Article
Energiepreise & Gasmangel: Risiko für Liquidität und Wertschöpfungsketten

Energiepreise & Gasmangel: Risiko für Liquidität und Wertschöpfungsketten

22. Dezember 2022

Wie Unternehmen mit konsequentem Risikomanagement und staatlichen Maßnahmenpaketen die Energiekrise überstehen und sich zukunftsfest aufstellen

Was vor kurzem noch undenkbar erschien, ist für Unternehmen heute harte Realität: Energie ist zum entscheidenden Kostenfaktor geworden. Und selbst nach Ende des Krieges und einem Abschwächen der geopolitischen Konfrontationen werden die Energiepreise zunächst deutlich über Vorkrisenniveau verharren. Staatliche Hilfen mildern zwar die Folgen für Unternehmen, aber es bleibt dennoch ein erheblicher Kosten- und Wettbewerbsdruck. Das Thema Energie wird zum Standortnachteil für Unternehmen in Deutschland. Um diesen Herausforderungen zu begegnen und mögliche weitere Verschärfungen der Krisen zu überstehen, gilt es die Resilienz zu steigern und die Anfälligkeit für Kostenschocks zu verringern. Das Roland Berger-Liquiditätssicherungsprogramm unterstützt Unternehmen von zwei Seiten: Einerseits hilft es, staatliche Hilfspakete optimal zu nutzen, andererseits treibt es die Planung und Implementierung interner Maßnahmen an, um die kurzfristige Liquidität zu sichern.

Two Men in red uniform turn a valve on the pipes.
Staatliche Programme helfen kurzfristig, aber das strukturelle Energieproblem in Deutschland lösen sie nicht, es wird uns länger beschäftigen. Unternehmen müssen daher das Heft selbst in die Hand nehmen.

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat die bereits im zweiten Halbjahr 2021 begonnenen Preissteigerungen auf den Energiemärkten noch einmal gravierend verstärkt. Im Zentrum der Energiekrise steht dabei das Erdgas: Kam im Jahr 2021 noch über die Hälfte der Gasimporte nach Deutschland aus Russland, waren es im ersten Quartal 2022 schon nur noch 22 Prozent. Inzwischen ist der Nachschub praktisch komplett versiegt. Im Gegensatz zu Öl und Kohle ist beim Gas aber aufgrund der begrenzten Leitungsinfrastruktur ein Wechsel auf andere Lieferanten nur eingeschränkt und vor allem nicht kurzfristig möglich. Neben den Vorlaufzeiten für den Aufbau neuer Infrastruktur, etwa für den Import und Weitertransport von Flüssiggas (LNG), ist zudem unsicher, wie verlässlich alternative Lieferländer den deutschen Gasbedarf decken können.

All dies führt zu explodierenden Preisen für Erdgas – und eine schnelle Entspannung der Situation ist nicht in Sicht, da das Angebot noch länger hinter der Nachfrage zurückbleiben wird. Für viele Unternehmen ergibt sich daraus ein massiver Kosten- und Wettbewerbsdruck, auch weil Erdgas nicht nur einer der wichtigsten Energieträger ist: In vielen Branchen – etwa der Chemieindustrie – wird es auch als Rohstoff benötigt, der nicht oder nur unter erheblichem Aufwand durch Alternativen ersetzt werden kann. Insgesamt wird die Gas- und Energiekrise so zu einem gravierenden Standortnachteil, zumal die Unternehmen die erhöhten Kosten nur teilweise an ihre Kunden weitergeben können.

Stresstest für Wertschöpfungsketten

Die Industrie befindet sich also in einer sehr schwierigen Gemengelage. Zu den Störungen durch Pandemie, Lieferkettenprobleme, steigende Zinsen und hohe Inflation kommen die Rekordpreise für Energie. Und trotz im Moment gut gefüllter Gasspeicher hierzulande ist nach wie vor nicht ausgeschlossen, dass es zu einer Gasmangellage kommt, denn in diesem Winter werden in Deutschland voraussichtlich rund 20 Prozent weniger Gas zur Verfügung stehen. Ein zeitweiser oder kompletter Stopp der Gasversorgung könnte Wertschöpfungsketten in vielen Branchen zerreißen und erhebliche Folgen für die Gesamtwirtschaft mit sich bringen. Je früher dabei die Wertschöpfungskette unterbrochen wird, desto gravierender sind die wirtschaftlichen Effekte – ohne Gegenmaßnahmen könnte die Wirtschaftsleistung im Jahr 2023 um drei bis acht Prozent zurückgehen.

Unternehmen müssen daher handeln und alles daransetzen, die eigene Resilienz zu steigern und ihre Verwundbarkeit durch die Turbulenzen am Energiemarkt so weit wie möglich zu verringern. In erster Linie geht es darum, die Liquidität zu sichern, um mehr Spielraum im Umgang mit steigenden Kosten und Einkaufspreisen zu haben. Dafür braucht es interne Maßnahmen genauso wie die optimierte Inanspruchnahme des umfangreichen Maßnahmenpakets, das die Bundesregierung beschlossen hat, um den Fortbestand von Industrieunternehmen und Energieproduzenten zu sichern und Unterbrechungen der Wertschöpfungskette zu verhindern. Das Paket reicht von Krediten über Bürgschaften bis hin zu staatlichen Beteiligungen und Zuschüssen.

