Die deutsche Konjunktur in 2024
Die deutsche Wirtschaft steckt weiter in der Rezession und wird auch in 2024 wegen schwacher Geschäftsaussichten und geopolitischer Unsicherheit nicht wachsen.
Von David Born
Ein Ende der Krise ist auch 2024 nicht in Sicht: Nachdem die deutsche Wirtschaft im zurückliegenden Jahr um 0,3% geschrumpft ist, stehen die Zeichen auch für 2024 weiter auf Rezession. Geopolitische Risiken gepaart mit einer sich abkühlenden Weltwirtschaft, hohen Zinsen und innenpolitischen Unsicherheiten im Zuge des jüngsten Bundesverfassungsgerichtsurteils zum Bundeshaushalt dämpfen die Investitionsneigung der Unternehmen. Zwar gibt es auch vereinzelt Lichtblicke – etwa die rückläufige Inflation oder die zu erwartende Zinswende der Notenbanken. In ihrer Mehrheit deutet unsere Analyse der maßgeblichen Wachstumsindikatoren aber auf ein neuerlich schwieriges Wirtschaftsjahr hin.
Wie angespannt die Situation ist, zeigt ein Blick auf die Industrieproduktion. Sie sank im November im Vergleich zum Vorjahresmonat um 4,8%. Ausschlaggebend für die langsamer laufenden Produktionsbänder waren die anhaltend hohen Energiepreise. Sie gaben zwar zuletzt etwas nach, liegen aber nach wie vor über dem Niveau von vor der Energiekrise. Umso weniger überrascht es, dass energieintensive Industriezweige ihre Produktion seit Beginn des Jahres 2022 um mehr als 17% drosselten.
Der Produktionsrückgang bleibt nicht ohne Wirkung auf die Kapazitätsauslastung im Verarbeitenden Gewerbe. Sie ist weiter rückläufig und erreichte im Oktober nur mehr 82%, ein Minus von 2,9 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr. Allen voran in den energieintensiven Sektoren fiel der Rückgang deutlich aus: so ging die Auslastung in der Elektroindustrie um 5,5 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr zurück, in der Metallindustrie um 4,9%. In der Chemieindustrie (-3,8 Prozentpunkte) betrug die Auslastung zuletzt nur noch 75,1%. Doch auch im Maschinenbau war der Rückgang mit 3,1 Prozentpunkten deutlich.
Der Rückgang der Auftragseingänge wurde im November mit einem Plus von 0,3% im Vergleich zum Vormonat zunächst gebremst. Dennoch liegen die Eingänge weiterhin rund 4,4% unter Vorjahresniveau. Insbesondere der sonstige Fahrzeugbau verzeichnete nach einem außergewöhnlich hohen Anstieg der Nachfrage im Oktober einen Rückgang des Auftragseingangs um 34% zum Vormonat. Ähnliches gilt für die Chemie- und Elektroindustrie: Beide Branchen mussten ebenfalls Rückgänge bei den Bestellungen hinnehmen, wenngleich nicht in der Höhe des sonstigen Fahrzeugbaus.
Und trotzdem: Ein Blick auf die nach wie vor hohen Auftragsbestände zeigt, dass viele Unternehmen (noch) immer über einen respektablen Sicherheitspuffer verfügen. Zwar bröckelte das Auftragspolster im Oktober verglichen mit dem Vormonat weiter dahin (-0,6 %). Im Schnitt reichen die Auftragsbestände der Industrie aber noch für 6,9 Monate. Anlass zu vermehrter Sorge bietet lediglich die Automobilindustrie, wo die Auftragsbestände deutlich schneller abschmelzen als in anderen Branchen (-2,9%).
Im Zuge der schwierigen Wirtschaftslage nimmt auch das Insolvenzgeschehen wieder an Fahrt auf. 2023 stieg die Zahl der Unternehmensinsolvenzen um 23,5% auf 18.100 Fälle. Einerseits deutet dies auf eine Normalisierung hin: Die Fallzahlen liegen nun wieder auf dem Vor-Corona-Niveau, nachdem die Insolvenzmeldepflicht während der Pandemie zeitweise ausgesetzt wurde. Andererseits wird erwartet, dass die Insolvenzzahlen auch 2024 weiter deutlich ansteigen.
Ein Lichtblick: Der Rückgang bei den Erzeugerpreisen hält an. Sie sanken im November 2023 im Schnitt um 7,9% im Vergleich zum Vorjahr, nachdem sie bereits im Oktober um 11,0% gefallen waren. Eine positive Nachricht, die insbesondere auf niedrigere Preise für Strom sowie Erdgas und Mineralölerzeugnisse zurückzuführen ist. Lässt man die Energiepreise außen vor, legten die Erzeugerpreise im Vorjahresvergleich aber leicht um 0,3% zu. Sowohl Nahrungsmittel (+3,4%) als auch Gebrauchsgüter (+4,0%) bleiben Ausreißer nach oben.
Noch keine Entwarnung gib es in puncto Inflation: Die Teuerungsrate stieg im Dezember erstmals seit fünf Monaten wieder an und lag mit 3,7% über der Novemberrate von 3,2%. Das lässt sich einerseits mit einem Basiseffekt bei den Energiepreisen erklären. Gleichzeit sorgten aber anhaltend hohe Preissteigerungen im Nahrungsmittelsektor dafür, dass die Inflation nicht nachlässt. Mit allen negativen Folgen auf die Konsumlaune: ersten Hochrechnungen zufolge brachen die Umsätze im Einzelhandel 2023 im Vorjahresvergleich um 3,1% ein.
Auch der Arbeitsmarkt hat sich merklich abgekühlt. Die Zahl der offenen Stellen fiel im Dezember auf 713.000 und damit den niedrigsten Wert seit dem Rekordhoch im August 2022 (887.000). Die Dynamik am Arbeitsmarkt erreicht mittlerweile Unternehmen aller Größen. Ein Umstand, der auf insgesamt zögerliche Rekrutierungsbestrebungen hindeutet. Die Zahl der Arbeitslosen lag vor diesem Hintergrund im Dezember 2023 bei 2,64 Millionen Menschen (5,7%). Damit meldeten sich 183.000 mehr Menschen arbeitslos als im Vorjahreszeitraum.
In ihrer Gesamtschau geben die Indikatoren darum wenig Anlass zu Optimismus. Nach einem schwierigen Jahr 2023, zeichnet sich keine Trendumkehr ab. Zwar dürften im Fall einer sinkenden Inflation sowohl der private Konsum als auch Reallöhne leicht erholen. In Anbetracht der weiter hoher Zinsen, schwacher Geschäftsaussichten und geopolitischen Unsicherheiten dürften sich die Unternehmen bei Investitionsentscheidungen aber weiterhin zögerlich agieren. Gleiches gilt für das Exportgeschäft, dass angesichts einer sich abkühlenden Weltwirtschaft ebenso als Zugpferd ausfallen dürfte. Das Roland Berger Institut geht deshalb in seiner Prognose für 2024 von einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um -0,1% aus. Erst 2025 ist wieder mit einem moderaten Aufschwung von +1,5% zu rechnen.
Die deutsche Wirtschaft steckt weiter in der Rezession und wird auch in 2024 wegen schwacher Geschäftsaussichten und geopolitischer Unsicherheit nicht wachsen.