Change Management in der Corona-Krise
Von Karsten Neumann
Wie sich jetzt die Produktivität der Mitarbeiter sichern und ausbauen lässt
Die ökonomischen Folgen der Corona-Krise sind dramatisch: Einbrechendes Wirtschaftswachstum, Kursverluste an den Börsen, Anstieg der Arbeitslosigkeit jetzt und in naher Zukunft. Nicht minder dramatisch hat sich unser aller Alltagsleben verändert: vom "Social Distancing" auf dem Gehweg und im Supermarkt bis zur Verlegung des geplanten Urlaubs in die eigenen vier Wände. Wenn es je eine Welt gegeben hat, für die die Bezeichnung VUCA-Welt zutrifft, dann ist es diejenige, in der wir gerade leben. Diese Welt ist volatil, sie ist ungewiss, sie ist komplex und sie ist ambivalent.
Angesichts der ökonomischen und sozialen Folgen der Corona-Krise gerät aber oft eine Frage aus dem Blick, die vor allem für die Führungskräfte eines Unternehmens entscheidend ist: Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise derzeit und ganz aktuell auf das Arbeitsleben der Mitarbeiter eines Unternehmens? Welche Folgen ergeben sich daraus für die Produktivität der Arbeit? Und wie müssen Führungskräfte auf diese Auswirkungen reagieren?
Stress, Zukunftsangst und soziale Isolation – Worunter Menschen leiden
Die Auswirkungen der Corona-Krise auf das Arbeitsleben und die Arbeitskultur in der Corona-Krise zeigen sich in drei Phänomenen und lassen sich in drei Schlagworten zusammenfassen: Stress, Zukunftsangst, soziale Isolation.
Stress: Für viele Menschen ist die Organisation des Arbeitslebens in der eigenen Wohnung ein Novum. Innerhalb weniger Tage müssen sie sich eine Struktur schaffen, in der ein geregeltes Arbeitsleben überhaupt möglich ist. Und sie müssen eine Balance zwischen Familie und Arbeit innerhalb der eigenen vier Wände schaffen – was ebenfalls eine neue und ungeahnte Herausforderung ist.
Für zusätzlichen Stress sorgt die permanente Angst der Menschen vor Ansteckung: Aktuellen Erhebungen zufolge haben 48 % aller Menschen in Deutschland Angst, sich anzustecken. 43 % aller Menschen fürchten sich vor gesundheitlichen Risiken.
Zukunftsangst: Dieses Phänomen betrifft nicht nur die Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes, sondern auch die finanziellen Engpässe, die sich aus der Corona-Krise ergeben könnten.
Soziale Isolation: Zwar bietet ein Arbeitsleben in der Krise auf einmal noch mehr Video- und Telefonkonferenzen als jemals zuvor. Aber die Kolleginnen und Kollegen, die einem dabei helfen könnten, die eigene Arbeit zu organisieren und aufkommende Ängste zu bewältigen, sind eben nicht mehr präsent, sondern allenfalls noch per mail oder Telefon zu erreichen
Stress, Zukunftsangst und soziale Isolation – Was Führungskräfte dagegen tun können und tun müssen
Vor allem die drei geschilderten Befindlichkeiten müssen die Führungskräfte eines Unternehmens im Blick behalten, wenn sie in Zeiten der Corona-Krise die Produktivität ihrer Mitarbeiter erhalten, ja eventuell sogar erhöhen wollen.
Stress: Hier sollten sich Führungskräfte auf zwei Aufgaben konzentrieren. Zum einen die bestmögliche Unterstützung der Mitarbeiter bei der Organisation der neuen Arbeitsstruktur. Und zum anderen auch, wenn nötig, eine temporäre Anpassung der wechselseitigen Erwartungen an die für alle Beteiligten neuartige Situation.
Zukunftsangst: Nunmehr ist notwendiger denn je, was immer schon geboten war: Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation. Die Mitarbeiter eines Unternehmens müssen ständig und laufend über die aktuelle Situation des Unternehmens informiert werden. Wöchentlich verschickte email-Dossiers, die momentan ohnehin niemand liest, werden dieser Forderung nicht gerecht.
