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So schließt sich der Kreis

So schließt sich der Kreis

14. Januar 2022

Fallstudien und Empfehlungen für eine ganzheitliche Zirkularität

Wenn es bisher um Kreislaufwirtschaft ging, lag der Schwerpunkt hauptsächlich bei der Senkung des Energieverbrauchs und der Emissionen. Dies ist allerdings nur ein Teil der Geschichte. Für eine ganzheitliche Zirkularität müssen auch die Abfallerzeugung sowie der Verbrauch von Rohstoffen und Wasser mit einbezogen werden.

Die Idee der Kreislaufwirtschaft besteht darin, die Lücke in diesem Zyklus zu schließen und damit die Notwendigkeit der Herstellung von fabrikneuen Produkten zu beseitigen.
Die Idee der Kreislaufwirtschaft besteht darin, die Lücke in diesem Zyklus zu schließen und damit die Notwendigkeit der Herstellung von fabrikneuen Produkten zu beseitigen.
"Sowohl Unternehmen als auch Regierungen müssen aktiv werden und die Entwicklungsbestrebungen für eine ganzheitliche Kreislaufwirtschaft intensivieren."
Portrait of Didier Tshidimba
Senior Partner
Brussels Office, Westeuropa

Eine Welt ohne Abfälle können wir uns heute kaum noch vorstellen. Noch schwerer fällt die Vorstellung einer solchen Welt, in der auch noch der Energie- und Rohstoffverbrauch niedriger sind als heutzutage. Aber das ist genau das, worauf die sogenannte Kreislaufwirtschaft abzielt – die Wiederverwendung von Produkten (von Kleidung über Möbel bis hin zu Elektrogeräten) und das Recyceln von Materialien (von Kunststoffen über Aluminium bis hin zu Lithium) ohne Müll, ohne Gewinnung neuer Rohstoffe und ohne ökologischen Fußabdruck. Die Frage ist: Wie können wir das erreichen?

Werfen wir einen Blick zurück: Die traditionelle Linearwirtschaft ist einfach erklärt. Aus primären Rohstoffen werden Produkte hergestellt, die verbraucht und dann entsorgt werden. Es handelt sich hierbei jedoch um ein sehr ressourcen- und energieintensives Modell, bei dem zudem bei der Gewinnung und Verarbeitung sowie beim Gebrauch und schließlich bei der Entsorgung der Produkte oftmals Wasser benötigt wird, was wiederum an jedem Punkt der Wertschöpfungskette beträchtliche Abfallmengen und Emissionen verursacht (siehe Abbildung 1).

Die Idee der Kreislaufwirtschaft besteht darin, die Lücke in diesem Zyklus zu schließen und damit die Notwendigkeit der Herstellung von fabrikneuen Produkten zu beseitigen. Statt sie zu entsorgen, werden Produkte und Ressourcen wiederverwendet, so dass der Zyklus mit rückgewonnenen oder wiederaufbereiteten Materialien statt mit neu gewonnenen von vorn beginnen kann. Zugleich richtet sich der traditionelle Fokus nunmehr auf die Senkung von Energieverbrauch und Schadstoffausstoß – eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Wiederverwendung.

Aber das ist nicht die ganze Geschichte. Um wirkliche Zirkularität zu erreichen, müssen die Abfallerzeugung sowie der Verbrauch von Rohstoffen und Wasser in das Konzept mit eingerechnet werden. Dafür gibt es zwei Hauptgründe: Zum einen ist Wasser wohl eine der knappsten und gleichzeitig überlebenswichtigsten Ressourcen und zum anderen sind die Gewinnung von Neumaterialien sowie die Aufbereitung von Wasser oder Abfall ebenfalls energieintensive Prozesse, die zum Gesamtemissionsvolumen beitragen, welches auf null gesenkt werden muss.

Tatsächlich geht die Verwendung von neuen Rohstoffen oft Hand in Hand mit technischem Fortschritt (zum Beispiel: seltene Erden für Batterien), was die Notwendigkeit unterstreicht, die Rechnung gründlich zu durchdenken. Beim Thema Abfall sollte das Kreislaufkonzept sämtliche Abläufe in industriellen Prozessen und Systemen umfassen, inklusive die Abfallströme, die zum Beispiel durch Nebenprodukte oder Ausschuss entstehen. Und schließlich wird sauberes Wasser, sogar mit den in der Industrie tolerierten geringeren Reinheitsgraden, zunehmend knapper und erfordert eine energieintensive Wiederaufbereitung, damit es dem Kreislauf wieder zugeführt werden kann.

