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Hydrogen-Valleys: erste Impulse für eine neue Wasserstoffwirtschaft
Von Uwe Weichenhain
Wie sogenannte Hydrogen Valleys zu nachhaltiger Energie und industrieller Entwicklung führen sowie zur Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen können
Hydrogen Valleys sind ein wichtiger Schritt hin zu lokal integrierten Wasserstoff-Ökosystemen. Sie können nicht nur nachhaltige Energie bereitstellen, sondern sind auch ein wichtiger Motor für die industrielle Entwicklung und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Obwohl es noch Hürden zu überwinden gibt, breitet sich das Konzept weltweit aus, angespornt durch veränderte Denkweisen und wachsende private Investitionen.
Sauber, vielseitig und voller Potenzial - Wasserstoff ist einer der Grundbausteine einer kohlenstoffarmen Wirtschaft . Er kann industrielle Prozesse wie die saubere Stahlproduktion vereinfachen, Schwerlastfahrzeuge, Schiffe und letztendlich sogar Flugzeuge antreiben - Branchen, die normalerweise als schwer dekarbonisierbar gelten. Wasserstoff kann nicht nur dazu beitragen, die globale Erwärmung einzudämmen, sondern auch lokale Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe - wie Stickoxide und Schwefeldioxide - reduzieren.
Um dies zu erreichen, sind jedoch erhebliche private und öffentliche Investitionen erforderlich. Regierungen auf der ganzen Welt haben bereits damit begonnen, unterstützende Maßnahme und Vorschriften umzusetzen, aber ein effektiver Fortschritt erfordert zu diesen Top-Down-Maßnahmen zusätzlich auch Bottom-Up-Projekte.
Sprungbrett zu einer Wasserstoffwirtschaft
Hydrogen Valleys stellen einen wichtigen Schritt in diese Richtung dar. Sie haben das Potenzial, lokal integrierte Wasserstoff-Ökosysteme als saubere Energiequelle zu ermöglichen und die Entwicklung der regionalen Wirtschaft voranzutreiben. Hydrogen Valleys umfassen typischerweise Investitionen in Höhe von mehreren Millionen Euro in einem bestimmten geografischen Gebiet und decken einen wesentlichen Teil der Wasserstoff-Wertschöpfungskette ab, von der Wasserstoffproduktion über die Speicherung und den Transport bis hin zur Nutzung in Bereichen wie Industrie, Mobilität und Energie.
In den letzten Jahren hat das Fuel Cells and Hydrogen Joint Undertaking (FCH JU) [deutsch: Gemeinschaftsprojekt für Brennstoffzellen und Wasserstoff], eine öffentlich-private Partnerschaft auf EU-Ebene, den Aufbau von Hydrogen Valleys in Zusammenarbeit mit zahlreichen europäischen Städten und Regionen unterstützt. Jetzt gibt eine neue Plattform, die vom FCH JU entwickelt und durch ein mit Roland Berger verfasstes Gutachten ergänzt wurde, Einblick in mehr als 30 -Vorzeigeprojekte auf der ganzen Welt: die Mission-Innovationsplattform für Hydrogen Valleys . Basierend auf einer einzigartigen Datenerhebung aus den Projekten werden deren bisherige Erfolge und verbleibende Hindernisse für die weitere Entwicklung der globalen Wasserstoffwirtschaft betrachtet.
Von Europa in die Welt, ein wachsender Trend
Das Konzept der Hydrogen Valleys ist noch jung. Mehr als 85 % der Hydrogen Valleys befinden sich noch in verschiedenen Entwicklungsphasen, während weniger als 15 % bereits vollständig umgesetzt wurden. Es zeichnen sich drei typische Konstellationen ab: lokale, kleine und auf Mobilität ausgerichtete Projekte; lokale, mittelgroße und industrieorientierte Varianten; sowie große und exportorientierte Projekte. Fast alle Hydrogen Valleys befassen sich mit der Wasserstoffproduktion, 85 % mit der Speicherung oder Umwandlung sowie dem Transport. Die Hälfte der Hydrogen Valleys erzeugt auch die für die Wasserstoffproduktion benötigte Primärenergie aus erneuerbaren Energiequellen.
Während sich das Konzept zweifellos weltweit ausbreitet, befinden sich derzeit zwei Drittel der Hydrogen Valleys in Europa, 13 % auf dem amerikanischen Doppelkontinent und 22 % im asiatisch-pazifischen Raum. Die meisten Projekte haben ein Investitionsvolumen von bis zu 100 Mio. EUR, einige Gigaprojekte liegen jenseits der 1 Mrd. EUR-Marke.
