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Grüne Transformation im Mittelstand: Die zentrale Rolle der Banken

Grüne Transformation im Mittelstand: Die zentrale Rolle der Banken

14. November 2024

Wie Finanzinstitute KMUs auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit unterstützen und fördern können

Die grüne Transformation (gemeint ist die Ausrichtung der Unternehmen in Bezug auf Umweltaspekte – z.B. Klimaschutz, Naturschutz) stellt viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) vor Herausforderungen. Banken können ihre KMU-Kunden nicht nur bei der Finanzierung der notwendigen Investitionen, sondern auch als Ratgeber in strategischen Fragen oder als Netzwerkzugang unterstützen.

"Banken spielen eine wichtige Rolle als Katalysator für wirtschaftliche Transformationen – Dies betrifft die grüne Transformation des Mittelstands ganz besonders. "
Portrait of Martin Hülsen
Principal
Berlin Office, Zentraleuropa

Weitere Herausforderungen betreffen das Bewusstsein um notwendige Modernisierungsprozesse oder technologische Veränderungen (z.B. verbunden mit Maßnahmen im Bereich Dekarbonisierung, Kreislaufwirtschaft oder nachhaltige Lieferketten) und den damit verbundenen Informationsbedarf sowie die Bewertung möglicher Zielkonflikte zwischen Transformation und dem Erreichen (kurzfristiger) Umsatzziele. Und auch wenn den Entscheidern die Notwendigkeit, ihr Unternehmen umzustellen, bewusst ist, stehen sie vor z.T. komplexen Entscheidungsprozessen hinsichtlich Priorisierung von Investitionen sowie operativen Fragestellungen wie der Suche nach geeigneten Umsetzungspartnern.

Als vertraute Ansprechpartner der KMUs können Banken ihre Kunden auch in diesem Themenfeld unterstützen. Viele Institute sind allerdings noch immer mit der Implementierung von Vorgaben zur ESG-Berichterstattung (Environment, Social, Corporate Governance) beschäftigt. Neben regulatorischen „Hausaufgaben“ birgt das Thema jedoch auch viele weitere Aufgaben - und Chancen – für Banken, und zwar bei der Begleitung des Mittelstands bei der Umgestaltung ihrer Geschäfts- und Betriebsmodelle.

In unserer Studie haben wir die Perspektive der KMU-Kunden eingenommen – um festzustellen, welche Rolle Banken aus Kundensicht bei der grünen Transformation des Mittelstands übernehmen sollten. Dafür haben wir ca. 650 Geschäftsführer und Finanzentscheider von KMU – hier definiert als Unternehmen mit einem Umsatz von bis zu 25 Millionen Euro bzw. mit weniger als 250 Mitarbeitern – im DACH-Raum befragt.

Bedeutung der grünen Transformation für den Mittelstand

KMU sind sich der Bedeutung der grünen Transformation für ihr unternehmerisches Handeln bewusst. In unserer Befragung geben etwa zwei Drittel an, dass sie die grüne Transformation als wichtig für ihr Unternehmen erachten. Ein ähnlich hoher Anteil erwartet auch in den kommenden Jahren eine weitere Zunahme der Bedeutung. Für nur sehr wenige KMU spielt das Thema keine Rolle.

Die Mehrheit der Befragten hat auch Maßnahmen ergriffen, um den Umbau des Unternehmens voranzutreiben – oder plant zumindest, dies zu tun. Im Fokus der Unternehmen standen bisher insbesondere Einsparungen beim Energieverbrauch, umweltgerechte Entsorgung und umweltfreundliche Vorprodukte. Die Relevanz einer CO2-neutralen Energieversorgung sowie transparenter Lieferketten wird von vielen Unternehmen gesehen, hier stehen vielen KMU jedoch noch Anstrengungen bevor. Nur 3% der befragten Unternehmen haben in keiner der in der Umfrage genannten Kategorien Maßnahmen ergriffen oder geplant.

Das Bewusstsein, dass Maßnahmen für die grüne Transformation angestoßen werden müssen, ist folglich unter KMU vorhanden. Die Planung und Realisierung solcher Vorhaben stellt den Mittelstand jedoch vor Herausforderungen.

Viele KMU verstehen Banken als wichtigen Ansprechpartner rund um Fragen ihrer grünen Transformation. Mehr als jedes zweite Unternehmen hat das Thema bereits mit der eigenen Bank angesprochen. Jedoch zeigt sich eine deutliche Differenzierung abhängig von der Unternehmensgröße: KMU mit einem Jahresumsatz zwischen 500.000 und 25 Millionen EUR stehen eher im Austausch mit der Bank zum Thema grüne Transformation (50% bis 73%) als kleine KMU mit weniger als 500.000 EUR Jahresumsatz (40%). Auch zeigt unsere Analyse, dass KMU in Deutschland (59%) sich eher mit der Bank zum Thema austauschen als in Österreich (44%) oder der Schweiz (42%).