Um den Kreis zu schließen und eine wahrhaft ganzheitliche Zirkularität zu erreichen, muss die Gesellschaft die Beschaffenheit von Materialien, das Eigentum daran sowie Materialflüsse neu überdenken. Viele Unternehmen sind bereits auf diesen Zug aufgesprungen.

Umdenken bei der Beschaffenheit: Fallstudie Polyurethan-Recycling

Polyurethan-Produkte (zum Beispiel Schaumstoffmatratzen) können recycelt werden, aber die herkömmliche Methode der mechanischen Aufbereitung erzeugt nur ein qualitativ minderwertiges PU mit eingeschränkten Einsatzmöglichkeiten. Um den Kreis zu schließen, braucht es deshalb hochentwickelte Recyclingmethoden. Eine Option ist das thermochemische Recycling, allerdings sind der intensive Druck und/oder die hohen Temperaturen, die nötig sind, um das PU in ein nutzbares Industriegas umzuwandeln, zu energieintensiv, um wirklich zirkulär zu sein. Zu einer zuverlässigen, zirkulären Alternative könnte in naher Zukunft das chemische Recycling werden, bei dem das PU in seine Grundbestandteile zerlegt wird, so dass es wie primäres PU verwendet werden kann.

Umdenken beim Eigentum: Fallstudie Redwood Materials

Das in Nevada, USA, ansässige Unternehmen Redwood Materials recycelt Elektronikschrott aller Art und stellt daraus Batterien her. Dabei werden kritische Materialien, wie Lithium und Nickel, rückgewonnen und dem Batterieherstellungsprozess wieder zugeführt, so dass die Verwendung von Rohstoffen reduziert werden kann. Bisher hat das Unternehmen eine Kapazität von umgerechnet 1 Gigawattstunde wiedergewonnen – genug, für 10.000 neue Tesla-Autos.

Umdenken bei Materialflüssen: Fallstudie Aluminiumschrott

Für die Gewinnung von primärem Aluminium ist ein ressourcen- und energieintensiver Prozess nötig, der die Umwelt erheblich belastet. Vom Abbau des Bauxiterzes bis zum Transport des fertigen Produkts zu den Verwendern werden pro Tonne gewonnenem Aluminiums durchschnittlich 11,5 Tonnen CO2 produziert. Durch die Verwendung von recyceltem Aluminium kann diese Zahl um 85-95% gesenkt werden. So wird zum Beispiel die Elektrolyse unnötig, die bei der Gewinnung von primärem Aluminium für mehr als die Hälfte des Energieverbrauchs und der Kohlenstoffemissionen verantwortlich ist.

Was ist zu tun?

Sowohl Unternehmen als auch Regierungen müssen aktiv werden und die Entwicklungsbestrebungen für eine ganzheitliche Kreislaufwirtschaft intensivieren. Aufseiten der Wirtschaft gilt es, Geschäftsmodelle für die Schaffung zirkulärer Produktionsprozesse zu erstellen, in Entwicklung und Forschung zu investieren, um nachhaltige Alternativen zu finden, und Materialflüsse zu überwachen und entsprechend zu steuern, damit überflüssiger Abfall vermieden werden kann. Hinsichtlich Letzterem muss auch das Konsumverhalten allgemein überdacht werden. Politische Entscheidungsträger müssen unterstützt werden, wenn es darum geht, Richtlinien in Bezug auf die neuesten Technologien aufzustellen.

Von den Regierungen wiederum müssen, anstelle von einseitigen, engen Normen und Steuerregelungen, ganzheitliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. In diesem Sinne gilt es auch, finanzielle Anreize für die Einführung zirkulärer Produktionsprozesse zu bieten (Erhöhung der tatsächlichen Kosten für primäre Rohstoffe, Vorgabe von Recyclingzielen etc.). Und schließlich müssen politische Entscheidungsträger Innovationsgeist belohnen und grünen Start-ups unter die Arme greifen. Dadurch werden Arbeitsplätze geschaffen und die Umweltbelastung reduziert.

Nur durch solch gemeinsames Handeln wird die Umstellung auf die Zirkularität gelingen und sich der Kreis für immer schließen.

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