Haben die Banken als Finanzierer der deutschen Wirtschaft ausgedient?
Restrukturierungsstudie 2019: Wir haben 500 Experten zur Konjunkturentwicklung und aktuellen Trends befragt.
Wenn ein deutsches Unternehmen bislang Geld brauchte, dann hat es sich dieses in der Regel bei Banken besorgt. Mit der nächsten Konjunkturdelle könnte das – wie in vielen anderen Ländern längst üblich – auch in Deutschland anders werden. Der Grund: Fonds laufen den Geldhäusern zunehmend den Rang ab.
Schwache Konjunkturaussichten, wachsende geopolitische Spannungen und der große Anpassungsdruck der Digitalisierung lassen die nächste Krise dabei in greifbare Nähe rücken. So rechnen neun von zehn für die "Restrukturierungsstudie 2019" von Roland Berger befragten Experten damit, dass die Zahl der Sanierungsfälle im laufenden Jahr weiter steigt. Vor allem Unternehmen aus der Automobil- und die Konsumgüterindustrie werden nach Ansicht der Studienteilnehmer betroffen sein. Die beiden Industrien belegen aktuell Platz 1 und 2 der am meisten gefährdeten Branchen.
Wie in den beiden vorangegangenen Jahren bleiben Digitalisierung und disruptive Innovationen nach Einschätzung der Experten die wesentlichen Treiber von Unternehmenskrisen. Die Anpassung des Geschäftsmodells ist nach ihrer Ansicht die wichtigste Maßnahme, um gegenzusteuern. Dabei ist die Digitalisierungsstrategie für 81 Prozent der Befragten (500 Sanierungsexperten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz) inzwischen auch ein zentraler Bestandteil des Sanierungskonzepts. "Bei der Erstellung von Sanierungskonzepten kommt die digitale Strategie der Unternehmen zunehmend auf den Prüfstand", so Roland Berger-Partner Gerd Sievers.
Zwei von drei Studienteilnehmern gehen außerdem davon aus, dass auch die Komplexität von Sanierungen weiter zunimmt, vor allem durch verschärfte rechtliche Anforderungen und höheren Dokumentationsaufwand, aber auch die die wachsende Zahl der Stakeholder. Die Möglichkeiten, die die Digitalisierung zur Komplexitätsreduktion des Sanierungsprozesses bietet, werden dagegen bislang noch zu wenig genutzt. Dadurch steigen die Kosten und die eigentliche leistungswirtschaftliche Sanierung droht, in den Hintergrund zu rücken.
Vor der größten Herausforderung dürften in der nächsten Krise allerdings die deutschen Banken stehen. Regulatorische Vorgaben wie IFRS 9 und die NPL Guideline, aber auch der starke Abbau von Restrukturierungsspezialisten bei den Geldhäusern ziehen nach Einschätzung von 54 Prozent der Befragten die Konsequenz nach sich, dass mehr Kredite an Fonds verkauft werden. Nur 21 Prozent sehen die weitere Begleitung und Sanierung der Unternehmen als erste Option. Dies könnte zu einer grundsätzlichen und nachhaltigen Veränderung der Unternehmensfinanzierung in und nach der Krise in Deutschland führen.
Restrukturierungsstudie 2019: Wir haben 500 Experten zur Konjunkturentwicklung und aktuellen Trends befragt.