Warum die Weltwirtschaft dringend nachhaltig werden muss
Das Think:Act Magazin erforscht, wie wichtig Nachhaltigkeit für uns alle ist und warum Unternehmen von nun an anders denken und handeln müssen.
Toy Story, Findet Nemo, Die Unglaublichen – Pixar ist der Goldstandard in Sachen computeranimierter Trickfilme. Mitgründer Ed Catmull erklärt im Think:Act-Interview das Erfolgsrezept des Unternehmens. Die wichtigste Zutat: Redefreiheit.
Was ist die größte Leistung von Pixar? Ist es die Kreativität, mit der das Trickfilmstudio immer wieder neue Ideen für Filme hervorbringt, die Erwachsene und Kinder gleichermaßen in den Bann ziehen? Ist es die Innovationskraft, mit der es stetig neue Technologien entwickelt, um diese Ideen umzusetzen? Oder ist es der riesige kommerzielle Erfolg, der daraus resultiert? Für Ed Catmull sind diese Leistungen nicht voneinander zu trennen. Denn sie alle basieren auf den gleichen Faktoren, sagt der Mitgründer von Pixar: radikale Ehrlichkeit, fast grenzenloses Vertrauen und die Bereitschaft, Risiken einzugehen. Mit diesen Zutaten machte Catmull nicht nur Pixar zu einem erfolgreichen Unternehmen, sondern auch die Walt Disney Animation Studios und die Disneytoon Studios.
Wir waren uns über unser technisches Können immer im Klaren. Und wir haben von Anfang an darauf geachtet, dass wir die Künstler und die Geschichtenerzähler gleichrangig behandeln. Ich hatte zuvor viele Unternehmen kennengelernt, in denen man diese Strukturen nicht beachtet hatte. Und Unternehmen, in denen man schlechte Annahmen darüber traf, was funktionieren könnte und was nicht. Darum war mir bei Pixar von Anfang sehr wichtig, den Blick nach innen zu richten, genau zu analysieren, wie wir vorankommen – und Annahmen infrage zu stellen.
ist Mitgründer der Pixar Animation Studios und war Präsident von Pixar, den Walt Disney Animation Studios und den Disneytoon Studios sowie Vizepräsident von Industrial Light & Magic, dem Spezialeffekte-Studio von Lucasfilm. 2009 zeichnete die Academy of Motion Picture Arts and Sciences Catmull für sein Lebenswerk aus. In dem Buch "Die Kreativitäts-AG" beschreibt er, warum Unternehmen Erfolg haben, wenn sie ihren Mitarbeitern große Freiheiten gewähren.
Die Pixar-Mitarbeiter sind bereit, Risiken einzugehen. Das ist eine gute Sache. Aber sie wollen auch Erfolge einfahren. Das bringt sie manchmal dazu, etwas konservativ zu agieren. Wir haben Strukturen eingezogen, die genau dieses Problem adressieren. Dazu gehört der sogenannte Brain Trust. Anfangs waren das Treffen von maximal fünf bis sechs Mitarbeitern, die besonders gut miteinander auskamen und darum sehr offen und direkt waren.
Der Brain Trust, der sich daraus entwickelt hat, bezeichnet nicht mehr eine Gruppe von Menschen, sondern eine besondere Art und Weise, Meetings durchzuführen. Eine Regel dabei lautet: Menschen, die als sehr einflussreich wahrgenommen werden, dürfen die ersten 10 bis 15 Minuten nicht sprechen. Denn diese Menschen setzen in Debatten den Ton, und das wollen wir vermeiden. Die erste Regel lautet, dass alle vollkommen ehrlich zueinander sind. Eine weitere Regel lautet: Hier sprechen keine Chefs zu Untergebenen, sondern Gleichgestellte miteinander.
Allen ist klar, dass wir bei jedem Film höchste Qualität abliefern wollen. Und wir gehen von vornherein davon aus, dass ungewöhnliche Ideen Risiken beinhalten. Ideen wie die von einer Ratte, die gern kocht, oder von einem alten Mann, der mit seinem Haus an einem Ballon davonfliegt. Wir sind uns auch darüber bewusst, dass die Ideen nicht von Anfang an stimmig sind. Aber wir kämpfen für jede gute Idee, egal was passiert. Damit zeigt man allen: Wir wollen Ungewöhnliches erreichen und wir werden alles unternehmen, dass dabei etwas qualitativ Hochwertiges herauskommt. Ein Resultat davon ist, dass wir von den 22 Filmen, die wir in meiner Zeit bei Pixar begonnen haben, 21 tatsächlich umgesetzt haben, lediglich eine Idee wurde wieder verworfen. Das ist sehr ungewöhnlich im Vergleich zu anderen Unternehmen.
Ich glaube, das ist das Ideal, und zwar auf allen Ebenen. Wir sprechen mit den Mitarbeitern auch offen über Probleme. Dabei vertrauen wir ihnen Informationen an, die innerhalb des Unternehmens bleiben müssen. Das zeigt ihnen, dass wir sie miteinbeziehen. Und es vermittelt ihnen das Gefühl, Teil des Unternehmens zu sein und Verantwortung zu übernehmen. Tatsächlich wurden in meiner ganzen Zeit bei Pixar niemals Interna nach außen getragen.
Und ob. Und das hat zu einigen Problemen geführt. Hinzu kam, dass Kritiker unsere Filme nicht mit den Filmen anderer Studios verglichen, sondern an unseren eigenen Filmen maßen. So als ob wir eine eigene Kategorie wären, bei der sie einen höheren Maßstab ansetzten. Und wir selbst verhielten uns genauso. Einen der Filme, den Kritiker schlechter bewerteten, hielten auch unsere Mitarbeiter für weniger gelungen. Aber genau das ist es, was man von seinen Mitarbeitern erwarten sollte: dass sie besser werden wollen, wenn sie das Gefühl haben, ihren eigenen Standards nicht gerecht zu werden.
