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Diese Krise ist anders - ein Vergleich der Corona-Krise mit der Finanzkrise

Diese Krise ist anders - ein Vergleich der Corona-Krise mit der Finanzkrise

24. April 2020

Eine aktualisierte Einschätzung der wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus

Zwar hat sich die COVID-19-Pandemie mittlerweile über den gesamten Globus ausgebreitet. Doch zeigen sich auch erste positive Signale: Nachdem es in China kaum noch Neuinfektionen gibt, beobachten nun auch viele Länder in Europa sowie die USA einen Rückgang oder zumindest eine Stabilisierung bei der Zahl der Neuinfektionen. In vielen Staaten wird eine Lockerung der Lockdown-Regelungen diskutiert oder hat bereits begonnen. Dennoch ist die Pandemie noch lange nicht zu Ende. Trotz des Starts erster klinischer Tests ist es fraglich, ob es gelingt, noch in diesem Jahr einen Impfstoff zur Verfügung zu stellen. Auch die Entwicklung wirksamer Medikamente für an dem Virus erkrankte Patienten wird voraussichtlich noch Monate in Anspruch nehmen.

Vor diesem Hintergrund haben wir unser letztes Update zu den wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus in zweierlei Hinsicht angepasst:

Weil das Szenario eines vierwöchigen Stillstands inzwischen unrealistisch geworden ist, konzentrieren wir unsere Analysen erstens auf das Szenario eines zwölf Wochen dauernden wirtschaftlichen Stillstands. Die Prognosen hierzu haben wir an die aktuellen Entwicklungen angepasst. Zweitens vergleichen wir die jetzige Krise mit der letzten einschneidenden wirtschaftlichen Verwerfung: der globalen Finanzkrise 2008. Insbesondere analysieren wir, wie lange verschiedene Wirtschaftssektoren für eine Erholung nach der aktuellen Krise voraussichtlich benötigen werden und unter welchen speziellen Bedingungen die Hilfsmaßnahmen des Staates heute wirken müssen.

Die Erholung der Automobilindustrie wird nach der aktuellen Krise länger dauern als im Zeitraum nach der globalen Finanzkrise 2008.
Die Erholung der Automobilindustrie wird nach der aktuellen Krise länger dauern als im Zeitraum nach der globalen Finanzkrise 2008.

Ein Blick auf die Welt

Schon jetzt ist klar, dass die Weltwirtschaft in diesem Jahr massiv von den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie getroffen wird. Anders als noch in der Finanzkrise wird das weltweite BIP-Wachstum nicht nur stagnieren, sondern um mehr als zwei Prozent zurückgehen – nachdem noch vor wenigen Monaten ein globales Wachstum von über drei Prozent vorhergesagt wurde!

Der wirtschaftliche Einbruch trifft alle Regionen und Länder. China vermeldete für das erste Quartal 2020 bereits einen Rückgang des BIP gegenüber dem Vorquartal um 9,8 Prozent. Da die Wirtschaft in China mittlerweile wieder angelaufen ist, die Nachfrage aus dem Ausland aber noch länger fehlen wird, gehen wir für China für 2020 von einem BIP-Wachstum von 2,5 Prozent aus. Ein Rückgang von 3,5 Prozentpunkten gegenüber der Prognose vor der Covid-19-Pandemie!

Härter noch als China wird es Europa und die USA treffen. Hier erwarten wir, dass der wochenlange Lockdown und die weiteren Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit 2020 zu einem Rückgang des BIP um 5,2 Prozent (Europa) bzw. um 5,4 Prozent (USA) führen werden. Zwar gehen wir davon aus, dass die Wirtschaft 2021 weltweit und auch in China, Europa und den USA wieder wachsen wird, doch wird dieses Wachstum nicht ausreichen, um die Verluste aus 2020 auszugleichen.

Diese Krise ist anders

2008 begann die Krise mit Verwerfungen auf den Immobilien- und Finanzmärkten der USA und strahlte erst mit einer gewissen Verspätung global auf die Finanz- und Realwirtschaft aus. Die Covid-19-Pandemie wirkt radikaler und abrupter. Sie setzt die Realwirtschaft sofort und zur Gänze außer Gefecht – und zwar gleichzeitig Angebot und Nachfrage. Werksschließungen, zunächst in China, ließen den Nachschub an Zulieferungen versiegen. Den Arbeitnehmern brachen durch Beschäftigungslosigkeit ihre Einkommen weg, der Konsum ließ nach und wurde durch das Schließen der meisten Geschäfte zusätzlich abgewürgt.

