Banken müssen sich im KMU-Geschäft neu positionieren.
KMU-Banking: Firmenkundenberater 2.0.
Von Klaus Juchem und Martin Hülsen
Weiterentwicklung des Betreuungsansatzes im KMU-Banking stellt Kundenpräferenzen in den Mittelpunkt
In unserer Veröffentlichung im November haben wir verdeutlicht, dass Banken eine wesentliche Rolle bei der Unterstützung des Mittelstands angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen einnehmen. KMU schätzen die Beratung der Banken in der aktuellen wirtschaftlichen Lage ausdrücklich. Einige Banken ordnen jedoch kleineren KMU aus Gründen der Effizienz keine Firmenkundenberater mehr zu. Den Kundenbedarf nach persönlicher Beratung mit einem profitablen Betreuungsansatz zu verbinden ist eine Herausforderung gerade im kleinteiligen KMU-Geschäft. Für unsere Erhebung haben wir ca. 650 Geschäftsführer und Finanzentscheider von KMU – hier definiert als Unternehmen mit einem Umsatz von bis zu 25 Millionen Euro bzw. mit weniger als 250 Mitarbeitern – im DACH-Raum befragt.
Relevanz des persönlichen Firmenkundenberaters
Digitale Kanäle spielen eine immer größere Rolle – das gilt auch für das Firmenkundengeschäft. Bereits in unserer im Februar 2023 veröffentlichten Studie haben wir verdeutlicht, dass rund die Hälfte der KMU digitale Kanäle bevorzugt. Nichtsdestotrotz bleibt auch die persönliche Beziehung zum Firmenkundenberater weiter relevant: Rund 40% der KMU präferieren den Berater, wenn es darum geht, sich über Finanzprodukte zu informieren und sogar rund 45%, wenn es um den Abschluss von Produkten geht.
Der Großteil der KMU, die einen persönlichen Berater bei ihrer Hausbank zugeordnet haben, steht mit diesem auch im regelmäßigen Austausch. Rund 70% haben mindestens einmal im Jahr Kontakt, rund 50% sogar zweimal im Jahr oder häufiger. Nur etwa ein Drittel der Kunden, die einen persönlichen Firmenkundenberater haben, spricht diesen seltener als einmal jährlich bzw. gar nicht.
Während in der KMU-Berater-Beziehung nach wie vor Finanzthemen im Zentrum stehen, werden auch darüberhinausgehende Sachverhalte thematisiert. Nicht überraschend geben hierbei 64% der Befragten an, mit ihrem Firmenkundenberater zu Finanzprodukten des jeweiligen Anbieters zu sprechen. In vielen Kundenbeziehungen (41%) werden aber auch Finanzprodukte anderer Banken erörtert. Hier geht die Positionierung, die der Berater gegenüber dem KMU einnimmt, schon klar über den reinen Produktverkauf hinaus. Im Rahmen der Beratung können Produkte verschiedener Wettbewerber verglichen und so ein Mehrwert für das KMU geschaffen werden. Ca. 60% der KMU sprechen mit ihrem Berater allerdings auch über mindestens ein Thema, das über Finanzdienstleistungen hinausgeht (ohne „sonstige Themen“). Das heißt, hier wird der Berater bereits jetzt als wirtschaftlicher Ratgeber, nicht als Bankberater im engeren Sinne, genutzt. Dabei spielen in den Gesprächen mit 30% insbesondere betriebswirtschaftliche Fragestellungen bzw. mit jeweils rund 20% Unternehmensstrategie und Expansion sowie Altersvorsorge für Mitarbeiter eine Rolle.
Wertschätzung der Beratungsleistung und Zahlungsbereitschaft
KMU wissen den Kontakt zum Berater zu schätzen. In unserer Befragung haben wir erhoben, inwieweit KMU höhere Bankgebühren für verschiedene Beratungsleistungen des Firmenkundenberaters – von Beratung zu Finanzdienstleistungen bis hin zu betriebswirtschaftlicher/strategischer Beratung oder Beratung zu unternehmerischen Transformationsthemen – akzeptieren würden. Nur 6% der Befragten geben an, dass keine der Beratungsleistungen höhere Bankgebühren rechtfertigen würde (Antworten „eher nein“ und „auf keinen Fall“); die anderen 83% geben bei mindestens einem der Beratungsthemen an, höhere Bankgebühren zu akzeptieren, wenn hierfür ein Firmenkundenberater bereitsteht (Antworten „auf jeden Fall“ und „eher ja“). Das bedeutet: KMU wissen die persönliche Beratung zu schätzen und nehmen auch einen finanziellen Mehrwert wahr. Die größte Bereitschaft zur Zahlung von Gebühren besteht bei der Beratung zu Finanzprodukten (der eigenen Bank bzw. verschiedener Banken). Die Finanzberatung wird von vielen Unternehmen nach wie vor als zentraler Mehrwert der Beraterbeziehung wahrgenommen. Aber auch Beratung zu Nicht-Finanzdienstleistungen würde (je nach Kategorie) für 43-49% höhere Gebühren rechtfertigen. Nur 22-29% finden höhere Gebühren für die jeweilige nicht-finanzbezogene Beratung inakzeptabel.
