Performance: Schneller, Höher, Stärker
Think:Act erforscht alle Faktoren, die mit der Leistung von Individuen und Teams zusammenhängen. Wir bieten Einblicke in Kennzahlen, KI und authentische Führung.
Leistungskontrolle läuft nur über Kennzahlen, oder? Vielleicht braucht es ja doch mehr als Zahlenmanagement, um seine Performance zu verbessern.
Management auf Basis von Kennzahlen ist ein einfaches Konzept: Man setzt seine Strategie, findet eine passende Schlüsselkennzahl, setzt sein Team darauf an und schaut dann zu, wie die Performance stetig steigt. Kennzahlen sind im Management dermaßen verbreitet, dass Leute häufig Peter Drucker zitieren: "Wenn du es nicht messen kannst, kannst du es nicht managen." Die Idee hat jedoch mehr als einen Haken. Wohl auch deswegen hat Drucker diesen Satz nie wirklich gesagt.
Natürlich können Kennzahlen helfen. "CEOs brauchen Marschlieder", sagt Eric Abrahamson, Managementprofessor an der Columbia Business School und Experte für Wirtschaftstrends. Eine neue Methodologie sei oft gut dazu geeignet, ein Unternehmen auf ein bestimmtes Thema zu fokussieren. Ein CEO könnte sagen: "Wir müssen mehr auf Qualität achten." Solche Initiativen müssen nicht schlecht sein, sagt Abrahamson – aber Kennzahlen hätten auch ihre Grenzen.
Die größte Einschränkung von Kennziffern bestehe darin, dass man sie als absolute Wahrheit betrachtet: "Eine Firma, die aus vielen unterschiedlichen Performance-Elementen besteht, wird auf ein paar Kennziffern reduziert", sagt Abrahamson. Dies könne wiederum den Aktienpreis beeinflussen. "Die Zahl soll etwas messen, aber tatsächlich formt sie das, was sie misst."
Diese verkürzte Sicht kritisiert auch Jerry Z. Muller. Der emeritierte Geschichtsprofessor an der Katholischen Universität von Amerika hat 2018 ein Buch über "die Tyrannei der Kennzahlen" veröffentlicht. Gern zitiert er den Soziologen Robert K. Merton: "Sehen ist immer auch Nichtsehen: Wenn man sich auf A konzentriert, verpasst man B."
Ein Beispiel dafür ist die Einführung von Six Sigma bei General Electric. In den 1990er-Jahren war CEO Jack Welch von dieser Methode zur Steigerung der Effizienz durch Fehlerreduzierung entzückt. Anfangs funktionierte es. Als Welch 2001 abtrat, hatte GE andere Giganten der 90er übertroffen. Doch im neuen Jahrtausend hießen die Konkurrenten Google und Apple. Six Sigma hat vermutlich auch andere Konzerne geblendet: Laut einer Studie von 2006 folgten 58 Konzerne in den Fußstapfen GEs. Doch nachdem sie Six Sigma übernommen hatten, hinkten 91 % von ihnen in der Aktienperformance dem S&P 500 hinterher.
Das Phänomen ist nicht auf Six Sigma beschränkt. Beliebte Kennziffern nutzten sich oft ab, sagt Abrahamson; und wenn man sich auf die gleichen Zahlen wie alle anderen konzentriere, sei es unwahrscheinlicher, sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Muller wiederum denkt, dass Kennzahlen auch verwendet werden, um sich nicht entscheiden zu müssen. Als Elon Musk Twitter übernahm, wollte er die Programmierer, die im letzten Jahr die wenigsten Codezeilen geschrieben hatten, entlassen. "Dabei ließ er völlig außer Acht, dass es andere Facetten des Lernens und der zwischenmenschlichen Beziehungen gibt, die beruflich relevant sein können", sagt Muller.
Es passiert leicht, dass man sich so sehr auf eine bestimmte Quote fixiert, dass man das eigentliche Ziel aus den Augen verliert. Bei Wells Fargo zum Beispiel galt die die Anzahl der Konten, die ein Kunde besaß, als ein entscheidender Indikator für Kundenbindung. Also meldeten einige Mitarbeiter Kunden ohne deren Erlaubnis für neue Konten an – was Wells Fargo letztlich 3,7 Milliarden Dollar an Strafen und viel Glaubwürdigkeit kostete.
Bill Tayler, Professor für Rechnungswesen an der Marriott School of Business der Brigham Young University (BYU), spricht bei dieser Art von Zahlenanbetung von Surrogaten: eine menschliche Tendenz, sich auf Kennzahlen zu konzentrieren anstatt auf die Strategie, die sie stützen sollen. "Kaum hatten wir das Wort dafür gefunden, sah ich überall Surrogate", sagt Tayler. "Wenn mein Kind mit lauter Einsern nach Hause kommt, bin ich super erfreut. Dabei könnte es auch sein, dass ein Einser-Schüler Kurse belegt, die zu einfach für ihn sind."
Tayler zufolge hat seine Forschung auch gezeigt, dass Anreize diesen Effekt verstärken, aber Surrogate nicht nur darauf beruhen. Tatsächlich zeigte spätere Forschung, dass sich Menschen auch dann auf eine einmal erfasste Zahl konzentrieren, wenn keine Anreize mit ihr verbunden sind.
Gemeinsam mit Neurologen der BYU führte Taylers Team Hirn-Scans durch, um festzustellen, ob Surrogate nachweisbar sind. Die beobachtete elektrische Aktivität stützte Taylers Theorie: Der Teil des Gehirns, in dem Menschen sich auf Zahlen konzentrieren, unterscheidet sich von dem Bereich, in dem sie über Strategien nachdenken. Das erkläre auch, warum es so schwer ist, Leute von ihrer politischen Position abzubringen, selbst wenn man die Fakten auf seiner Seite hat. Wenn man sich von Surrogaten leiten lässt, benötigt das Gehirn weniger elektrische Aktivität. Es erfordert also weniger Energie, auf Zahlen zu achten, als darüber nachzudenken, wie man sie ändern könnte.
Trotz dieses Missbrauchspotenzials von Kennziffern ist Tayler nicht grundsätzlich dagegen, Management auf Basis von Zahlen zu betreiben. "Ich glaube fest daran, Zahlen zu verwenden", sagt Tayler. "Ein guter Buchhalter wird Ihnen nicht sagen, dass solche Messungen schlecht sind. Man sollte jedoch verstehen, wie Messungen zu Problemen führen können – zu vorhersehbaren, systematischen Problemen."
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