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Dekarbonisierung der Luftfahrt – Wasserstoffantrieb, nachhaltige Kraftstoffe und elektrische Technologie

Dekarbonisierung der Luftfahrt – Wasserstoffantrieb, nachhaltige Kraftstoffe und elektrische Technologie

5. November 2021

Die dekarbonisierte Zukunft birgt neue Herausforderungen

Der steigende Trend zu mehr Nachhaltigkeit erreicht auch die Luftfahrtbranche. Dabei setzt Airbus im Zuge der Dekarbonisierung vor allem auf den Einsatz von Wasserstoffantrieben sowie nachhaltigen Flugzeugkraftstoffen. Um die dekarbonisierte Zukunft zu erreichen, sollen einzelne Bausteine der Raumfahrttechnologie auf Passagierflugzeuge übertragen werden. Erfahren Sie im Interview mit Nicole Dreyer-Langlet, der Vizepräsidentin im Bereich Forschung & Entwicklung und Mitglied der Geschäftsführung der Airbus Operations GmbH, mehr über die Herausforderungen eines nachhaltigen Luftfahrt-Ökosystems und welche Rolle die AkteurInnen der Branche darin spielen.

The Airbus airplanes in the sky under the sea
Airbus setzt im Zuge der Dekarbonisierung vor allem auf den Einsatz von Wasserstoffantrieben sowie nachhaltigen Flugzeugkraftstoffen.
"Flugzeuge von morgen brauchen eine innovative Infrastruktur, damit die Ambition vom emissionsfreien Fliegen gelingt."
Portrait of Nicole Dreyer-Langlet

Nicole Dreyer-Langlet

Welche Technologie wird bei der Dekarbonisierung der Luftfahrt führend sein - wird das Rennen Wasserstoff, SAF oder eine elektrische Form machen?

Nach unserer Einschätzung gibt es hier mehrere Technologien, die sich gut ergänzen. Dazu zählen Wasserstoff und SAF gleichermaßen, ebenso die weitere Optimierung von Flugverlauf und Air Traffic Management.

Bei Wasserstoff sehen wir einerseits die Direktverbrennung im Turbofan- oder Turboprop-Triebwerk als Technologiepfad, andererseits die Nutzung von SAF auf Basis von Wasserstoff. Dazu kommen bei SAF weitere Varianten der Gewinnung wie bereits heute auf Basis von Biomasse.

Ebenso zukunftsweisend ist die Nutzung von Wasserstoff in Brennstoffzellen. Diese können unter anderem Strom für Elektromotoren liefern, welche bei einem hybriden Konzept denkbar sind. Wichtig ist elektrische Energie außerdem zur Versorgung weiterer Bordsysteme, wie zum Beispiel der Hydraulik und der Klimaanlage. Diese werden heute vom Triebwerk versorgt.

Bei den ZEROe-Konzepten für Wasserstoff-Flugzeuge unterscheiden wir drei Kernkonzepte:

  • Einerseits ein Flugzeug mit Turboprop-Antrieb für bis zu 100 Passagiere und mit einer Reichweite von rund 1000 Seemeilen. Hier würde sich der Wasserstoff-Tank im Heck hinter der Passagierkabine befinden.
  • Das zweite Konzept sieht einen Turbofan-Antrieb vor und Kapazität für bis zu 200 Reisende. Auch hier würde sich der Tank im Heck befinden. Die Reichweite beträgt rund 2000 Seemeilen.
  • Als weiteres Konzept schauen wir uns die so genannte “Blended-Wing-Body”-Bauweise an. Hier sind ebenfalls 200 Passagiere und 2000 Seemeilen die Eckdaten. Ein solches Konzept bietet komplett neue Möglichkeiten für die Anordnung der Tanks. Andererseits müssen hier dann auch die Kabinengestaltung und viele weitere Faktoren komplett neu gedacht werden. Ebenso anspruchsvoll wie die Flugzeugarchitektur ist dann auch die Zertifizierung. Hier müssen sich die entsprechenden Zulassungsgremien intensiv mit der neuen Bauweise beschäftigen.

Wie plant Airbus, die negativen Auswirkungen des Wasserstoffantriebs auf die Umwelt abzumildern, insbesondere in Bezug auf Kondensstreifen/Wasserdampf und im Falle der Wasserstoffverbrennung auf die NOX-Emissionen?

