" Die Umsetzung der Verkehrswende gelingt nur mit intelligenter Planung, verlässlicher baulicher und digitaler Infrastruktur. "
"Es geht jetzt darum, die Mobilitätswende auf die Schiene und Straße zu bringen"
Von Alexander Möller
Die neue Mobilitätswelt muss radikal vom Nutzer her gedacht werden
Nutzerfreundlich, effizient und ressourcensparend – das sind die wichtigsten Voraussetzungen für die intelligent vernetzte Mobilität der Zukunft. Um das Thema endlich voranzubringen, müssen die entscheidenden Akteure aus Politik und Wirtschaft handeln. Und das könnten sie eigentlich sofort, denn im Grunde liegen alle notwendigen Informationen auf dem Tisch. Im Podcast "Bus2Talk" vertieft Alexander Möller, Senior Partner bei der Unternehmensberatung Roland Berger, im Gespräch mit Kerstin Kube-Erkens und Reiner Strauch das Thema Mobilitätswende und erläutert, wie der Anschluss des ländlichen Raums an einen funktionierenden ÖPNV besser gelingen kann.
Den Original-Podcast finden Sie bei BUS2Talk . BUS2Talk ist der Podcast der Fachmesse BUS2BUS, die vom 13. bis zum 15. April 2021 auf dem Berliner Messegelände stattfindet.
Welche Unternehmen und Institutionen trifft der Wandel im Bereich Mobilität?
Das Thema Mobilität hat nicht nur in der öffentlichen Wahrnehmung an Bedeutung gewonnen, beispielsweise im politischen Diskurs. Im Grunde befasst sich die ganze Wirtschaft mit dem Thema: die Verkehrsbetriebe, eine Vielzahl von großen Industrieunternehmen, zum Beispiel die Automobil- und Energieindustrie, aber natürlich auch die öffentliche Hand. Dazu kommen Start-ups, die sich überlegen wo sie in der Wertschöpfungskette der Mobilität Angebote erarbeiten können.
In welchen Gebieten beraten Sie Firmen und Institutionen, die sich mit dem Wandel der Mobilität beschäftigen?
Bei den Inhalten unserer Beratung stehen ganz klassische und strategische Themen im Mittelpunkt: Wie führe ich mein Unternehmen? Was ist meine Vision? Meine Strategie? Meine Struktur? Meine Governance? Dank der Digitalisierung hat sich der Weg zur erfolgreichen Umsetzung in den letzten Jahren aber massiv verändert. Und gerade in diesem Punkt können die Großen von den Kleinen und umgekehrt profitieren. Die einen haben starke Marken und die Kraft, Projekte zu finanzieren sowie schnell einen Fokus auf Themen zu ziehen, die anderen haben maximale digitale Kompetenz und verstehen Nutzerverhalten. Die in ihren Strukturen agilen und in ihrem Vorgehen pragmatischen Start-ups mischen den Mobilitätsmarkt auf, weil sie neue Ideen in Bezug auf Parken, Fahren oder KI einbringen. Sie stellen sich allerdings oft die Frage: "Haben wir genug Geld, um unsere Idee in Produkte zu verwandeln und an den Markt zu bringen?" Kooperationen können großen Betrieben dabei helfen agiler und umsetzungsstärker zu werden, während die Start-ups darüber ihren Finanzierungsbedarf abdecken können. Gelingt das, ist es eine Win-Win-Situation bei der am Ende – und darum geht es ja – der Nutzer in der Bahn, im Auto, im Bus oder auf dem Fahrrad maximal profitiert.
Welche Rolle spielen Sie als Berater dabei?
Wir bieten Unterstützung bei der Umsetzung. Dabei versuchen wir bei Projekten im ersten Schritt die oft hohe Komplexität zu reduzieren. Mit dieser Basis stehen wir unseren Klienten im zweiten Schritt zur Seite. Es geht also nicht darum Themen lange zu analysieren, vielmehr wollen wir die Ideen und damit die Mobilitätswende auf die Schiene und die Straße bringen.
Was verstehen Sie unter einer Smart City hinsichtlich des Mobilitätsangebotes?
