Basis-Szenario) erreichen wird.
Klar ist aber auch, dass es künftig große Unterschiede bei den Durchdringungsraten zwischen Ländern und Regionen geben wird. Im Extremfall erwarten wir, dass Europa bis 2040 einen BEV-Anteil von 99 Prozent bei neu verkauften Fahrzeugen erreicht, wobei E-Fuels nur eine sehr geringe Rolle spielen werden. In China wird der Anteil etwas niedriger ausfallen, zwischen 70 und 85 Prozent, während Nordamerika mit nur 42 bis 60 Prozent hinterherhinken wird. Für den Rest der Welt prognostizieren wir einen BEV-Anteil von 50 Prozent bei den Neuwagenverkäufen bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts.
Preisparität – und eine neue Abhängigkeit
BEVs sind derzeit deutlich teurer als vergleichbare Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren, aber wir erwarten, dass die Preisparität deutlich vor 2040 erreicht wird. Die Preise für Batteriepakete sind in den vergangenen zehn Jahren um rund 80 Prozent gesunken, und zukünftige Innovationen in der Zellchemie und im Design könnten für weitere Reduzierungen sorgen, die Energiedichte erhöhen und die Ladezeiten verkürzen. Dennoch bleiben die Kosten der Rohstoffe für Batterien schwer kalkulierbar, weil mögliche Störungen der Lieferketten drohen. Der Abschied von fossilen Brennstoffen wird neue Abhängigkeiten vom Globalen Süden schaffen aufgrund der lokalen Rohstoffvorkommen, aber auch von China, weil dort direkt oder indirekt einen Großteil der Veredelung und Lieferung von Batteriematerialien kontrolliert wird. In Reaktion darauf haben sowohl die USA als auch Europa bereits Gesetze verabschiedet, die diese Abhängigkeit verringern sollen, etwa, indem der Ausbau lokaler Batteriefertigungskapazitäten gefördert wird.
Herausforderungen und Chancen
Für das nachgelagerte Automobilgeschäft bergen die skizzierten Entwicklungen sowohl Herausforderungen als auch Chancen. BEVs reduzieren die Nachfrage nach Komponenten, die in Verbrenner-Fahrzeugen verwendet werden, um etwa 30 bis 35 Prozent – sie enthalten jedoch andere Komponenten, die dies ausgleichen, etwa HV-Batterien (Hochvoltbatterien), die für den Aftermarket von entscheidender Bedeutung sein werden. Allerdings sind HV-Batterien in der Regel sehr zuverlässig, und wenn sie doch ausfallen, entscheiden sich Kunden möglicherweise eher dafür, das Fahrzeug zu verschrotten, als die Batterie zu reparieren oder zu ersetzen – beides kostspielige Optionen.
Die Verbreitung von BEVs wird sich außerdem positiv auf Stromnetze und erneuerbare Energie auswirken, da sie als Energiespeichereinheiten in V2H (Vehicle-to-Home)- und V2G (Vehicle-to-Grid)-Systemen fungieren können. Letzteres ist besonders attraktiv, weil Kunden dadurch in Spitzenlastzeiten überschüssigen Strom verkaufen und dadurch Einnahmen oder Gutschriften auf ihrer Stromrechnung erhalten können. In Notfällen oder bei Stromausfällen kann V2G auch Strom für Haushalte, Unternehmen und kritische Infrastrukturen liefern und damit zur Energiesicherheit beitragen.
Alternative Kraftstoffe wie Wasserstoff haben einen hohen Primärenergiebedarf und sind daher in Bezug auf die Effizienz im Vergleich zur Batterietechnologie im Nachteil. Sie sind jedoch im Vorteil, wenn über lange Strecken eine hohe Energiedichte benötigt wird. Aus diesem Grund könnten sie Einfluss auf den kommerziellen Sektor haben, insbesondere bei schweren, langstreckentauglichen Lkw. E-Fuels – synthetische Kraftstoffe, die aus erneuerbaren Quellen hergestellt werden – sind derzeit teurer als Benzin oder Strom und werden dies voraussichtlich auch im nächsten Jahrzehnt bleiben. Dadurch wird ihr Marktanteil vernachlässigbar bleiben.
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