Hier gibt es mehrere Ansätze. Einerseits könnte ein Hybridantrieb aus Elektromotor und Verbrennung zum Einsatz kommen. Damit lässt sich die Verbrennung im Reiseflug reduzieren. Dann spielt hier aber auch die Flugführung eine Schlüsselrolle. Durch flexiblere Flugbahnen lassen sich Höhenbänder oder Regionen mit atmosphärisch günstigen Bedingungen für die Entstehung von Kondensstreifen umgehen.

Welches sind die wichtigsten Herausforderungen bei der Verwirklichung eines wasserstoffbetriebenen Luftfahrt-Ökosystems?

Die weitere Industrialisierung und Skalierung der Wasserstoff-Nutzung ist ein branchenübergreifendes Mannschaftsspiel. Hier setzen wir auf Sektorkopplung und Vernetzung mit anderen Verkehrsträgern und Industrien. Ein gutes Beispiel findet sich direkt vor der Haustür von Airbus in Hamburg im sogenannten IPCEI Projekt, Important Project of Common European Interest. Hier ist die komplette Wertschöpfungskette vertreten: Zum einen die Energieversorger, die aus Windkraft grünen Wasserstoff erzeugen. Dann die Distribution über das Gasnetz Hamburg - auf Basis der Nutzung von bestehender Kompetenz und Infrastruktur. Daran angeschlossen ist ein gigantisches Industriegebiet mit Hafen, Metallverarbeitung, Logistik und auch Airbus. Die Wasserstoff-Nutzung zu Lande, zu Wasser und in der Luft ist die Zukunft.

Was unternimmt Airbus, um diese dekarbonisierte Zukunft zu ermöglichen?

Wir bringen unsere Kernkompetenz ein - das Entwickeln und Fertigen von Verkehrsflugzeugen. Wasserstoff-Antrieb ist keine neue Technologie an sich. Damit sind Astronauten vor mehr als 50 Jahren zum Mond geflogen. Auch mit Verkehrsflugzeugen hat es schon Versuchsreihen gegeben, so beispielsweise in Russland in den 1990er Jahren mit einer entsprechend umgerüsteten Tupolew. In Europa hat das Projekt “Cryoplane” in den 2000er Jahren wichtige Grundlagen geschaffen.

Aber es ist ein Unterschied, ob es einmal mit fünf Personen ins Erdorbit zur ISS geht oder fünf Mal am Tag mit 150 Passagieren von Hamburg nach München. Unsere Aufgabe ist es, Technologiebausteine aus der Raumfahrt alltagstauglich für Passagierflüge zu machen. Ein Verkehrsflugzeug wie die A320 hat eine Abflugszuverlässigkeit von mehr als 99,7 Prozent und ist rund 30 Jahre im Einsatz. Dazu kommen extrem hohe Sicherheitsanforderungen. Dies alles ist der Maßstab, an dem die Airlines uns messen werden.

Unser Ziel ist es, bis ungefähr zum Jahr 2025 die einzelnen Technologiebausteine im Detail zu definieren und zu analysieren. Dann werden wir entscheiden, wie das Gesamtflugzeug aussehen sollte. Geplant ist, das erste ZEROe Flugzeug bis 2035 in den Liniendienst einzuführen.

Welche Rolle müssen die Akteure der Branche - z. B. Regierungen, Fluggesellschaften, Kraftstoffhersteller, Flughäfen, Zulieferer - spielen?

Für alle muss klar sein, dass wir bei Dekarbonisierung und dem Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur nur gemeinsam erfolgreich sein werden. Energieversorger und Kraftstoffhersteller haben die Schlüsselrolle bei der Produktion von SAF und grünem Wasserstoff. Regierungen müssen dies entsprechend fördern. Flughäfen müssen die entsprechende Infrastruktur zur Versorgung aufbauen. Dies muss aber alles auf Basis gemeinsamer, weltweiter Standards geschehen, so wie es heute in der Luftfahrt bereits der Fall ist.

Dabei gilt es keine Zeit zu verlieren. Produktionskapazitäten und zukunftsweisende Infrastruktur für SAF und Wasserstoff müssen parallel zur Flugzeugentwicklung aufgebaut werden. Das Flugzeug von morgen braucht auch die Infrastruktur von morgen. Nur so kann die Ambition vom emissionsfreien Fliegen gelingen.

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