COVID-19: Konsolidierungsturbo für die MedTech-Branche
Wie verändert COVID-19 die Medizintechnik und wie bereiten sich Unternehmen am besten auf das „New Normal“ ihrer Branche vor? Ergebnisse einer Studie.
Von Thilo Kaltenbach und Oliver Rong
Weltweit hat COVID-19 zu dramatischen Umsatz- und Ergebniseinbrüchen in vielen Wirtschaftszweigen geführt. Auch die Medizintechnik ist nicht verschont geblieben. Das geht aus einer Untersuchung hervor, die Roland Berger im Auftrag des Branchenverbandes Spectaris durchgeführt hat. So lag der Auftragseingang der befragten Unternehmen im Zeitraum Januar bis September 2020 um sieben Prozent unter dem Wert des Vorjahres. Kleinere Unternehmen mit weniger als 200 Beschäftigten waren mit einem Minus von zwölf Prozent deutlich stärker betroffen als größere Firmen.
Auch für das Gesamtjahr 2020 rechnen die Firmen mit einem Rückgang der Erlöse, und zwar um vier Prozent gegenüber 2019. Die Dynamik bei großen und kleinen Unternehmen ist auch hier sehr unterschiedlich ausgeprägt: Während Anbieter mit weniger als 200 Beschäftigten für 2020 mit einem Umsatz-Minus von zehn Prozent rechnen, taxieren die Befragten aus größeren Unternehmen den Rückgang nur auf ein Prozent.
Bei der Frage, welche Veränderungen von Dauer sein werden, rangieren – wie in anderen Branchen – Aspekte wie neue Arbeitsmodelle (virtuelle Formate, Homeoffice etc.) weit vorne. Knapp sieben von zehn Befragten gehen außerdem davon aus, dass digitale Vertriebswege künftig wichtiger werden, mehr als jedes fünfte Unternehmen rechnet mit einer grundlegenden Änderung seines Geschäftsmodells.
Im Rahmen der Befragung waren die Teilnehmer auch aufgefordert, die Relevanz verschiedener Branchentrends einzuschätzen. Dabei stießen insbesondere Prognosen, die von einer Digitalisierung des Ökosystems, aber auch der Medizintechnik selbst ausgehen, auf hohe Zustimmungswerte. 84 Prozent der Befragten erwarten, das Vertrieb und Service künftig wesentlich digitaler sein werden – eine Folge des begrenzten physischen Zugangs zu stationären und ambulanten Einrichtungen und Praxen seit Beginn der Pandemie. Medizintechnik-Unternehmen stehen damit vor der Herausforderung, ihre Vertriebsmitarbeiter in analoger und digitaler Kommunikation zu schulen, den Service, wo möglich, auf Online-Formate umzustellen sowie eine neue Vertriebskultur zu etablieren.
Mit einem Wert von 81 Prozent auf Platz zwei der wichtigsten Entwicklungen liegt die beschleunigte Konsolidierung der Medizintechnikbranche im Zuge der COVID-19-Pandemie – vor allem zu Lasten kleinerer Unternehmen. Diese haben nicht nur stärker unter den Auswirkungen der Pandemie zu leiden, sondern sind jüngst auch ins Visier ausländischer Investoren, etwa aus China, geraten.
Die Studie gibt aber auch Anlass zur Hoffnung. So gehen fast drei Viertel davon aus, dass der dramatische Personalmangel in Krankenversorgung und Pflege zu einer steigenden Nachfrage nach medizintechnischen Lösungen in unterstützenden Prozessen führen wird. Gleichzeitig verbessert sich durch die angespannte Lage in anderen Industrien der Zugang zu Ingenieuren /-innen und Mitgliedern anderer technisch-naturwissenschaftlicher Berufe. Darüber hinaus hat COVID-19 für einen Boom der Labor- und speziell der In-vitro-Diagnostik gesorgt.
Insgesamt erwarten die Autoren, dass sich das Feld der Unternehmen in den nächsten Jahren dreiteilt. Die Gruppe der „Eroberer“ kennzeichnet ein hohes Maß an Digitalisierung und qualifiziertem Personal. Dadurch gelingt es ihr, neue Märkte und Kunden zu erschließen. Die zweite Gruppe, die „Bewahrer“, kann ihre bisherige Marktposition immerhin verteidigen. Die Gruppe der „Nachzügler“ rekrutiert sich in erster Linie aus kleineren Unternehmen, die besonders unter der Pandemie zu leiden haben.
Wie verändert COVID-19 die Medizintechnik und wie bereiten sich Unternehmen am besten auf das „New Normal“ ihrer Branche vor? Ergebnisse einer Studie.