Globale Krisen und ihre Auswirkungen auf Unternehmen und Wirtschaft
Roland Berger unterstützt Unternehmen globale Krisen (Ukraine-Krieg, Inflation, Zinswende und Covid) zu bewältigen und sie fit für die Zukunft zu machen
Von Patrick Heinemann und Sven Siepen
Der deutsche Maschinen- und Anlagenbau ist seit jeher eine führende Export- und Innovationsbranche. Mit vornehmlich mittelständischen Unternehmen, darunter etlichen "Hidden Champions", zählt sie zum industriellen Rückgrat des Landes. Zugleich ist sie Innovationstreiber für wichtige Entwicklungen wie Industrie 4.0, CO2-Neutralität, Energieeffizienz und Elektromobilität. Der klare Fokus auf globale Qualitätsführerschaft unter dem Siegel „Made in Germany" hat der Branche vor der Corona-Pandemie jahrzehntelang volle Auftragsbücher und auskömmliche Gewinne beschert. Doch ihr Geschäftsmodell gerät nun von vielen Seiten unter Druck.
Der Maschinenbau steht vor großen Herausforderungen und befindet sich in einem tiefgreifenden Transformationsprozess. Das traditionelle Geschäftsmodell, die technisch beste Maschine zu bauen, wird durch veränderte Kundenanforderungen zunehmend herausgefordert. So brauchen etwa Automobilzulieferer neue Produktionsanlagen und Bearbeitungsverfahren, um für die Ära nach dem Verbrennungsmotor die notwendigen Bauteile überhaupt herstellen zu können. Zudem werden Maschinenbaukunden in der sich abzeichnenden Krise verstärkt auf einfachere Produktvarianten bei gleichbleibend hoher Qualität und Zuverlässigkeit ausweichen. Wertschöpfung und Produktentwicklung müssen daher neu gedacht und Kundenbedürfnisse stärker in den Vordergrund gestellt werden.
Auch technologisch muss sich die Branche wandeln, denn die Bedeutung von Software, KI, Big Data und Cloud- oder Edge-Computing wächst rasant. Der anhaltende Fachkräftemangel droht allerdings zu einem Innovationshemmnis zu werden. Mit attraktiveren Gehältern und Arbeitsbedingungen einschließlich ESG-Konformität soll dagegengehalten werden, dies treibt jedoch die Personalkosten in die Höhe und erhöht den Druck auf die Margen.
Eine weitere Herausforderung ist die geopolitische Neuordnung. China als einer der wichtigsten Abnehmer deutscher Qualitätsmaschinen hat sich in der Vergangenheit zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten entwickelt und einen harten Preiswettbewerb entfacht. Hinzu kommen weitere Wettbewerber aus Schwellenländern, die den Kostendruck zusätzlich erhöhen. Auch wenn ihre Produkte immer noch höherwertiger sind und entsprechend ein Preispremium erzielen, müssen deutsche Maschinenbauer ihre Digitalisierung und Anpassung an neue Kundenbedürfnisse vorantreiben, sonst gerät ihre Qualitätsführerschaft in Gefahr.
Hinzu kommt der wachsende Protektionismus, der den chinesischen Binnenmarkt weitgehend vor ausländischen Wettbewerbern schützt. Als exportorientierte Branche ist der Maschinenbau auf freien Handel angewiesen. Doch die zunehmenden Handelsbeschränkungen bedrohen Marktzugänge und Wertschöpfungsketten. Eine Lösung könnte die Verkürzung der Liefer- und Wertschöpfungsketten sein, um Abhängigkeiten von einzelnen Zuliefer- und Absatzstandorten nicht zu groß werden zu lassen. Allerdings sind solche kapitalintensiven Schritte gerade für kleinere Unternehmen nicht so leicht umsetzbar.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass erste deutsche Unternehmen ihre Produktionskapazitäten zurückverlagern und die Automatisierung ihrer eigenen Produktion vorantreiben. Denn ein hoher Automatisierungsgrad erhöht die Effizienz und hilft somit auf der Kostenseite. Gleichzeitig werden vorhandene Qualitätsvorteile für die Kunden wieder sichtbarer, die Lieferketten verkürzen sich und die Flexibilität nimmt zu. Die neue Strategie der Regionalisierung bietet deutschen Maschinenbauern zudem die Chance, ihr Produktportfolio mit Angeboten wie Anlagenbetrieb und automatisierter Wartung in Richtung Machining as a Service (MaaS) auszubauen und von asiatischen Wettbewerbern abzuheben. Neue Verkaufsarten wie Leasing- oder Abo-Modelle sowie Output-basierte Preissetzung können zudem dazu beitragen, die Volatilität die Erträge zu minimieren. Durch eine Erweiterung des Servicegeschäfts, neue Finanzierungsmodelle und, damit verbunden, wiederkehrende Umsätze lässt sich nicht nur die Abhängigkeit von konjunkturellen Schwankungen deutlich reduzieren. Zugleich bieten derartige Geschäftsmodelle einen wichtigen Differenzierungsfaktor, mit dem deutsche Anbieter ihre Markstellung sichern bzw. ausbauen können.
