Daniel Pink erklärt, wie gutes Timing die Produktivität erhöht

Think:Act "Kreislaufwirtschaft"
Daniel Pink erklärt, wie gutes Timing die Produktivität erhöht

Portrait of Think:Act Magazine

Think:Act Magazine

München Office, Zentraleuropa
24. Oktober 2022

Wie unsere Kreativität und Produktivität tief mit unserer biologischen Uhr verbunden sind.

Interview

von Neelima Mahajan
Illustrationen von Nigel Buchanan

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Der Bestsellerautor Daniel Pink ist Experte für den Zusammenhang zwischen Arbeit, Produktivität und Kreativität. Hier erklärt er, wie gutes Timing unsere Leistungen verbessern kann.

Jeden Tag das Gleiche: Mit dem Eifer und der Entschlossenheit eines Duracell-Häschens pflügen wir durch unsere morgendlichen To-do-Listen – nur damit uns danach so gut wie unvermeidlich das gefürchtete Nachmittags-Tief trifft. Bevor man jetzt aber zum nächsten Kaffee greift, um gegen die Müdigkeit anzukämpfen, macht es Sinn, einmal darüber nachzudenken, warum das so ist.

Der amerikanische Autor Daniel Pink, der einst die Reden für US-Vizepräsident Al Gore schrieb, hat darauf eine gute Antwort: Pink beschäftigt sich mit Themen wie Arbeit und Kreativität. Er sagt, dass unsere kognitiven Fähigkeiten im Tagesverlauf variieren – und dass bestimmte Tageszeiten besser für bestimmte Tätigkeiten geeignet sind.

In seinem Buch When: Der richtige Zeitpunkt zeigt der 57-Jährige, wie wir besser auf unseren Körper hören können und wie wir verschüttete Produktivitätsreserven anzapfen können, indem wir die verborgenen Muster des Tages nutzen, um einen idealen Tagesablauf zu planen.

Ein illustriertes Porträt des Autors Daniel Pink mit einem Tag- und Nachthimmelmotiv im Hintergrund.
Daniel Pink: Bestsellerautor und Experte für den Zusammenhang zwischen Arbeit, Produktivität und Kreativität.

Sie behaupten, die richtige Tageszeit mache 20 % der Leistungsunterschiede aus. Warum ist Timing so wichtig?

20 Jahre lang habe ich in meinem Homeoffice auf völlig schlampige Art entschieden, wann ich schreibe, Interviews führe, Pausen mache und so weiter. Es gab keine Ratgeber dazu. Dennoch gab es jede Menge Forschung: buchstäblich in 25 verschiedenen Disziplinen – wie etwa in der Wirtschaftswissenschaft, Sozialpsychologie, Kognitionsforschung, Chronobiologie oder Endokrinologie. Alle stellten die gleichen Fragen, ohne miteinander zu reden. Da entschloss ich mich, alle diese Erkenntnisse einmal zusammenzubringen.

Und was kam dabei heraus?

Im Endeffekt ist der Tag unsere fundamentale Zeiteinheit. Viele andere Einheiten sind menschlich konstruiert, bis hin zur Sekunde. Die Tageszeit hat einen Rieseneffekt auf unsere Hirnkapazität und Leistungskraft. Wir haben ein intuitives Gefühl dafür, geben dem aber nicht nach. Unsere Hirnkapazität, unsere Denkkraft, bleibt über den Tag hinweg nicht gleich. Mit dem entsprechenden Wissen können wir tatsächlich bessere, schlauere Entscheidungen darüber treffen, wann wir was erledigen sollten. Das Problem ist, dass wir das bei der Alltagsplanung nicht tun. Stattdessen verlassen wir uns einfach auf unser Bauchgefühl, Vermutungen oder Standards – und lassen dabei jede Menge Potenziale liegen. 20 % unserer Leistungsschwankungen lassen sich durch die Tageszeit erklären.

Schauen wir uns mal ein typisches Unternehmen an, in dem wir Leute mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Arbeitsaufwänden finden. Da gibt es alle möglichen Gründe für Leistungsschwankungen. Manche Mitarbeiter sind pflichtbewusster als andere, manche gewandter, andere wiederum sind erfahrener oder haben soziale Vorteile. An diesen Unterschieden kann man kaum rütteln. Aber bei der Tageszeit, da kann man wirklich etwas machen und besser planen.

Wichtigkeit des Timings

Wie hängt das alles mit unserer biologischen Uhr zusammen? Gibt es da Muster, die wir aufspüren müssen?