Soziale Isolation: Der Tendenz, dass die Mitarbeiter nur noch in den eigenen Bildschirm starren und so vereinsamen, müssen Führungskräfte entgegenwirken. Hier sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt: von virtuellen Townhall-Meetings ganzer Abteilungen bis zur Förderung von bilateralen virtuellen Kaffeepausen.
Vor der Krise scheiterten 70 % der Transformationen im Unternehmen: Wie lässt sich das in der Krise vermeiden?
Traditionelles Change-Management konzentriert sich allzu häufig auf Einzelmaßnahmen. Schon vor der Corona-Krise führte das zu dem ernüchternden Ergebnis, dass 70 % aller Transformationen im Unternehmen scheitern.
Damit sich das in der Krise nicht wiederholt, müssen die richtigen Lehren aus den Fehlern vor der Krise gezogen werden: Allzu häufig beschränkt sich Change Management auf einen Werkzeugkasten von neuen Infrastrukturen, neuen Prozessen und entsprechenden Kommunikationsmaßnahmen.
Das war vor der Krise nicht ausreichend, und das wird auch in der Krise nicht ausreichen. Gerade in der aktuellen Situation ist beim Change Management eine Konzentration auf die Motivationen und Verhaltensweisen unter anderem unter Berücksichtigung neuester neuro- und verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse erforderlich.
Ein neues Verhalten in einer neuartigen Situation – das müssen Führungskräfte jetzt einerseits vorleben. Und sie müssen andererseits die Voraussetzungen schaffen, dass sich auch alle Mitarbeiter auf die neue Situation einlassen. Die Bindungskraft, die sich mit einem Purpose erreichen lässt, der auf emotionaler Ebene allen Mitarbeitern klar macht, warum es das Unternehmen überhaupt gibt und warum das, was Führungskräfte und Mitarbeiter machen, wichtig ist, ist bei Transformationen unverzichtbar. Das galt vor der Krise – und es gilt in der Krise mehr denn je. Studien zeigen, dass Firmen mit einem starken Purpose auf Zehn-Jahres-Sicht eine viermal so hohe Aktionärsrendite erzielen wie der Durchschnitt der S&P 500-Unternehmen.
In diesem Zusammenhang brauchen Change Manager in der Corona-Krise ganz bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten: Sie müssen etwa Team-Mitglieder, die sich nur noch hören und schreiben können, aber nicht mehr sehen, auf ein vereinendes Ziel orientieren; sie müssen neue Formen der Kooperation zwischen Telearbeitern etablieren; und sie müssen die Voraussetzungen schaffen, dass sich Mitarbeiter nach wie vor wechselseitig motivieren und voneinander lernen.
Wenn dies gelingt, dann können Prozesse und Strukturen, die sich in der Krise bewährt haben, auch für die Zeit nach der Krise übernommen werden. Die Krise wäre dann im besten Fall der Wegbereiter für neue Strukturen und Prozesse geworden, die sich unter den Bedingungen des bewährten Alten, in dem es sich alle bequem eingerichtet hatten, niemals hätten durchsetzen lassen.
Unser Angebot für die Sicherung der Produktivität
Roland Berger bietet in der Corona-Krise zur Sicherung der Produktivität ein Programm aus zwei Bausteinen an:
Erstens ein akuter Quick-Check, der ca. eine Woche dauert und sich auf vier Maßnahmen konzentriert: Update zum Status quo, (virtuelle) Workshops mit den Führungskräften, (virtuelle) Workshops mit den Mitarbeitern, gemeinsame Erarbeitung erster Interventionen bei gefährdeter Produktivität.
Zweitens: Nach einer Woche kann dieser akute Quick-Check den Ausgangspunkt bilden für ein längerfristig angelegtes Programm. Nun geht es um die Implementation der Maßnahmen, einen täglichen Reality-Check, die Priorisierung von Maßnahmen im "New Normal", die Erarbeitung von mittelfristigen und langfristigen Szenarios, welche Arbeitsformen und Arbeitsmethoden, die sich in der Krise bewährt haben, für weitere Bereiche ausrollen; schließlich die Unterstützung des Managements dabei, bewährte Krisenrezepte auch für die Zeit nach Corona anzuwenden.