Es wird erwartet, dass die Hydrogen Valleys im kommenden Jahrzehnt deutlich reifen werden, da sich die Projekte vervielfachen und an Größe und Komplexität zunehmen. Dies wird durch wachsende private Investitionen und strategische Schritte in einem vielversprechenden neuen Geschäftsfeld vorangetrieben.
Fünf Schlüsselfaktoren für den Erfolg...
Laut den im FCH JU-Gutachten untersuchten Hydrogen Valleys sind die folgenden fünf Faktoren in der Vorbereitungsphase am wichtigsten.
- Ein überzeugendes Projektkonzept, das die gesamte Wertschöpfungskette abdeckt und eine Technologie beinhaltet, die die lokalen Ressourcen nutzt und den lokalen Bedürfnissen entspricht.
- Eine tragfähige kommerzielle Struktur und ein Geschäftsszenario für Projektentwickler.
- Eine öffentlich-private Finanzierung aus mehreren Quellen, einschließlich ausreichender öffentlicher Mittel, um die anfänglichen Lücken bis zur Kommerzialisierung zu schließen.
- Partnerschaften und die Zusammenarbeit von Interessengruppen, die den gesamten Projektumfang abdecken und ein kontinuierliches Engagement aller Beteiligten sicherstellen.
- Politische Rückendeckung und öffentliche Akzeptanz.
... und fünf Hindernisse für die Entwicklung
Doch es wird nicht alles glatt laufen. Derzeit gibt es fünf Haupthindernisse für die Entwicklung der Hydrogen Valleys - aber sie sind nicht unüberwindbar.
- Die erste und größte Herausforderung ist die Sicherung der öffentlichen Finanzierung. Um diese zu überwinden, initiieren Hydrogen Valleys mit den Behörden proaktive Gespräche über Förderprogramme. Wichtig ist auch, flexibel zu bleiben und die Projektumfänge auf die Anforderungen der öffentlichen Hand abzustimmen.
- Die Sicherstellung von Abnahmeverpflichtungen für sauberen Wasserstoff ist ebenfalls ein bedeutendes Hindernis. Glaubwürdige Investitionspläne und Gespräche mit möglichst vielen potenziellen Abnehmern tragen zu einer erfolgreichen Risikominderung bei.
- Um private Investitionen zu sichern, müssen Hydrogen Valleys einen strukturierten Entwicklungsansatz verfolgen, Abnehmer und Eigenkapitalpartner einbeziehen, um das Projektrisiko zu mindern und frühzeitiges Feedback von der Kreditgebergemeinschaft zu erhalten. Die Einbindung lokaler privater Investoren kann auch lokal verankerten Projekten helfen.
- Auch die technologische Bereitschaft ist immer noch ein Hindernis. Um dieses zu überwinden, müssen Projekte flexibel bleiben und die Aufnahme weiterer Anwendungen in ihr Portfolio in Betracht ziehen. Effiziente Betriebs- und Wartungsdienste sind entscheidend.
- Die fünfte und letzte Hürde sind regulatorische Bestimmungen. Die Bestimmungen werden zwar immer vorteilhafter für Hydrogen Valleys, aber es gibt immer noch Hindernisse, wenn es darum geht, gleiche Wettbewerbsbedingungen für grünen Wasserstoff zu schaffen, sowie bei der Zulassung und Normierung. Um dies zu lösen, müssen die politischen Entscheidungsträger eine klare Vision von der zukünftigen Wasserstoffwirtschaft einer Region oder eines Landes haben und das notwendige regulatorische Umfeld schaffen, um diese Vision zu realisieren.
Hydrogen Valleys: Was wird die Zukunft bringen?
Hydrogen Valleys werden ihr volles Potenzial erst gegen Mitte dieses Jahrzehnts entfalten, wenn viele die Implementierungs- oder Betriebsphase erreichen. Viele werden ihre Aktivitäten außerdem über ihren derzeitigen Umfang hinaus ausweiten und einige werden mit benachbarten Valleys zusammenarbeiten. Insbesondere die Mobilität wird sich wahrscheinlich von einem Kernfokus zu einem Add-on verlagern, da die Hydrogen Valleys mehr Gewicht auf die Versorgung von kohlenstoffintensiven Industriesektoren legen, die in größerem Umfang vorhanden sind.
Mit zunehmender Größe und Anzahl werden die Hydrogen Valleys die Dynamik des Wasserstoffmarktes vorantreiben. Sie dürften zur lokalen Akzeptanz beitragen, indem sie das Bewusstsein schärfen und das Potenzial einer grünen Wasserstoffwirtschaft aufzeigen.
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Für weiteres Material zu diesem Thema wenden Sie sich bitte an Herrn Uwe Weichenhain.