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Biotech-Standort Rheinland-Pfalz:  Potenzial für eine führende Position

Biotech-Standort Rheinland-Pfalz: Potenzial für eine führende Position

21. Juli 2023

Die Roadmap von Roland Berger zeigt auf, wie die Landesregierung ihre Biotech-Vision erfolgreich umsetzen kann

Die Biotechnologie ist einer der weltweit am dynamischsten wachsenden Wissenschaftszweige mit großem wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Potenzial. So gilt die moderne molekulare Biotechnologie als Querschnitts- und Schlüsseltechnologie, die seit rund 40 Jahren die Behandlung verschiedener Krankheiten revolutioniert. Dazu macht sie sich Strukturen, Prozesse, Funktionen und Prinzipien biologischer Organismen zunutze. Zu den wichtigsten Anwendungsbereichen der Biotechnologie zählen Medizin und Gesundheit („rote Biotechnologie), die industrielle Produktion („weiße“ Biotechnologie) sowie die Agrarwirtschaft („grüne“ Biotechnologie). In Zukunft wird eine Biologisierung und damit Transformation weiterer Industriezweige erwartet.

Die Biotechnologie ist eine der weltweit am dynamischsten wachsenden Wissenschaftszweige
Die Biotechnologie ist eine der weltweit am dynamischsten wachsenden Wissenschaftszweige mit großem wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Potenzial.

Angeführt wird das weltweite Ranking führender Biotech-Standorte von den USA. Die dortige Industrie besteht am längsten und hat durch frühe Erfolge viel Interesse unter anderem bei Investoren gefunden. Als wichtigster Standort gilt Boston/Massachusetts. In Europa bilden Oxford/Cambridge/London in UK, das Medicon Valley in Dänemark/Schweden sowie Paris die Spitzengruppe.

In Deutschland, aber auch darüber hinaus, hat zuletzt die Entwicklung eines mRNA-Impfstoffs gegen Covid-19 durch die Mainzer Firma BioNTech für Schlagzeilen gesorgt. Von diesem Erfolg inspiriert, aber auch vor dem Hintergrund einer bereits guten Ausgangssituation hat die rheinland-pfälzische Regierung in ihrem 2021 beschlossenen Koalitionsvertrag die Vision formuliert, das Land zu einem führenden Biotech-Standort weiterzuentwickeln. Im vergangenen Jahr wurde Roland Berger damit beauftragt, den Status quo zu analysieren und eine Roadmap für die Umsetzung dieser Vision zu erarbeiten.

Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick

Wie die Analyse zeigt, verfügt das Land mit seinem Mix aus Forschung an Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen in der öffentlichen Biotech-Forschung über eine wettbewerbsfähige Infrastruktur. Die vor allem in Mainz angesiedelte Ausrichtung auf die medizinische Biotechnologie, insbesondere auf Immunologie und Alternsforschung, zeigt, gepaart mit fortschrittlichen Technologien wie der mRNA sowie vielen translationalen Ansätzen, Hinweise auf eine Alleinstellung im internationalen Maßstab.

Rheinland-Pfalz ist in der Wissenschaft in der Breite gut aufgestellt und die Basis für ein funktionierendes Biotech-Ökosystems – eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche kommerzielle Verwertung biowissenschaftllicher Erkenntnisse – ist vorhanden. Während die Zahl der Biotech-Firmen aus dem Kernsegment derzeit noch überschaubar ist, sind neben international erfolgreichen Traditionsunternehmen wie Boehringer, BASF und Schott auch Tochtergesellschaften ausländischer Großkonzerne wie AbbVie und Novo Nordisk im Land tätig.

Als Verbesserungspotenzial des Standorts benennt die Studie die ausbaufähigen Gründungsaktivitäten und Finanzierungsoptionen sowie zusätzliche Neuansiedlungen im Biotechbereich. Zwar fehlt derzeit noch ein übergreifendes Cluster-Management, der Aufbau einer Plattform Biotechnologie/Life Sciences wure aber bereits parallel zur Studie vorangetrieben.

