Die Automobilwelt befindet sich in einem beispiellosen Wandel. Die Megatrends der Branche lauten Polarisierung, Automatisierung, Vernetzung und Elektrifizierung – kurz: PACE.
Automotive 2040
Polarisierung und Globalisierung
Automobilhersteller müssen sich an eine zunehmend polarisierte und unsichere Welt anpassen
Die Herausforderungen, vor denen Automobilhersteller in der volatilen und unsicheren Welt von heute stehen, sind größer und weitreichender als je zuvor. Schon die vergangenen Jahre waren – in einem bereits schwierigen wirtschaftlichen Umfeld – von einem deutlichen Anstieg geopolitischer Spannungen geprägt. Die Transformation der Automobilbranche wird sich in den Jahren bis 2040 fortsetzen, auch die Unsicherheit bleibt groß. Automobilhersteller befinden sich in einem Marathon, nicht in einem Sprint. Sie müssen sich auf die geopolitischen, demografischen und makroökonomischen Herausforderungen der nächsten anderthalb Jahrzehnte einstellen.
P steht für Polarisierung
Einer der vier PACE-Megatrends im Roland Berger Automotive Outlook 2040 ist die Polarisierung. Nach der Globalisierung der vergangenen Jahrzehnte wird sich die Welt zunehmend polarisieren, angetrieben durch Faktoren wie geopolitische Spannungen, unterschiedliche nationale oder regionale Vorschriften, neue Kundenpräferenzen und makroökonomische Veränderungen. So entwickelt sich China von einem Wachstumsmotor für europäische Automobilhersteller hin zu einem weitgehend elektrifizierten Fahrzeugmarkt, der von heimischen Herstellern dominiert wird, während der Abschied vom Verbrennungsmotoren (ICE) in Nordamerika voraussichtlich wesentlich langsamer verlaufen wird. Polarisierung und Deglobalisierung bestimmen, wo künftige Absatzmärkte und Umsatzpotenziale liegen, und die Akteure müssen einen regional differenzierten Ansatz verfolgen und ihren globalen Marktfokus möglicherweise neu ausrichten.
Zeit, nach Süden zu blicken?
Der Globale Süden – darunter verstehen wir Entwicklungs- und Schwellenländer in Asien, Afrika und Lateinamerika, ausgenommen China – könnte in der Zukunft der Automobilindustrie eine wichtige Rolle spielen. In vielen der genannten Länder wachsen sowohl die Wirtschaft als auch die Bevölkerung rapide, einschließlich eines 25-prozentigen Anstiegs der erwerbsfähigen Bevölkerung. So wird der Umsatz aus dem Verkauf von Neufahrzeugen im Globalen Süden bis 2040 voraussichtlich um etwa 480 Milliarden Euro steigen.
Trotz der im Vergleich zu anderen Märkten starken Wachstumsraten wird der Anteil des Globalen Südens am Gesamtumsatz bis 2040 lediglich auf geschätzte 20 Prozent steigen – heute liegt er bei 14 Prozent. Dies ist hauptsächlich auf geringere Einkommen (und eine dadurch bedingte Präferenz für preisgünstigere Modelle), niedrige Motorisierungsraten und eine schlechte Infrastruktur zurückzuführen. Aus diesen Gründen gehen wir davon aus, dass Europa, Nordamerika und China – trotz schrumpfender und alternder Bevölkerungen sowie langsamen Wirtschaftswachstums – auch in den nächsten anderthalb Jahrzehnten die Kernmärkte der Automobilbranche bleiben werden.
Instabilität, Konflikte und Protektionismus
Politische Instabilität und Konflikte haben grundlegende strategische Auswirkungen auf die Automobilindustrie. Die Anzahl der Konflikte weltweit ist von 88 im Jahr 2010 auf 176 im Jahr 2023 gestiegen. Das entspricht einem Anstieg von 100 Prozent. Die negativen Auswirkungen solcher Unruhen auf Automobilmärkte sind offensichtlich: Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat Rohstoffe, Lieferketten, Energiesysteme und die Inflation beeinflusst und insbesondere die europäischen Märkte stark getroffen. Auch die aktuellen Konflikte im Nahen Osten machen sich in in Form steigender Ölpreise und als Störungen der Handelsrouten im Roten Meer und im Suezkanal unmittelbar bemerkbar.
Für ein reibungsloses Funktionieren ist die Automobilindustrie auf Freihandel angewiesen, insbesondere bei der Versorgung mit Rohstoffen. Die Anzahl schädlicher Handelsinterventionen hat in den vergangenen Jahren allerdings erheblich zugenommen. Besonders nachteilig wirkt sich der anhaltende Handelskrieg zwischen den USA und China aus, der Exportbeschränkungen für Halbleiter und Seltene Erden sowie Zölle auf Elektrofahrzeuge umfasst. Was die weitere Entwicklung dieser geopolitischen Situation betrifft, halten wir zwei Szenarien für denkbar: Entweder bleibt die Rivalität weitgehend auf die politische Arena beschränkt, oder sie intensiviert sich und beide Länder schränken den gegenseitigen Zugang zu ihren Wirtschaftssystemen ein. Die jüngsten Entwicklungen deuten darauf hin, dass das zweite Szenario wahrscheinlicher ist – aber der Ausblick ist derzeit unklar.
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