"KMUs erwarten von Banken Unterstützung bei der Nachhaltigkeit, insbesondere bei der Priorisierung von ESG-Kriterien sowie der Dekarbonisierung."
Portrait of Hannah Zühlke
Partner
Stuttgart Office, Zentraleuropa

Eine maßgebliche Rolle spielen Banken natürlich bei der Finanzierung der notwendigen Investitionen. Laut KfW beträgt allein in Deutschland der jährliche Investitionsbedarf der Unternehmen bis 2045 zum Erreichen des Klimaneutralitätsziels ~120 Mrd. EUR. Davon entfällt rund die Hälfte auf KMU.*

Neben klassischen Finanzierungsmodellen wie z.B. Investitionskrediten und Leasing könnten Banken hier auch spezifische Produkte anbieten, wie Kredite, deren Konditionen von der Erreichung ESG-relevanter Ziele durch den Kreditnehmer abhängt (ESG-linked Loans) oder – für größere Vorhaben, grüne Schuldscheine zur Finanzierung nachhaltiger Projekte. Finanzierungslösungen, die explizit auf nachhaltige Transformationsinvestitionen ausgerichtet sind, können gerade für ambitionierte Kunden attraktiv sein.

KMU sehen die Rolle der Bank jedoch nicht nur als Finanzierer, sondern auch als Ratgeber in strategischen Fragen oder als Netzwerkzugang. Etwa die Hälfte der KMU wünscht sich von ihrer Bank strategische/betriebswirtschaftliche Beratung zur grünen Transformation oder Empfehlungen für Partner. Für Banken entsteht aus diesem Bedarf die Chance, sich als langfristiger Partner zu positionieren, der KMU-Kunden auch in komplexen Transformationsprozessen zur Seite stehen kann.

Zum Beispiel können Banken KMU mit Online-CO2-Rechnern oder unternehmensindividuellen ESG-Auswertungen unterstützen sowie mit konkreten Hinweisen zu Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Nachhaltigkeitsbilanz. Aber auch die Vermittlung von Experten oder Umsetzungspartnern für Investitionsvorhaben kann einen wertvollen Mehrwert für KMU-Kunden bieten. Denkbar sind hier z.B. Zugänge zu Energieberatern oder Unternehmen für erneuerbare Energien.

Ein weiterführender Schritt könnte sogar die Strukturierung umfassender Transformationsvorhaben für Firmenkunden sein. Beispielsweise könnten Banken für Vorhaben wie die energetische Sanierung gewerblicher Immobilien gemeinsam mit einem kuratierten Partnernetzwerk Planung und Rentabilitätskalkulation, Finanzierung (ggf. unter Berücksichtigung von Fördermitteln) und Umsetzung aus einer Hand anbieten – und damit die Komplexität derartiger Vorgaben, die gerade kleinere Unternehmen vor Herausforderungen stellt, reduzieren.

Mit einem geeigneten Leistungsportfolio können Banken außerdem zusätzliche Erlöspotenziale erschließen, wie wir auch bereits in unserer Publikation „KMU-Banking - Ein anspruchsvolles Segment mit viel Potenzial?“ veranschaulicht haben.

*KfW Research: "Vielfältige Hemmnisse bremsen Klimaschutzinvestitionen im Mittelstand", 6.10.2023

Implikationen für Banken

  1. Erste Aufgabe für Banken ist sicher die lückenlose Implementierung regulatorischer Vorgaben hinsichtlich ESG. Darüber hinaus jedoch sollten Banken ihre strategische Positionierung beim Thema Nachhaltigkeit festlegen. Mögliche Positionierungen bewegen sich auf dem Kontinuum zwischen der bewussten Beschränkung auf vorgegebene Mindestanforderungen bis hin zur Positionierung als Vorreiter, verbunden mit einer vollständigen Verankerung von ESG entlang des gesamten Betriebs- und Geschäftsmodells.
  2. In unserer Veröffentlichung im November haben wir die Rolle der Banken als wichtige Krisen- und Transformationsbegleiter des Mittelstands hervorgehoben. Eine besondere Bedeutung spielen Banken beim Umbau der Unternehmen in Bezug auf Umweltaspekte. Das Angebot eines Portfolios geeigneter Finanzierungsinstrumente für notwendige Investitionen bildet hier die Basis. Daneben sollten Banken aber auch den Unterstützungsbedarf von KMU-Kunden jenseits der originären Finanzthemen verstehen ein Portfolio an passenden Mehrwertleistungen vorhalten.
  3. Für ein Institut mit Hausbank-Anspruch macht es als langfristiger Partner der Unternehmen Sinn, nachhaltige Geschäftsmodelle im eigenen Kundenportfolio zu fördern, um auch langfristig eine wettbewerbsfähige Marktposition zu halten. Davon abgesehen kommt Banken eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe zu als Katalysator für wirtschaftliche Transformationen. Dafür spricht insbesondere der breite Zugang der Banken zu Unternehmen aller Größenklassen sowie die Wahrnehmung von Banken als rationaler, wirtschaftlich kompetenter Ratgeber. Auch durch eine zunehmend systematische Steuerung des eigenen Kreditportfolios kann eine Förderung der Transformation hin zu nachhaltigen Geschäftsmodellen erfolgen. Dazu gehört nicht nur die klare Differenzierung der Konditionen abhängig von Nachhaltigkeitsrisiken, sondern auch die Prüfung, Überwachung und Begleitung der Transitionspläne der KMU-Kundschaft oder sogar eine gezielte Reduktion von nicht nachhaltigen Exposures.

Durch Rundung kann es bei einigen Grafiken dazu kommen, dass die Summe der Prozentzahlen von 100% abweicht.

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Grüne Transformation im Mittelstand: Die zentrale Rolle der Banken

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Wie Finanzinstitute KMUs auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit unterstützen und fördern.

Veröffentlicht November 2024. Vorhanden in
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