Über Beispiel-Kontomodelle können wir eine mögliche Zahlungsbereitschaft weiter verproben: Wir stellen beispielhafte Pakete zur Auswahl, die sich in ihrem Umfang nur über den Zugang zu einem Firmenkundenberater – und den Preis – unterscheiden. Während 57% der KMU ein preisgünstigeres Modell ohne Beraterzugang wählen würden, präferieren 43% ein Modell mit Berater – zu immerhin 50 EUR Aufpreis im Monat.
Interessante Einsichten bzgl. der Zahlungsakzeptanz ergeben sich auch bei einer Analyse des kleinen Segments der KMU mit einem Jahresumsatz von unter 500.000 EUR. Diesem Segment (mit seinem entsprechend begrenzten durchschnittlichen Erlöspotenzial pro Kunde), stellen viele Institute schon heute keinen persönlichen Ansprechpartner mehr zur Seite, da sich dies i.d.R. nicht profitabel darstellen lässt. Jedoch besteht auch in diesem Segment bei einem wesentlichen Anteil der Kunden (28%) Interesse an persönlichem Austausch – und zwar gegen Aufpreis. Angesichts der mengenmäßig hohen Bedeutung dieser Kundengruppe könnte sich hier ungenutztes Potenzial ergeben, in dem man den Wunsch der Kunden nach persönlicher Beratung ernst nimmt, diese aber angemessen vergüten lässt.
Eine Differenzierung unserer Auswertung nach Kontakthäufigkeit in der aktuellen Kundenbeziehung zeigt: sowohl Kunden, die besonders häufigen Kontakt zum Berater pflegen, sind bereit dafür zu zahlen, als auch solche die (bisher) keinen Kontakt zum Berater haben. Wenig überraschend: Kunden mit mindestens monatlichem Beraterkontakt würden zu 74% das aufpreispflichtige Paket wählen. Jedoch geben auch Kunden ohne Beraterkontakt zu 62% an, am Paket mit Berater interessiert zu sein. Hier könnte sich ungenutztes Potenzial für die Bank ergeben. Zwar handelt es sich bei einem wesentlichen Teil dieser Kunden um kleine Unternehmen, dennoch könnte die Bepreisung der gewünschten Beraterbeziehung zusätzliche Erlöspotenziale bieten – und entspricht gleichzeitig dem Kundenwunsch. Größere KMU in diesem Cluster werden offensichtlich von ihren Banken (trotz möglichem Potenzial) bisher nicht adäquat bedient.
Implikationen für Banken
- Banken sollten prüfen, inwieweit im eigenen KMU-Geschäft der Zugang zu einem Firmenkundenberater als aufpreispflichtiger Mehrwert positioniert werden kann. Hierfür sind zunächst die Präferenzen im aktuellen Kundenstamm zu analysieren. Die Bank sollte verstehen, welche Cluster im eigenen KMU-Kundenportfolio Bedarf an einem Firmenkundenberater haben – und inwieweit Zahlungsakzeptanz gegeben ist. Wichtig ist hierbei, dass über die klassischen Kundensegmente (insbes. nach Umsatzgrößenklassen) hinaus gedacht wird. Ggf. ist der Wunsch nach einem Ansprechpartner als Vertrauensperson und Wirtschaftsexperten auch bei Kleinbetrieben, denen die Bank keinen Firmenkundenberater (mehr) zuordnet, ausgeprägt.
- Eine solche Bepreisung der Beratungsleistung muss mit einem glaubhaften Wertversprechen verbunden sein. Dies kann eine Weiterentwicklung bzw. Neupositionierung der Rolle des Firmenkundenberaters bedeuten. Ein bezahlter Firmenkundenberater kann nicht in erster Linie Verkäufer von Finanzprodukten, sondern muss Begleiter des KMU von Finanzen bis hin zu wirtschaftlich-strategischen Fragestellungen sein. Gleichzeitig wird eine wirtschaftlich sinnvolle Beratung im KMU-Segment in der Regel bei Banken standardisierte Beratungsprozesse erfordern – auch bei Bepreisung. Eine weitere Herausforderung für Banken: Qualitativ hochwertige Beratung braucht geeignetes Personal. Angesichts eines Mangels an Fachkräften – auch im Bankgewerbe – muss die Weiterentwicklung der Beraterrolle mit einer geeigneten Personalplanung verbunden sein. Beispiele für geeignete Maßnahmen könnten innovative Recruitingformate sowie die Erleichterung von Quereinstiegen oder eine Überarbeitung von Karrierepfaden sein.
- Die Neupositionierung des Firmenkundenbetreuers verdeutlicht erneut die Bedeutung eines integrierten Vertriebsansatzes über alle Zugangskanäle hinweg. Auch und gerade Kunden, die für ihre Betreuung zahlen, sollten den Weg des Zugangs selbst wählen können. Dazu gehört auch die Option eines allabschließenden Produktabschlusses über digitale Kanäle – je nach Situation mit oder ohne Hinzuziehen des Beraters. Außerdem sollten alle Informationen über den Kunden kanalübergreifend jederzeit vorliegen, damit der Kundenbetreuer seine Rolle als umfassender Begleiter des KMU glaubhaft wahrnehmen kann.
Anmerkung: Durch Rundung kann es bei einigen Grafiken dazu kommen, dass die Summe der Prozentzahlen von 100% abweicht.