Die Zukunft des urbanen Verkehrs liegt in der Luft. Und vor der Branche liegt eine goldene Zukunft
90 Milliarden USD werden in etwa drei Jahrzehnten mit Urban Air Mobility, also die Ausweitung städtischer Transportsysteme in den
Luftraum
, verdient – Jahr für Jahr. Es wird eine Zeit sein, in der 160.000 elektrisch betriebene Flugtaxis Menschen zum Flughafen befördern oder über den Stau hinweg zu ihren Zielen bringen. Roland Berger hat die junge Branche zum zweiten Mal innerhalb zweier Jahre unter die Lupe genommen (die
erste Erhebung
fand im Jahr 2018 statt) und die Ergebnisse in der Studie "Urban Air Mobility – USD 90 billion of potential: How to capture a share of the passenger drone market" zusammengefasst.
Die Kernaussage der aktuellen Studie formuliert Senior Partner Manfred Hader. „Wir schätzen, dass im Jahr 2050 bis zu 160.000 kommerzielle Flugtaxis in der Luft sein werden. Die UAM-Passagier-Industrie wird dann Einnahmen in Höhe von fast 90 Milliarden USD pro Jahr generieren."
Flugtaxis sind längst Realität
In der Studie erwarten die Autoren dem Fliegen mit Elektroantrieb im urbanen Kontext also eine glänzende Zukunft. Wobei – Zukunft ist das falsche Wort. Denn was klingt, wie Science-Fiction, ist in China schon Realität. Mit der Firma EHang agiert in der Volksrepublik ein junger Anbieter (die Firma wurde im Jahr 2014 gegründet), der unterschiedliche Passagier-Drohnen im Portfolio und diese auch schon in die Luft gebracht hat. 600 Flugtaxis für Passagier- und Cargo-Transport plant
EHang im Jahr 2021
zu bauen. Im laufenden Jahr waren es Corona-bedingt nur 20.
Investoren befeuern den noch jungen Markt mit gewaltigen Summen. 907 Millionen USD flossen in den ersten sechs Monaten des Jahres 2020 in die Branche – trotz Pandemie und Krise der Luftfahrtindustrie. Damit hat sich die Investitionssumme im Vergleich zu 2016 (ca. 40 Millionen US Dollar) mehr als verzwanzigfacht. Es dürfte nicht mehr lang dauern, bis Flugtaxis auch in Europa ganz selbstverständlich zum Stadtbild gehören. Aktuell arbeiten rund 110 Städte und Regionen auf der ganzen Welt an Lösungen in diesem Bereich, die Zahl neuer Player im Markt wächst beständig. Start-Ups und etablierte Luftfahrtunternehmen entwickeln Flugtaxis und Services für unterschiedliche Bereiche.
City Taxis, Airport-Shuttles und Intercity Jets werden den Markt dominieren
Gegenwärtig, so die Autoren der Studie, zeichne sich ein Trend zu einer ersten Spezifizierung der Flugtaxis ab. Hersteller spezialisieren sich (etwa zu gleichen Teilen) auf die Fertigung von drei unterschiedlichen Typen: City Taxis mit einer Reichweite von 15 bis 50 Kilometern werden den innerstädtischen Bedarf abdecken, Airport-Shuttles mit derselben Reichweite bringen Reisende zu Airports, und Intercity Jets, die Distanzen von bis zu 250 Kilometern zurücklegen können, sorgen für den Transport zwischen großen Metropolen. „Bis 2050 werden die Flughafen-Shuttle- und Inter-City-Dienste den Löwenanteil unter sich aufteilen, etwa 90 Prozent der Einnahmen“, sagt Manfred Hader.
Zwei Entwicklungen geben der Branche aktuell Auftrieb: Zum einen nimmt die Akzeptanz der Technologie in der Bevölkerung mit jedem gelungenen Testflug, mit
jeder Drohne als fliegender Lieferant
, zu. Parallel dazu beschäftigten sich Regulierungsbehörden wie die European Union Aviation Safety Agency oder die US Federal Aviation Administration (FAA) ernsthaft mit dem Thema, sodass rechtliche Hürden zeitnah überwunden werden dürften.
Doch nicht nur die Hersteller von Flugtaxis werden ein Stück vom 90-Milliarden-Kuchen abbekommen. Ein ganzes Ökosystem wächst, sodass sich der Markt weiter ausdifferenzieren wird, was eine Reihe von unterschiedlichen Geschäftsmodellen nach sich zieht.
Fünf Segmente und vier Dienstleistungsangebote
Flugtaxis als Kerngeschäft
Serviceangebote im Bereich Wartung und Reparatur
Serviceangebote im Bereich Flight-Operations
Boden-Infrastruktur (Hangars, Servicezentren)
Digitale Infrastruktur
Innerhalb des Ökosystems werden sich auch verschiedene Dienstleistungsangebote herauskristallisieren. Die Roland Berger-Experten erwarten vier unterschiedliche archetypische Geschäftsmodelle mit unterschiedlichen Strategien:
Systemanbieter
Serviceanbieter
Zulieferbetriebe
Ticketanbieter
Wie sich die Marktteilnehmer richtig positionieren
Für Marktteilnehmer ist es erfolgsentscheidend, dass sie sich auf ein Segment und ein Geschäftsmodell konzentrieren, um dort erfolgreich zu sein. Je nachdem, welchen Hintergrund die Firmen haben, sprechen die Autoren der Studie unterschiedliche Handlungsempfehlungen aus.
Etablierte Firmen aus dem Luftfahrt- oder Automobilbereich sollten sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, um die Mittel für den
Einstieg in die UAM
zu erwirtschaften. Sobald sie sich für eine passende Strategie entschieden haben, sollten sie sich nicht isolieren und auf eine enge Zusammenarbeit mit komplementären Anbietern setzen. „Ein Alleingang ist für keinen der Akteure eine Option. Partnerschaften zwischen Herstellern, Betreibern und Infrastrukturanbietern erweisen sich als wichtiger Erfolgsfaktor", bemerkt Principal Stephan Baur.
Start-Ups sollten sich im Markt möglichst öffentlichkeitswirksam positionieren, um über die Aufmerksamkeit weitere Sponsoren zu generieren. Testflüge können dann die Funktionalität ihres Konzepts unter Beweis stellen.
Und Zulieferer sollten sich überlegen, welche Teile der Wertschöpfungskette sie abdecken können und welche Subsysteme sie liefern können. Sie haben momentan den Vorteil, dass die Wertschöpfungsketten noch nicht definiert sind. Da ebenfalls noch nicht klar ist, welche Flugtaxis sich am Ende durchsetzen, sollten sie sich auf typunabhängige Lösungen konzentrieren.
Studie
Die Senkrechtstarter-Branche: Wie Urban Air Mobility abhebt
Urban Air Mobility – eine Branche startet durch. Investments sind über 20mal höher als vor vier Jahren.