Wir kennen das Phänomen vermutlich alle: Man möchte eine Reise buchen, geht ins Internet – und ist erschlagen von der Fülle des Angebots. Gibt es den Flug nicht auch zu einer passenderen Zeit? Oder das Hotel vielleicht billiger? Mit jeder weiteren Option tauchen neue Fragen auf. Viele fühlen sich davon offenbar so überfordert, dass sie am Ende gar keine Reise buchen: In einer Umfrage von Google gab immerhin mehr als jeder Zweite an, zu viele Informationen prüfen zu müssen, um eine Reiseentscheidung treffen zu können.
Das Beispiel ist symptomatisch für unsere Zeit – und für drei Trends, mit denen Unternehmen weltweit zu kämpfen haben. Erstens: Die Märkte werden immer volatiler, denn steigende Innovationsraten, neue Technologien sowie sinkende Markteintrittsbarrieren sorgen allenthalben für Unruhe. Konnte ein Unternehmen früher Jahrzehnte ohne Übernahmeangebot oder den Drang, einen anderen Anbieter verschlucken zu müssen, überstehen, sind Firmenkäufe und -übernahmen heute an der Tagesordnung. Dazu noch einmal ein Blick in die Reisebranche: Allein die drei größten und relativ neuen Anbieter TripAdvisor, Booking.com und Expedia haben in den Jahren 2013 bis 2017
M&A-Aktivitäten
im Volumen von 12,8 Mrd. US-Dollar vollzogen. Diese Summe übertrifft die gemeinsame Marktkapitalisierung von etablierten Anbietern wie TUI und Thomas Cook bei weitem.
Kunden – und Märkte – sind überfordert
Der zweite globale Trend sind steigende Konsumentenerwartungen im Hinblick auf Service und Preise. Je größer die Transparenz und je weitläufiger das Angebot, desto wichtiger aber die „customer experience“, also die positive Kundenerfahrung – sonst wechselt der Kunde zum Mitbewerber. Damit entsteht eine fast unlösbare Aufgabe: Konsumenten wünschen sich einerseits mehr Produkte und Service-Optionen, gleichzeitig mehr Einfachheit und eine personalisierte Auswahl. Um erneut das Reise-Beispiel zu bemühen: Anbieter sollen nicht einfach ihr gesamtes Portfolio präsentieren, sondern die Informationen anhand persönlicher Präferenzen und früheren Verhaltens filtern.
Der dritte Trend ist der Übergang von Wertschöpfungsketten zu Wertschöpfungsnetzwerken. Je mehr die traditionellen Grenzen zwischen Branchen und Wettbewerbern schwinden, desto leichter haben es neue Anbieter, vor allem dann, wenn sie direkten Kundenzugang haben. Hier spielt die Digitalisierung eine zentrale Rolle, denn sie verändert die Kostenstruktur von Unternehmen und lässt die Kosten von Transaktionen – sowohl innerhalb als auch zwischen Organisationen – dramatisch sinken.
Einfachheit. Eine komplexe Angelegenheit
Diese drei Entwicklungen bieten Unternehmen große Chancen. Aber sie bergen auch Risiken. Denn sinken etwa die Eintrittsbarrieren auf Massenmärkten, können Anbieter schnell den Zugang zu Kunden zu verlieren. Die Komplexität amorpher Netzwerke verunsichert Aktionäre und Lieferanten, Kunden wissen nicht, an wen sie sich wenden sollen. Viele Unternehmen befinden sich dadurch in einer Zwickmühle: Auf der einen Seite wollen sie ihr Angebot so einfach wie möglich machen, indem sie Produkte und Leistungen aus einer Hand anbieten, erkaufen sich dies aber mit großer interner Komplexität. Verfolgen sie die Strategie, ihren Betrieb so einfach wie möglich halten, also günstig zu produzieren und schnell mit neuen Angeboten auf dem Markt zu sein, müssen sie sich fokussieren. Je stärker sie ihr aber Angebot ausweiten, um möglichst viele Kunden zu bedienen, desto austauschbarer werden sie. Die Herausforderung besteht also nicht nur darin, Kunden möglichst viel Komfort – durch Vereinfachung – anzubieten, sondern diese Komplexitätsreduktion auch im Unternehmen umzusetzen. Mit einem neuen „Mindset“ ist es dabei kaum getan. Unternehmen brauchen einen ganz konkreten Fahrplan zur Vereinfachung, und zwar an allen Fronten.