Hinter dem Begriff Smart City steht grundsätzlich die Idee eines urbanen Ökosystems, das digitale Lösungen mit konkreten Lebensbereichen von Menschen verbindet. Unterhalb dieser Ebene kann man die einzelnen Themenfelder wie Mobilität oder Infrastruktur ordnen. Es ist auch gut, wenn wir uns Vorbilder nehmen. Dabei ist es erstmal egal, ob es um Energie, Mobilität, Infrastruktur oder die klassische Verwaltung geht. Zum Beispiel ist es beachtlich, wie weit die Ostseeanrainerstaaten im Baltikum sind, wenn es um digitale Lösungen geht. Smart City heißt aber auch radikal vom Nutzer her zu denken. Also: Wie verbinde ich die einzelnen Themen wie Mobilität und Infrastruktur, so dass es dem Bürger maximal nützt? Wie schaffe ich es verschiedene Mobilitätsangebote – auch auf dem Land – intelligent zu verbinden?
Das hört sich nach klassischer Verkehrsplanung an?
Verkehrsplanung wird immer lenkender und digitaler. Wir werden in den nächsten 20 bis 25 Jahren mindestens eine Teilautomatisierung von Mobilität sehen. Das wird zuerst bei Themen wie Taxis, On-demand-Verkehren, aber auch Bussen und U-Bahnen eine Rolle spielen. Bei dieser Teilautomatisierung, am Ende dann Stufe vier und fünf genannt, muss jemand steuernd überlegen: "Wie will ich eigentlich meine Verkehrsflüsse lenken?" Das heißt, dass gerade Städte die Chance haben durch Algorithmen umgesetzte Bestimmungen zu treffen, beispielsweise, dass in der Rushhour eine bestimmte Straße entlastet wird. Das ermöglicht eine Verkehrslenkung im besten Wortsinn, nach der viele Jahre schon gesucht wird. Das ist auch für regulatorische Fragen wie einem innerstädtischen Tempolimit interessant. Diese Fragen sind alle neu zu definieren, denn es geht dann um technologische Möglichkeiten und darum, die Effizienz des Fahrzeugs zu berücksichtigen.
Wie können wir die verschiedenen Verkehre miteinander verzahnen?
Wir müssen zuerst an den Raum denken, der uns zur Verfügung steht. In Bezug auf den Luftraum können das zum Beispiel Drohnen sein. Das betrifft innerstädtisch die Logistik, aber auch die Beförderung von einzelnen Menschen. Dann sind wir auf der Straße. Dort stellen wir fest, dass gerade in den großen Städten zu viel Straßenverkehr zu finden ist, sowohl Individual- als auch Lieferverkehr. Es geht also auch darum Möglichkeiten zu finden, diese Straßen zu entlasten. Und abschließend reden wir über das, was auf der Schiene passiert, sowohl ober- als auch unterirdisch. Hier gibt es aktuell allein in Deutschland für U-Bahnen einen Investitionsbedarf von rund fünf Milliarden Euro. Im zweiten Schritt ist dann zu hinterfragen, ob das Verkehrsmittel x für den bestehenden Raum das richtige ist. Das kann dann auch dazu führen, dass man im ländlichen Raum überwiegend ungenutzte ÖPNV-Angebote streicht und stattdessen verlässliche On-demand-Verkehre anbietet oder teure Schienenangebote durch den Bus ersetzt. Alle diese Angebote müssen dann für den Nutzer einfach zugänglich und verlässlich sein. Das wäre wirklich intelligenter Transport: Nutzerfreundlich, effizient und ressourcensparend.
On-demand-Anbieter um den ländlichen Bereich einzubinden – gibt es Evaluationen, die das stützen?
Diese Evaluationen liegen eigentlich vor. Zum Beispiel gibt es sehr gute Carsharing Studien, aber eine mangelnde Verwertung der Ergebnisse. Seit den 1950er Jahren sind wir mit Individualverkehr sozialisiert, vor allem mit den Vorteilen der ständigen Verfügbarkeit oder der individuellen Freiheit und Unabhängigkeit. Wir haben als Gesellschaft allerdings erst jetzt verstanden, dass wir beispielsweise in den Ballungszentren etwas verändern müssen. Diese Veränderung muss zusätzlich politisch unterstützt werden, was auch zu Regulierungen führen kann. Das Ziel ist klar: Wir wollen einen verlässlichen und komfortablen öffentlichen Verkehr, mit dem der Nutzer gerne unterwegs ist und zusätzlich einen Freiraum für individuellen Verkehr. Wir brauchen einen maßvollen "Modal Split".