Ein großer Teil davon ist biologisch. Die Chronobiologie – das Forschungsfeld, das unseren Schlaf-Wach-Rhythmus untersucht – spricht hier von "Entrainment": Wir folgen natürlichen, physiologischen Zyklen, aber wir passen uns auch unserer Umgebung an. Jeder von uns hat einen Chronotyp, eine natürliche Neigung, entweder spät aufzustehen und spät ins Bett zu gehen oder früh aufzustehen und schlafen zu gehen. In der Gesamtpopulation sind rund 15 % der Leute ganz klare Morgenmenschen. Sehr früh aufzustehen und schlafen zu gehen ist für sie natürlich. 20 % von uns sind hingegen Nachteulen. Und etwa zwei Drittel liegen in der Mitte, mit einer leichten Tendenz zum Morgendlichen. Man kann die Welt also in Nachteulen und Nicht-Nachteulen einteilen, das sind rund 20 % der Bevölkerung versus 80 %. Und diese 80 % bewegen sich in drei Phasen durch den Tag: Einem Hoch am Morgen folgt ein Tief in der Mitte und dann eine Erholung am Ende des Tages.

Was machen da die Spätaufsteher?

Daniel Pink

Daniel Pink hat fünf New York Times-Bestseller über Arbeit, Kreativität und Verhalten geschrieben, darunter sein Nr.-1-Hit Drive: Was Sie wirklich motiviert. Er verfasste Essays und Artikel für Medien wie The New York Times, Harvard Business Review, The Atlantic und Slate. Sein neuestes Buch, The Power of Regret, erschien im Februar 2022.

Für Nachteulen ist es komplizierter. Sie haben ihr Hoch viel später abends. Das sind die Leute, die um Mitternacht an ihrem Roman, einer Software oder einem Businessplan schuften. Da wir diese Zyklen haben, kommt es darauf an, wann die beste Zeit für welche Tätigkeit ist. Während unseres Hochs, das für die meisten morgens liegt, sind wir am wachsamsten. Wir können Ablenkungen wegschieben, deshalb ist es die beste Zeit für konzentriertes, analytisches Arbeiten. Der Tiefpunkt, den die meisten am Nachmittag haben, ist eine ganz schlechte Zeit, um was zu schaffen.

Die Performance fällt dann drastisch ab. Das ist eine sehr gefährliche Zeit, in ein Krankenhaus eingeliefert zu werden, wie zum Beispiel Fehlerstatistiken aus der Anästhesie zeigen. Zu dieser Zeit sollten wir lieber Papierkram erledigen, der nicht so viel Hirnschmalz erfordert. Die große Mehrheit erholt sich von dem Tief am späten Nachmittag und frühen Abend. Die Kombination aus positiver Stimmung und niedriger Wachsamkeit zu dieser Zeit kann helfen, Dinge zu verstehen wie Probleme, die sich nicht mit mathematischer Logik erschließen lassen – so etwas wie iteratives Denken oder Brainstorming. Unser Problem ist, dass wir trotzdem denken, alle Tageszeiten seien von Natur aus gleich.

Finde deine Flügel: Die drei Chronotypen
Die Lerche

14 % der Menschen sind natürliche Frühaufsteher. Sie erledigen analytische Jobs am besten bereits am frühen Morgen.

Die Eule

Diese 21 % sind am Spätnachmittag und Abend am analytischsten. Verständnisarbeit erledigen sie am besten morgens.

Der dritte Vogel

Die restlichen zwei Drittel liegen dazwischen, allerdings näher an der Lerche. Sie haben ihr Hoch am mittleren Morgen.

Eine Illustration einer weißen Eule am Nachthimmel, die den zweiten Chronotyp von Daniel Pink darstellt.
Die Eule ist einer der drei Produktivitäts-Chronotypen.
"Unsere kognitiven Fähigkeiten variieren über den Tag. Wir müssen mehr darüber nachdenken, wann wir was erledigen sollten."
Portrait of Daniel Pink

Daniel Pink

Autorin

Manche erfüllen spezielle Rollen: Analytiker haben mit Zahlen zu tun, Künstler und Schriftsteller müssen kreativ sein. Wie können Menschen an den Außenrändern des Spektrums diese Erkenntnisse über die Tagesplanung nutzen?

Schauen wir uns einen Werbetexter an. Der wird während seines Hochs die besseren Zeilen schreiben. Für die Analytikerin, die reine Datenanalyse macht, gilt das Gleiche. Wenn sie aus ihrem Datensatz jetzt aber neue, einfallsreiche Fragen herauskitzeln möchte, täte sie das besser während ihrer Erholungsphase. Der Werbetexter wiederum wird seine Zeile nicht unbedingt während seiner Erholungszeit finden, aber er könnte sich fragen: Was wäre ein interessantes Bild, um die Idee einzufangen? Es hat also wirklich damit zu tun, was für eine Art Denkprozess gerade läuft.

