" Die Digitalisierung führt zu strukturellen Veränderungen in der Wirtschaft. Wir dürfen die Aufmerksamkeit nicht nur auf Nettoeffekte am Arbeitsmarkt richten. "
Die Zukunft der Arbeit
Alle reden über die Digitalisierung. Und technologischen Wandel erleben wir tatsächlich: in unserem privatem Umfeld, in der Art, wie wir kommunizieren und konsumieren. Genau wie in unserer Wirtschaft – "Disruption" lautet hier das Schlagwort. Kreative Unternehmer nutzen digitale Technologien als Hebel. Sie revolutionieren Geschäftsmodelle, redefinieren die Grenzen von Industrien und schaffen neue Schnittstellen zum Kunden. "Schöpferische Zerstörung" hat Schumpeter diesen Prozess genannt. Etablierte Unternehmen fallen ihm gerne zum Opfer.
Auf den ersten Blick weniger revolutionär ist ein weiterer Aspekt des Siegeszugs der digitalen Technologien: Sie nämlich bergen ein großes Potenzial für die Automatisierung. Deren Konsequenzen hat schon Aristoteles beschrieben: "Wenn jedes Werkzeug auf Geheiß, oder auch vorausahnend, das ihm zukommende Werk verrichten könnte, wie des Dädalus Kunstwerke sich von selbst bewegten oder die Dreifüße des Hephaistos aus eigenem Antrieb an die heilige Arbeit gingen, wenn so die Weberschiffe von selbst webten, so bedarf es weder für den Werkmeister der Gehilfen noch für die Herren der Sklaven".
Provokanter formuliert: Automatisierung vernichtet Arbeit. Und deshalb kann die digitale Revolution schnell zu einer sozialen Revolution werden. Ein Blick auf die ökonomischen und sozialen Folgen bahnbrechender Innovationen wie die Dampfmaschine und der mechanische Webstuhl zeigt das. Dass einfache manuelle Arbeitsprozesse durch Maschinen oder Roboter ersetzt werden, kennen wir. Aber heute sind nicht mehr nur niedrig oder nicht qualifizierte Arbeitskräfte betroffen. Mit besserer Sensorik, hoher Vernetzung und zunehmender – wenn auch noch sehr beschränkter – Intelligenz dringt die Automatisierung in die beruflichen Domänen der besser qualifizierten Mittelklasse vor.
Stehen wir also tatsächlich vor einer "Disruption" der Arbeit? Mit drastischen Folgen für jeden Einzelnen von uns, für Gesellschaft und Politik? Oder ist das technologiefeindliche Hysterie? Wird Arbeit zu einem knappen Gut, führt unser Weg in eine Zweiklassengesellschaft, in der sich wohlausgebildete "Digital Cognoscenti" und ein analoges Prekariat gegenüberstehen? Wer sind die Fachkräfte von morgen? Wie bilden wir sie aus? Und wie werden sie geführt?
12 Thesen
Fazit
Die Digitalisierung kommt, aber sie kommt mit breiter Wirkung nicht so schnell, wie manche Panikmacher uns glauben machen. Und die vielbeschworene, durch den technologischen Wandel ausgelöste Massenarbeitslosigkeit findet nicht statt. Noch dominieren zwar die Schreckenszahlen der 2013 veröffentlichten Frey/Osborne-Studie die Debatte – aber die Wissenschaft hat mittlerweile ein deutlich differenzierteres Bild der Effekte der Digitalisierung gezeichnet. Ein Bild, das immer positiver wird. So prognostiziert eine im Jahr 2016 für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erstellte Studie – ausgehend vom Basisjahr 2014 – für das Jahr 2030 immerhin 250.000 zusätzliche Arbeitsplätze. Aktuelle Beschäftigungszahlen in Deutschland oder den USA bestätigen diesen Trend.
Dennoch wird die Digitalisierung unsere Arbeitswelt innerhalb von nur einer Generation nachhaltig verändern. Umso wichtiger ist es also, schon heute eine breite und vorurteilsfreie Diskussion über die Effekte der Digitalisierung zu führen – für einen Konsens, auf dessen Basis sich politische Antworten definieren lassen, der Unternehmen planen lässt und der dem Individuum Sicherheit gibt.
Die Digitalisierung ist eine Chance für alle. Aber nur dann, wenn wir sie richtig gestalten. Dazu braucht es neue gesellschaftliche Denkmuster und nicht zuletzt ein neues Verständnis von Arbeit.