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Großhandel: Fachkräftemangel und instabile Lieferketten belasten die Branche

Großhandel: Fachkräftemangel und instabile Lieferketten belasten die Branche

15. Mai 2023

Die Krise erhöht den Optimierungsdruck in Einkauf und Logistik

Welche Themen treiben den Strukturwandel im Großhandel und bei den B2B-Dienstleistern? Was sind die wichtigsten strategischen und operativen Herausforderungen und mit welchen Lösungsansätzen versuchen die Unternehmen, ihre Wettbewerbsfähigkeit für die Zukunft zu sichern? Dazu haben wir gemeinsam mit dem Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e. V. (BGA) und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte eine Befragung bei rund 180 Unternehmen verschiedenster Rechtsformen und Größen aus dem gesamten Bundesgebiet durchgeführt.

"Supply Chain Management wird auf lange Zeit die größte Herausforderung für den Großhandel bleiben – Efiizienz und Transparenz sind die Schlüssel zu mehr Stabilität."
Portrait of Thorsten de Boer
Senior Partner
München Office, Zentraleuropa

Strategische Herausforderungen: Fachkräftemangel dominiert

Die Verfügbarkeit von Fachkräften ist demnach aktuell die drängendste Herausforderung des Sektors. Ursache für den Personalmangel ist nach Ansicht der Befragten auch die Tatsache, dass eine ausreichende Aus- und Weiterbildung etwa von Sachbearbeitern, Logistikern und anderen Fachkräften lange versäumt wurde. Das hat sich mittlerweile geändert. So gaben fast 80 Prozent der Befragten an, sich aktiv für eine bessere Verfügbarkeit zu engagieren.

An zweiter Stelle der strategischen Herausforderungen stehen für 92 Prozent die instabilen Lieferketten. Dabei wird das Thema in den Bereichen Automotive und B2B-Dienstleistungen weniger angespannt beobachtet als beispielsweise im baunahen oder im Konsumgütergroßhandel. Die Anpassung des Lieferkettengesetzes wird von Großhändlern und B2B- Dienstleistern mehrheitlich als größte regulatorische Herausforderung der näheren Zukunft gesehen und neben der Frage einer nachhaltigeren Gestaltung bis auf Weiteres auf der Tagesordnung bleiben.

Auch die Digitalisierung ist im Großhandel längst nicht abgeschlossen. So sind sich zwei Drittel der Befragten einig, dass die Bedeutung des stationären Vertriebskanals weiter abnehmen wird, 95 Prozent erwarten eine weiter wachsende Bedeutung des Online-Vertriebs. Weil andere Sektoren „klassische“ Aufgaben des Groß- und Außenhandels übernehmen, werden die Grenzen zwischen den verschiedenen Wirtschaftsstufen zunehmend verschwinden. Der Groß- und Außenhandel muss seine Rolle entsprechend neu definieren. Das Angebot von Service- und Beratungsleistungen spielt für drei Viertel der Befragten dabei eine zentrale Rolle.

"Neben der langfristigen Sicherung der benötigten Fachkräfte sind Diversifikation und Digitalisierung die entscheidenden Stellhebel zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit im Groß- und Außenhandel in den kommenden Jahren."
Portrait of Patrick Heinemann
Senior Partner
Stuttgart Office, Zentraleuropa

Krisen verstärken den Optimierungsdruck

Die wichtigste operative Herausforderung liegt nach Einschätzung von neun von zehn befragten Unternehmen im Bereich Beschaffung und Einkauf . So sei die Beschaffung durch verschiedene, sich gegenseitig verstärkende Faktoren deutlich schlechter planbar geworden. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Themen Distribution und (Lager-) Logistik. Aufgeschobene Optimierungsprojekte lassen in diesen Bereichen hohe Potenziale für Effizienzsteigerungen vermuten.

83 Prozent der Befragten nennen außerdem den starken Anstieg der Einkaufspreise als große Herausforderung. Mehr als die Hälfte gibt an, die gestiegenen Preise an die Kunden weitergeben zu können, bei 46 Prozent ist dies zumindest teilweise möglich. Höhere Lagerbestände werden bewusst in Kauf genommen, um von Arbitrage zu profitieren und um überhaupt lieferfähig zu sein.

Als wesentliche Hindernisse bei der Umsetzung entsprechender Gegenmaßnahmen gelten fehlende Fachkräfte (82 Prozent), fehlendes Know-how in der Mitarbeiterschaft (31 Prozent), fehlende finanzielle Ausstattung (18 Prozent) sowie fehlendes Commitment der Belegschaft (15 Prozent). So wird es für die Branche nach eigenen Angaben immer schwieriger, geeignete Kandidaten zu finden und zu binden. Der Groß- und Außenhandel muss als Ziel-Branche für Bewerber attraktiver werden.

Insgesamt befindet sich der Sektor in einer angespannten Situation, die die Anforderungen an das Management deutlich erhöhen. Faktoren wie eine ausreichende, risikoorientierte Liquiditätsausstattung, Kostendisziplin, die Einrichtung von „Frühwarnsystemen“ oder die Umsetzung von Optimierungsmaßnahmen sind für die künftige Entwicklung von entscheidender Bedeutung.

Digitalisierung: Positive Effekte bei Effizienz und Kosten

Zwar haben schon in einer Studie aus dem Jahr 2016 viele Unternehmen den disruptiven Charakter der Digitalisierung für ihre Branche gut eingeschätzt. Inzwischen sind die konkreten Auswirkungen besser erkennbar – und werden überwiegend positiv beurteilt. So bewerten 92 Prozent ihre Digitalisierungsinitiativen hinsichtlich Prozesseffizienz und -kosten als positiv oder sogar sehr positiv.

59 Prozent der Befragten haben in den vergangenen Jahren digitalisierten Prozesse im Vertrieb eingeführt, 56 Prozent in Einkauf und Beschaffung, 54 Prozent in Finanzen und Controlling sowie 51 Prozent in Distribution und Logistik. Gleichzeitig bleibt viel zu tun: 42 Prozent der Unternehmen wollen in den nächsten ein bis zwei Jahren Prozesse im Vertrieb digitalisieren, 36 Prozent in der Distribution und 33 Prozent in Einkauf und Beschaffung.

Gleichzeitig zeigt die Befragung Verschiebungen bei der Schwerpunktsetzung auf der Digitalisierungsagenda. Als neue Themen dazugekommen sind die Automatisierung der Abwicklung, Cybersecurity sowie Preisgestaltung mithilfe künstlicher Intelligenz.

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