Nicht jeder kann sich aussuchen, wann er seine wichtigsten Aufgaben erledigt. Ärzte zum Beispiel müssen rund um die Uhr arbeiten. Wie können sie diese Erkenntnisse nutzen?

Manche Menschen müssen Schicht- oder Nachtarbeit leisten, das ist aber wirklich ungesund. Wir sind nicht dafür gemacht, nachts zu arbeiten. Wer ein paar Jahre Schichtarbeit macht, zahlt dafür einen merklichen Preis, körperlich. Je mehr wir darüber wissen, desto wahrscheinlicher wird es, dass sich am Ende das Arbeitsrecht dieser Sache annimmt, so wie es sich einst um die Sicherheit der Bergleute gekümmert hat. Manche Tätigkeiten braucht es halt einfach. Da muss noch einiges getan werden: zum Beispiel, die Leute zu den richtigen Zeiten in die richtigen Schichten zu stecken. Der deutsche Chronobiologe Till Roenneberg hat etwas Interessantes herausgefunden, als er eine Produktionsfirma untersuchte: Wenn man den Arbeitern zugestand, ihre Schichten ihrem Chronotyp anzupassen, sank ihr Krankenstand und ihre Produktivität stieg.

Die Pausenliste

Eine To-do-Liste, aber für Pausen: Trinken Sie zum Beispiel einen Kaffee und legen sich dann für 25 Minuten hin – so wachen Sie genau auf, wenn das Koffein wirkt. Oder ein 5-Minuten-Spaziergang jede Stunde. Oder zur Ablenkung Musik. Und immer schön abhaken.

Sollte ein langer Arbeitstag mehr eingeplante Pausen haben?

Gerade für das Tief am Nachmittag brauchen wir viel systematischere Pausen. Wenn wir wissen, dass unsere Leistung da abfällt, müssen wir dagegen anarbeiten mit solchen Tricks wie Checklisten – wenn es um Sicherheit geht – und mit Pausen. Bei uns herrscht diese Arbeitsmoral vor, dass man durchpowern sollte, um mehr zu schaffen. Aber das ist einfach falsch. Spitzensportler oder Ausnahmemusiker planen mehr Pausen als gewöhnliche Sportler oder Musiker.

Was können Manager tun?

Manager und Führungskräfte müssen erkennen, dass einer von fünf Mitarbeitern eine Nachteule ist. Es gibt Hinweise darauf, dass Nachteulen tatsächlich die kreativeren Menschen sind. Trotzdem zwingen wir sie, um acht Uhr anzufangen, wenn es ihnen schlecht geht und sie unproduktiv sind. Wenn du ein Team hast, das die Köpfe rauchen lassen soll, ist es eine schlechte Idee, sie morgens mit Meetings zuzuplanen.

Kennen Sie Organisationen, die sich an diesen Erkenntnissen ausrichten?

Nicht so viele. Aber teils entwickelt sich das eher organisch. Die Pandemie hat es ein wenig beschleunigt, weil mehr Büroarbeit von zu Hause erledigt wird. Wenn man ins Büro kommen muss und um halb zehn nicht da ist, könnte der Chef denken, das ist ein Drückeberger. Aber wenn man zu der Zeit nicht gerade ein Zoom-Meeting hat, kann man da natürlich eine Pause einlegen. Der beste Weg ist, mit gutem Beispiel voranzugehen, statt es von oben festzulegen. Chefs und Chefinnen, die dieses Verhalten vorleben, werden die Sache vorantreiben.

Über den Autor
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Neelima Mahajan
Neelima Mahajan ist Chefredakteurin von Think:Act. Sie hat seit zwei Jahrzehnten als Wirtschaftsjournalistin für verschiedene Publikationen in Indien und China gearbeitet, unter anderem war sie Mitglied des Gründungsteams der indischen Ausgabe des Magazins Forbes. Von 2010 bis 2011 war sie Gaststudentin an der University of California in Berkeley und Stipendiatin der Bill und Melinda Gates Foundation für ein Reportageprojekt über Afrika. Majahans Leidenschaft sind Management-Themen. Sie hat zahlreiche renommierte Managament-Vordenker, Nobelpreisträger und Unternehmenslenker interviewt. 2010 erhielt sie den Polestar Award for Excellence in IT and Business Journalism, einen der renommiertesten Journalistenpreise Indiens.
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Rund um die Welt fasst der Nachhaltigkeitsgedanke immer weiter Fuß. Think:Act zeigt, wie Unternehmen einen geschmeidigen Übergang schaffen können – vom linearen zum zirkulären Wirtschaften.

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