Zuerst die Corona-Krise und jetzt der Ukraine-Krieg: Die aktuellen Krisenszenarien erhöhen den Handlungsdruck . 2020 war für die deutschen Maschinenbauer ein besonders schwieriges Jahr. Viele Projekte wurden zurückgestellt oder storniert. Auch wenn die Corona-Pandemie 2021 weiterhin für Verwerfungen sorgte, verzeichnete die Branche ein Auftrags- und Ertragswachstum, da eine robuste Nachfrage aus den USA die Nachfragerückgänge in anderen Ländern teilweise überkompensieren konnte. Auch der Start ins Jahr 2022 verlief vielversprechend.
Der Ausbruch des Ukraine-Kriegs bremste die Dynamik allerdings abrupt aus. Auch wenn die unmittelbaren Folgen des Krieges, wie höhere Energiekosten, für die Branche bisher überschaubar bleiben, werden die Unternehmen mit einer stark steigenden Inflation konfrontiert. So könnten Kunden anstelle von hochpreisigen Maschinen aus dem Top-Segment auf mittelpreisige ("good enough") Alternativen umschwenken, um ihre eigenen Kosten zu reduzieren. Nicht zuletzt deshalb muss sich die Branche auf intensive Preisverhandlungen mit ihren Kunden einstellen. Inwieweit die Maschinenbauer bei ihren Zulieferern Kostensenkungen durchsetzen können, um ihre eigenen Margen zu sichern, ist mehr als fraglich. Im Gegenteil, zu erwartende Preissteigerungen im Einkauf müssen an die eigenen Kunden weitergegeben werden. Umso wichtiger ist es, die Produktportfolien schnell auf ein funktions- und qualitätsseitig immer noch gutes mittleres Preissegment abzuspecken.
Neben dem steigenden Preis- und Margendruck bleibt die harte Zero-Covid-Strategie Chinas eine große Herausforderung. Denn die vor der Corona-Pandemie funktionierende Just-in-time-Logistik implodierte durch Abfertigungsstaus vor den chinesischen Häfen quasi über Nacht. Hinzu kommt aktuell die historische Zinswende, die Finanzierungen erstmals seit über zehn Jahren wieder substanziell verteuert. Für Maschinenbauer, die hierzulande meist über solide Eigenkapitalausstattungen verfügen, sollte diese Entwicklung zunächst kein Problem sein. Auf Kundenseite dagegen könnten die steigenden Zinsen zu einem Nachfragerückgang führen und folglich die Branche auch an dieser Stelle hart treffen.
Die Krisenszenarien treffen den deutschen Maschinenbau keineswegs unvorbereitet. Allerdings wurden viele wichtige Trends in der Vergangenheit zwar zur Kenntnis genommen, aber zu selten in eine Vorreiterrolle übersetzt. Auch wenn die Branche bisher gestärkt aus Krisen hervorgegangen ist, bleiben die Herausforderungen groß und der Transformationsdruck steigt. Die deutschen Maschinenbauer können den Wandel von der Spitze aus vorantreiben, wenn sie jetzt handeln und sich strategisch neu positionieren.
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