State of the Nation: Digitalisierung
Von Ashok Kaul und Andreas Stocker
Künstliche Intelligenz und Blockchain leiten neuen technologischen Wettlauf ein
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Der Ende 2022 einsetzende Siegeszug des sprach- und textbasierten Chatbots ChatGPT bringt das Thema Digitalisierung mit großer Wucht zurück an die Spitze der Managementagenda. Gleichzeitig wirft die rasante Dynamik inzwischen massentauglicher Anwendung künstlicher Intelligenz (KI) viele altbekannte Fragen auf. Etwa die, ob und wie Deutschland den Anschluss halten kann und wie Unternehmen die digitale Transformation am besten gelingt. Unser "State of the Nation"-Report beleuchtet Herausforderungen und Perspektiven für die deutsche Wirtschaft und nennt sieben Erfolgshebel für Unternehmen.
„Wir erleben einen Weckruf-Moment über den konkreten Einsatz von KI hinaus“, sagt Roland Berger Senior Partner Ashok Kaul, Experte für Datenanalyse und angewandte künstliche Intelligenz. Die Hoffnung, dass jetzt Prioritäten neu gesetzt und Transformationsprozesse beschleunigt werden, ist groß. Schließlich war und ist die Umsetzung digitaler Projekte bislang Deutschlands Achillesferse. So sind viele Unternehmen in der ersten Digitalisierungsphase ab den 2010er-Jahren zwar mit guten Ideen gestartet, dann aber dann vielfach stecken geblieben. In anderen Regionen der Welt sind digitale Dynamik und Veränderungswille erheblich größer – wie Roland Berger Berater beim Vergleich nationaler und internationaler Projekte immer wieder beobachten.
Untersuchungen bescheinigen Deutschland inzwischen einen deutlichen Nachholbedarf bei der Digitalisierung, nicht zuletzt wegen mangelnder Schubkraft durch den Staat: So belegt Deutschland im Digital Economy and Society Index (DESI), der die europäischen Mitgliedsstaaten hinsichtlich digitaler Leistungsstärke und Wettbewerbsfähigkeit beurteilt, nur den enttäuschenden 13. Platz. Im weltweiten IMD Digital Competitiveness Ranking reichte es 2022 nur noch für Platz 19. Trotz Stärken wie wie dem engmaschigen Wissenschaftsnetzwerk sowie Aus- und Weiterbildung schlagen Anpassungsbereitschaft und technologischer Rahmen negativ durch.
„Mittelmäßige Rahmenbedingungen und Infrastruktur am Standort Deutschland dürfen keine Ausrede sein, die eigene Digitalisierung nicht konsequent voranzutreiben“, unterstreicht Kaul den Unternehmen ins Stammbuch. ChatGPT & Co. könnten zum richtigen Zeitpunkt aufgerüttelt haben. „Über das verständliche und einfache Sprachmodell konnten erstmals auch wenig digitalaffine Führungskräfte in die neue Welt eintauchen. Das wird manche Blockaden und Zögerlichkeiten in den Köpfen lösen“, hofft Roland Berger Senior Partner Andreas Stocker, Experte für die Anwendung effizienzsteigernder digitaler Tools in Unternehmen.
Und es tun sich überraschende Perspektiven auf, wonach der Standort im besten Fall auch im Ausland neue Attraktivität entfaltet: Dazu zählen etwa die konsequente Regulierung bei Datenschutz- und -sicherheit, aber auch die Bemühungen um eine europäische digitale Identität. Hintergrund: Die Validität von Daten gewinnt immer größere Bedeutung. Krypto-Experte und Roland Berger Partner Pierre Samaties beobachtet, dass gute Regulierung anlockt: „Einige Unternehmen überlegen bereits, ihre digitalen Innovationen wieder nach Deutschland und Europa zu verlagern.“
So oder so: Viele hiesige Konzerne und mittelständische Unternehmen haben ambitionierte Transformationsaufgaben vor sich. Vor allem drei Erkenntnisse sollten zum digitalen Einmaleins von Vorstandsgremien und Geschäftsführungen zählen:
- KI-Lösungen sind quasi Schnellladeanwendungen. Entwicklungsrückstände gegenüber der Konkurrenz lassen sich meist schneller als gedacht aufholen. Lange Rüstzeiten gehören der Vergangenheit an. Das ist Chance und Risiko zugleich, wenn Wettbewerber als erste das Tempo erhöhen.
- Industrielle Wertschöpfung wird künftig noch stärker datenbasiert sein. Nach wie vor wird unterschätzt, wie wertvoll die Informationen aus Produktions- und Kundenschnittstellen sind – und wie gut sie sich für die eigene Weiterentwicklung nutzen lassen.
- Cybersicherheit muss Chefsache sein. Zur Gegenwehr gehören systematische Investitionen in technische, organisatorische und prozessuale Sicherheitsmaßnahmen. Gerade beim Schutz besonders wichtiger Daten darf nicht gespart werden.
Sieben strategische Erfolgshebel für die digitale Transformation
Erfolgreiche Digitalisierung ist eine herausfordernde Transformationsaufgabe, die in den meisten Fällen weit über die Implementierung neuer Technologien hinausreicht. Auch wenn sich die Lösungen in verschiedenen Branchen unterscheiden, zeichnet sich ein zielorientiertes Vorgehen durch folgende Ansatzpunkte aus:
- Systematische Anpassung des Geschäftsmodells. Im Zuge einer „Digital Due Dilligence“ in eigener Sache können Unternehmen Zukunftsfelder und neue Wettbewerbsstrategien erschließen.
- Entwicklung grundlegender Fähigkeiten bei Datenanalyse und -nutzung. Die Monetarisierung von Daten umfasst weit mehr als deren Verkauf an Dritte. Richtig eingesetzt, helfen sie Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu optimieren.
- Ausbau und Weiterentwicklung der IT- und Datenarchitektur. Eine digitale Transformation sollte zwar aus einem Guss konzipiert sein, aber nicht als Großprojekt umgesetzt werden, sondern agil und in überschaubaren Sprints.
- Nutzung von Software-Robotern und intelligente Automatisierung. Die Einbettung von KI-Lösungen in eine klassische robotergestützte Prozessautomatisierung (RPA) kann ein sinnvoller Schritt sein, um schnelle Digitalisierungserfolge ohne komplexe Änderungen an der bestehenden Infrastruktur zu erzielen.
- Nahtlose Integration neuer Technologien. Das Portfolio geeigneter Tools und Anwendungen ist breit – dazu gehören nicht nur KI-Lösungen, sondern auch Web 3.0, Blockchain, Metaverse und die Tokenisierung.
- Mehr Innovationskraft durch Aufbrechen von Abteilungssilos. Der Weg nach vorne braucht Antreiber und geeignete Prozesse, um Beharrungskräfte wie etablierte Hierarchien und gewohnte Abläufe zu überwinden.
- Kulturwandel in den Belegschaften. Das Narrativ für die Digitalisierung ist ein zentraler Erfolgsfaktor. Die Unternehmensführung muss erklären, welche Vorteile mit dem digitalen Umbau einhergehen – aber auch Risiken transparent machen.
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