Die Covid-19-Pandemie trifft viele Industrien stärker als die Finanzkrise von 2008. Hinzu kommt: Für die meisten Industrien wird es auch länger dauern, bis sie sich von ihren Verlusten erholt haben werden. Schauen wir uns beispielhaft die Reise- und Tourismusbranche, die Automobilindustrie und den Maschinenbau an.

Der Reiseverkehr ist aufgrund von Grenzschließungen, Quarantänebestimmungen und Betretungsverboten fast zum Erliegen gekommen. Geschäfts- und Urlaubsreisen fallen weg, da weder die Anreise noch der Aufenthalt in den meisten Destinationen möglich ist. Das Fatale: Diese Reisen werden auch nicht nachgeholt werden können. Videokonferenzen ersetzen derzeit physische Geschäftsmeetings. Arbeitnehmer können ihren Urlaub – aufgrund der Situation der Arbeitgeber – nicht verschieben, sondern verbringen ihn zu Hause. Eine Erholung der Branche ist in weiter Ferne.

Die Automobilindustrie wird von der Covid-19-Pandemie in einer Phase getroffen, in der sie mit digitaler Transformation, Elektrifizierung und der Entwicklung autonomer Fahrzeuge bereits genügend Herausforderungen zu bewältigen hat. In der Finanzkrise gelang es, die Nachfrage mit stimulierenden Maßnahmen wie einer Abwrackprämie anzukurbeln. Doch ist fraglich, ob dieses Rezept auch in der aktuellen Krise helfen würde. Denn die Käufer sind durch Werksschließungen, Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit verunsichert. Wer kauft Autos, wenn die eigene finanzielle Perspektive ungewiss ist? Es ist davon auszugehen, dass die Erholung der Automobilindustrie nach der aktuellen Krise länger dauern wird als im Zeitraum nach 2008.

Der Maschinen- und Anlagenbau musste in der Finanzkrise fast so starke Wachstumseinbußen hinnehmen wie die Automobilindustrie. In Folge konnte sich der Maschinenbau zwar wieder erholen, blieb insbesondere mit Blick auf die erzielten Margen jedoch unter Vorkrisenniveau. Die aktuelle Krise trifft den Sektor daher ähnlich wie die Automobilindustrie in einer ohnehin schwierigen Phase. Neben schwachen Margen kranken viele Maschinenbauer außerdem an zu geringen Investitionen, insbesondere im Bereich Digitalisierung. Im Gegensatz zur Automobilindustrie dürfte die Erholung des Maschinenbaus jedoch nicht länger dauern als nach der Finanzkrise, zumal die Unternehmen ihre Gewinne über Serviceleistungen, wie beispielsweise Wartungsverträge, absichern können.

Weltweit haben Regierungen große Rettungspakete geschmiedet, um das Überleben ihrer Volkswirtschaften zu sichern. Zumeist sind diese Pakete deutlich größer als in der Finanzkrise von 2008. Angesichts der oben beschriebenen Betroffenheit der Realwirtschaft ist es richtig, dass die Regierungen so umfassend und schnell gehandelt haben.

Klar ist aber auch, dass die staatlichen Maßnahmen an die Rahmenbedingungen der jetzigen Krise angepasst werden müssen. Denn an erster Stelle müssen die Regierungen die Gesundheit der Bürger schützen. Gesundheitsschutz und Stimulierung der Wirtschaft müssen daher in Einklang gebracht werden. Eine reine Kopie der Maßnahmen, die in der Finanzkrise 2008 gewirkt haben, wird es 2020 nicht geben können. Die derzeit nötigen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie werden, wie abgeschwächt auch immer, so lange in Kraft bleiben, bis ein Impfstoff gefunden und breit eingesetzt worden ist. Bis dies gelungen ist, werden Arbeit und Konsum anders funktionieren als vor der Krise. Die neue Realität wird eine andere sein als die Realität vor der Krise. Jeder Versuch, nur lange genug die Zähne zusammenzubeißen, um dann wieder in den Modus der Zeit vor der Krise zurückzukehren zu können, wird an der Realität scheitern. Auf die aktuellen Herausforderungen müssen Unternehmen und Branchen reagieren, indem sie neue Antworten auf neue Probleme finden.

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