Zusätzlich hat die Bundesregierung mit der Gaspreispreisbremse finanzielle Unterstützung für die deutsche Wirtschaft zugesagt. Für Klein- und mittelständische Unternehmen übernimmt der Staat als Sofortentlastung die Gasabschlagszahlung für Dezember 2022, zusätzlich gilt für sie ab März 2023 sowie rückwirkend für die Monate Januar und Februar eine Preisobergrenze von zwölf Cent pro Kilowattstunde für ein Kontingent von 80 Prozent des Jahresverbrauchs. Für große industrielle Verbraucher gilt ab Januar 2023 eine Obergrenze in Höhe von sieben Cent pro Kilowattstunde für 70 Prozent des Jahresverbrauchs. Den über das Kontingent hinausgehenden Gasbedarf müssen die Unternehmen in beiden Fällen zum jeweiligen Marktpreis beschaffen. Somit bleibt der Anreiz zum Sparen erhalten, zumal auch ein Gaspreis von sieben Cent pro Kilowattstunde dem zwei- bis dreifachen Niveau der Vorkriegszeit entspricht.

Zweigleisiges Roland Berger-Liquiditätssicherungsprogramm

Sicher ist: Das gesamte staatliche Maßnahmenprogramm wird die Kostenbelastung der Gasverbraucher in der Wirtschaft nicht auf das Vorkrisenniveau reduzieren. Realistisch ist der Anspruch, besonders hohe Belastungen von Betrieben so lange abzufedern, bis sich die Preise auf dem mittelfristig erwarteten Kostenniveau einpendeln. Unternehmen müssen daher trotz Staatshilfe große Anstrengungen unternehmen, um auf dem erhöhten Kostenniveau global wettbewerbsfähig zu bleiben. Hierfür haben wir auf Basis unserer Erfahrung mit dem Thema Liquiditätssicherung und unserer umfangreichen Expertise in Krisensituationen das Roland Berger-Liquiditätssicherungsprogramm entwickelt. Es besteht aus zwei Säulen, die gleichzeitig angegangen werden:

Diesen Winter kann es zu einer Gasmangellage kommen. Das ist trotz der im Moment gut gefüllten Gasspeicher in Deutschland nicht ausgeschlossen. Denn in diesem Winter werden hierzulande voraussichtlich rund 20 Prozent weniger Gas zur Verfügung stehen.
Diesen Winter kann es zu einer Gasmangellage kommen. Das ist trotz der im Moment gut gefüllten Gasspeicher in Deutschland nicht ausgeschlossen. Denn in diesem Winter werden hierzulande voraussichtlich rund 20 Prozent weniger Gas zur Verfügung stehen.

  1. Optimale Nutzung staatlicher Maßnahmenpakete: Hier unterstützen wir bei der Identifizierung der jeweils passenden staatlichen Hilfsangebote, überprüfen die formalen Voraussetzungen und koordinieren den gesamten Prozess – dazu gehören die Erstellung der notwendigen Anträge, die Dokumentation, die Kommunikation mit Stakeholdern wie Hausbank, Ministerien oder Mandataren bis hin zur Sicherstellung aller formalen und inhaltlichen Anforderungen innerhalb der Antragsprozesse.
  2. Parallel dazu planen und realisieren wir zusammen mit den Unternehmen interne Maßnahmen zur kurzfristigen Sicherung der Liquidität: Erster Schritt auf diesem Weg ist die Konzeptionierung und Implementierung eines Roland Berger Cash-Office beim Unternehmen. Das Cash-Office ist die zentrale Anlaufstelle im Unternehmen, wenn es um die kurzfristige Sicherung der Liquidität geht - und entsprechend auch in die Berichtslinie der Geschäftsführung eingebunden. Das neu gebildete Team kontrolliert den Status und greift lenkend ein, wenn sich Abweichungen von den geplanten Zielwerten abzeichnen. All das geschieht in enger Abstimmung mit den jeweils Maßnahmenverantwortlichen. Als Teil des Cash-Office installieren wir eine tagesgenaue Liquiditätsplanung mittels eines eigen entwickelten Tools, welches auf Basis von Szenarien drohende Liquiditätslücken rechtzeitig aufdeckt.

Mit der Gaskrise wird sich der europäische Energiemarkt und damit auch die gesamte Wirtschaft dauerhaft verändern. Dies gilt insbesondere für Deutschland mit seinem hohen Anteil an industrieller Wertschöpfung. Wie gut ein Unternehmen die Krise überstehen wird und wie aussichtsreich es in dieser Phase im Wettbewerb positioniert ist, hängt unmittelbar davon ab, wie aktiv und strategisch es aktuell agiert. Abzuwarten und nur zu reagieren, kann für Unternehmen mit Ambitionen keine Lösung sein. Dagegen ist ein umsichtig gemanagtes Programm zur Liquiditätssicherung die beste Versicherung gegen exogene Marktschocks und erlaubt gleichzeitig, anhand von unterschiedlichen Szenarien die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft zu stellen. Unsere Erfahrung und Expertise in einer Vielzahl von Branchen, kombiniert mit einem Portfolio selbst entwickelter, bewährter Tools sowie ein umfangreiches Netzwerk mit relevanten Stakeholdern bieten Unternehmen die besten Voraussetzungen für ein individuell zugeschnittenes und zukunftsorientiertes Aktionsprogramm.

Newsletter abonnieren

Das könnte Sie auch interessieren