Irgendwann muss man den Staffelstab weiterreichen. Und ich wollte ihn an die Menschen weiterreichen, die meiner Meinung nach Pixar ausmachen: Menschen, die Schwierigkeiten nicht auf andere abwälzen, sondern die nur gemeinsame Probleme kennen. Heute gehören dazu natürlich auch Covid-19 und alle Herausforderungen, die es mit sich bringt, wenn man von zu Hause aus arbeitet. Herausfordernd sind aber auch die neuen Geschäftsmodelle, die durch die wachsende Verbreitung von Streamingdiensten entstehen. Und zu all dem kommt die stetige Weiterentwicklung der Technologie hinzu.
Da kommen mehrere Punkte zusammen. Einer davon ist ein Geschäftsmodell, das allem zugrunde liegt. In unserem Fall heißt das, Geschichten zu erzählen und Filme zu machen. Davon verstehen wir einiges. Aber man sollte auch immer bereit sein, neue Projekte zu starten, die riskant sind. Wegen der Story, wegen der Technologie, wegen der Art, wie wir dabei vorgehen, oder weil es sich um einen Kurzfilm handelt. Das bedeutet nicht, dass wir ausschließlich hochriskante Filme produzieren. Wir rechnen eher so: Das nächste Projekt ist mit hohem Risiko verbunden, dann folgen ein paar Projekte, die mit geringen Risiken behaftet sind.
Das kann für die Beteiligten sehr hart sein. Wir haben mehr als einmal einen Regisseur ausgetauscht, damit wir unsere Idee so durchbringen konnten wie gedacht. Das war beispielsweise bei Ratatouille der Fall. Bei dem einen Film, den wir nicht wie vorgesehen umsetzten, holten wir darum irgendwann Pete Docter an Bord. Er hatte eine Vorstellung davon, wie man die eigentlich geplante Story umsetzen könnte. Aber dann sagte er: "Ich habe eine Idee, die ich für noch besser halte: Die Handlung des Films spielt im Kopf eines kleinen Mädchens." Es war sehr klar, dass er diese Idee gern umsetzen wollte. Und nach unseren Regeln heißt das: Wir machen es. Das bedeutete, dass wir zig Millionen Dollar vergeudet hatten. Ich musste das unserem CEO Bob Iger mitteilen. Aber er sagte nur: "Ich vertraue dir. Du wirst das Richtige tun." Also produzierte Pete den Film Alles steht Kopf …
1995 brachte Pixar seinen ersten Film Toy Story in die Kinos. Steve Jobs war damals ausführender Produzent. Er rechnete aus, dass der Film 75 Millionen Dollar einspielen müsste, um die Produktionskosten hereinzuholen. Tatsächlich wurden es 350 Millionen.Doch selbst das ist wenig im Vergleich zu dem, was spätere Filme des Studios einspielten. Hier die bislang fünf erfolgreichsten:
Die Unglaublichen 2 (1,24 Mrd. USD)
Toy Story 4 (1,07 Mrd. USD)
Toy Story 3 (1,06 Mrd. USD)
Findet Dorie (1,02 Mrd. USD)
Findet Nemo (940 Mio. USD)
Das Wichtigste an Vertrauen ist, dass man jemandem auch dann noch Vertrauen schenkt, wenn etwas schiefgegangen ist. Viele Menschen sehen das anders herum. Sie sagen: "Ich vertraue ihm, weil er die richtige Entscheidung treffen wird." Aber niemand trifft ausschließlich richtige Entscheidungen. Vertrauen heißt: "Ich arbeite mit dir zusammen und unterstütze dich, weil ich an dich glaube. Wir können in einzelnen Punkten verschiedener Meinung sein, aber ich kenne dein Ziel."
Es ist wie mit so vielem im Leben: Es gibt Chaos und es gibt Menschen, die das Chaos in den Griff bringen wollen. Zu viel Kontrolle bringt langfristig nur mäßige Ergebnisse hervor. Aber wenn das Chaos zu groß ist, wird niemals etwas fertig. Man braucht einen Prozess von Ordnung schaffen, Chaos verursachen und einen Mittelweg finden. Aber dieser Mittelweg ist nicht fix. Es ist ein Punkt, von dem aus man vor- und zurückgeht, etwas ändert, etwas überarbeitet und dazulernt. Bei diesem Prozess muss man die Menschen mitnehmen. Kurz gesagt: Es ist anstrengend.
Ich versuchte bewusst, anderen die Führung zu überlassen. Ich ging nicht von einem Meeting zum nächsten, um meine Weisheiten zu verbreiten oder um Menschen zu sagen, was sie tun sollen. Stattdessen wählte ich alle paar Wochen völlig willkürlich acht Menschen aus dem Unternehmen aus und ging mit ihnen essen. Ganz ohne eine Agenda. Einfach nur, um ansprechbar zu sein. Dabei habe ich gelernt, wie man damit umgeht, wenn jemand eine Beschwerde oder ein Anliegen hat. Auch wenn ich nicht seiner Meinung bin oder denke, dass er unrecht hat, sage ich das niemals direkt heraus, sondern warte ab und höre zu. Das ist sehr wichtig. Denn wenn derjenige nicht glauben würde, dass sein Problem real ist, hätte er es erst gar nicht aufgebracht.
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