Cloud-Computing: Europa braucht Innovation und Wettbewerb
Cloud-Computing ist eine der zentralen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Digitalisierung von Unternehmen und Verwaltung in Deutschland.
Nicht nur Unternehmen, auch Staaten und öffentliche Verwaltungen produzieren täglich riesige Mengen an Daten. Dazu zählen einerseits klassische Akten, andererseits aber auch immer mehr von Maschinen erzeugte Daten wie etwa aus Sensoren für Verkehrsleitsysteme oder Wetterstationen. Angesichts dieser wachsenden Datenmengen steht die öffentliche Verwaltung vor mindestens ebenso großen Herausforderungen wie Unternehmen, denn all diese Daten müssen gespeichert, verarbeitet und zwischen verschiedenen Organisationen ausgetauscht werden. Im Bereich der öffentlichen Verwaltung unterliegen sie außerdem gesetzlichen Dokumentationspflichten.
Was also liegt näher, als es den Unternehmen gleichzutun und auf Cloud-Computing zu setzen, also die flexible Nutzung von Speicher- und Rechnerkapazitäten über eine dezentrale IT-Infrastruktur? So punktet die Cloud nicht nur mit großer Flexibilität und Skalierbarkeit, sondern steht auch für hohe Geschwindigkeit bei den IT-Services und maximale Agilität. Außerdem können längst nicht mehr nur Ressourcen wie Datenspeicher, Rechnerkapazitäten oder Netzwerke (Infrastructure as a Service, IaaS) dezentral bezogen werden, sondern auch ganze Infrastrukturen als Plattform (Platform as a Service, PaaS) oder Anwendungen (Software as a Service, SaaS).
Doch schöne neue Welt des Cloud-Computings hat im Zuge des rasanten Wachstums in den vergangenen Jahren einen Schönheitsfehler bekommen: Immer weniger Anbieter dominieren den Markt – mit allen daraus folgenden negativen Effekten. Vor allem die bekannten Internetgiganten wie Amazon, Google, Microsoft und IBM teilen immer größere Marktanteile bei den Cloud-Computing-Diensten unter sich auf, insbesondere im Bereich der Infrastruktur- und Plattformdienste.
Vor allem im Bereich der Public Cloud, in der die Allgemeinheit die Cloud als dezentrale Infrastruktur nutzen kann, zählt Amazon inzwischen mit einem Marktanteil von mehr als 50 Prozent zu den Platzhirschen. Im B2B-Bereich sieht es im Bereich Infrastructure as a Service nicht viel besser aus: Hier haben die Top-Fünf-Anbieter Amazon, IBM, Google, Microsoft und AT&T inzwischen 55 Prozent des Marktes unter Kontrolle. Im Bereich Platform as a Service dominieren die größten Sechs sogar 65 Prozent des Marktes – Amazon und IBM sind auch hier führend.
Die Entwicklung ist bedenklich, denn Konzentration und Marktbeherrschung können nicht nur dazu führen, dass Unternehmen, Behörden oder Privatpersonen in der Folge ein immer kleineres Angebot zur Verfügung haben könnten. Der fehlende Wettbewerb erschwert auch Innovationen und führt langfristig zu steigenden Preisen. Was ist also zu tun?
Einen wichtigen Ansatzpunkt zur Förderung von Vielfalt und Wettbewerb bietet die Multi-Cloud-Strategie. Dabei legt sich der Nutzer nicht auf einen Anbieter fest, sondern kauft für einzelne Aufgabenbereiche die jeweils am besten geeignete Cloud-Lösung und diversifiziert damit sein Cloud-Portfolio. Dadurch sind die Anwendungen und Daten auf mehrere Anbieter verteilt. Gleichzeitig steigt die Sicherheit, denn für sensible Daten kann ein höheres – und damit teureres – Sicherheitsniveau gewählt werden als für nicht-sensible Daten. Darüber hinaus vermeiden Anwender mit einer Multi-Cloud-Strategie den Effekt, dass Aufwand und Kosten eines Anbieterwechsels so hoch sind, dass er keine valide Option mehr ist (Lock-in-Effekt). Schließlich können Unternehmen mit einer Multi-Cloud-Strategie besser vom Preiswettbewerb unter verschiedenen Cloud-Service-Anbietern profitieren, neue Entwicklungen und Innovationen lassen sich schneller in den Anwendungsalltag integrieren.
In der privaten Wirtschaft ist die Nutzung mehrerer Clouds längst gang und gäbe. Mehr als die Hälfte der Unternehmen setzt auf eine Kombination aus Public und Private Clouds. Jedes sechste Unternehmen nutzt mehrere Public Clouds, knapp jedes zehnte verfügt sogar über mehrere Private Clouds.
Damit nimmt die Wirtschaft in Sachen Cloud-Computing eine Vorreiter-Rolle ein. Staaten und öffentliche Verwaltung agieren zwar unter anderen, sehr spezifischen Bedingungen, doch um die Potenziale einer digitalisierten Verwaltung auszuschöpfen, wird auch hier die Nutzung von Cloud-Lösungen unerlässlich sein. So ermöglicht beispielsweise die hohe Skalierbarkeit von Cloud-Ressourcen, digitale Verwaltungsdienstleistungen auch bei sehr hoher Nachfrage zuverlässig anbieten zu können. Auch der Datenaustausch zwischen Behörden oder Dienststellen lässt sich mithilfe von Cloud-Computing schneller und einfach bewerkstelligen.
Neben den Vorteilen für die Bürger und die Verwaltung selbst generiert der Staat durch die Nutzung von Multi- Cloud-Lösungen wichtige externe Effekte: Als großer Marktteilnehmer setzt der Staat mit dem Einsatz von Multi-Cloud-Lösungen ein öffentlichkeitswirksames Zeichen für Diversität und Vielfalt im Cloud-Computing-Markt. Darüber hinaus stärkt eine auf Multi- Cloud-Lösungen basierende Verwaltung den Wettbewerb zwischen verschiedenen Cloud-Service-Anbietern. Schließlich sorgen regelmäßige Ausschreibungen für neue Cloud-Projekte auch dafür, dass Dynamik und Innovation im Cloud-Computing-Markt gefördert werden.
Als Regelsetzer der digitalen Wirtschaft ist der Staat also gefragt, der weiteren Monopolbildung auf dem europäischen Markt Einhalt zu gebieten. Das gelingt einerseits über die Nutzung einer ausbalancierten Multi-Cloud-Strategie, andererseits durch die Definition europaweiter Standards für Sicherheit und Interoperabilität von Cloud-Diensten. Der Staat muss beide Hebel – seine Funktion als prominenter Einkäufer und Regelsetzer – nutzen, um Wettbewerb und Innovation im Cloud-Computing-Markt zu erhalten
Cloud-Computing ist eine der zentralen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Digitalisierung von Unternehmen und Verwaltung in Deutschland.