Die Vision, Rheinland-Pfalz zu einem führenden Biotech-Standort zu machen, bewerten die Autoren als realistisch. Dazu müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. So wird empfohlen, die vorhandenen Stärken in der biotechnologischen Forschung weiter auszubauen. Der Fokus sollte dabei auf der Immuntherapie (unter anderem mRNA-Technologien), Alternsforschung und Biotech-Anwendungen der Künstlichen Intelligenz liegen. Zweitens wird die Schaffung eines Translationsmotors mit Nukleus in Mainz mit dem Ziel unterstützt, professionelles Cluster-Management, Innovations- und Translations-Unterstützung sowie Zugang zu privater Finanzierung zu integrieren. Drittens wird der Ausbau geeigneter Standortbedingungen für insbesondere kleine und mittelständische Firmen vorgeschlagen, indem schrittweise Lösungen in den Bereichen Labor- und Produktionskapazitäten IT/Daten und Talente/Fachkräfte angeboten werden. Außerdem sollen Ansiedlungen gezielter unterstützt werden.

Translation, Infrastruktur und neue Technologien spielen bei der Umsetzung der Biotech-Strategie eine Schlüsselrolle

Aus den strategischen Leitplanken haben die Autoren der Studie eine Roadmap mit fünf sogenannten Must-Wins abgeleitet, die erreicht werden müssen, damit Rheinland-Pfalz seine Vision erfolgreich umsetzen kann.

Um möglichst attraktive Bedingungen für die Biotechnologie in Rheinland-Pfalz zu schaffen und eine substanzielle Zahl an Ausgründungen und Unternehmensansiedlungen zu initiieren, muss in erster Linie ein funktionierender Translationsmotor geschaffen werden. Dazu sollte das Standortmarketing verbessert und finanziell besser ausgestattet werden, außerdem wird die bessere Unterstützung von Gründungswilligen empfohlen.

Im Bereich des Infrastruktur-Ausbaus sollten bestehende Entwicklungsoptionen im ganzen Land geprüft und vermehrt Laborflächen geschaffen werden. Die Kooperation mit privaten Anbietern kann dabei eine schnellere Umsetzung ermöglichen.

Als weiterer zentraler Erfolgsfaktor in der Biotechnologie-Entwicklung gilt die Anwendung von IT und KI-Technologie. Sowohl im Bereich der Grundlagenforschung als auch bei der Translation von Forschung zur (klinischen) Entwicklung wie auch bei Pilotierung und Produktion dürfte diese Verbindung künftig ein entscheidender Wettbewerbsfaktor sein. Um diesen Erfolgsfaktor in Rheinland-Pfalz zur Entfaltung zu bringen, sollten die Biotech- und IT-Zentren in Mainz und Kaiserslautern enger zusammenarbeiten. Als Ansatzpunkte werden darüber hinaus Zukunftsbereiche wie Quantum-Computing genannt. Ferner sollen "Biotech-KI"-Leuchtturm-Projekte entwickelt und die IT/KI-Infrastruktur und Datenarchitektur im Hinblick auf die Anforderungen der Biotechnologie weiter gestärkt werden.

Um Patienten schnelleren Zugang zu innovativen Therapien zu ermöglichen, sollten nach Einschätzung der Autoren unter anderem verstärkt Leitprojekte in der Translationalen Medizin definiert werden. Dazu müssen Partner in der Diagnostik, IT, Kliniken und privaten Unternehmen in der Biotechnologie intensiv eingebunden werden.

Zur weiteren Stärkung der Wissenschaftsregion Rheinland-Pfalz im Bereich Biotechnologie und Lebenswissenschaften sollte die Landesregierung bestehende Forschungsfelder weiter ausbauen, insbesondere Forschungsschwerpunkte wie die mRNA-Technologien, Immuntherapie und die Alternsforschung. Außerdem sollten Synergien und Potenziale vorhandener technologischer Stärken in der Grundlagenforschung und in verschiedenen Anwendungsfeldern der Biotechnologie identifiziert und noch besser genutzt werden.

Die vollständige Studie können Sie hier herunterladen

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