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Klimaneutralität 2050: Die Industrie braucht entschlossenes politisches Handeln

Klimaneutralität 2050: Die Industrie braucht entschlossenes politisches Handeln

3. März 2021

Mit diesen Rahmenbedingungen kann die deutsche Industrie bis 2050 klimaneutral werden

Deutschland will bis spätestens 2050 klimaneutral sein. Für die Industrie bedeutet dies eine gewaltige Kraftanstrengung. Zugleich hat Deutschland die große Chance, eine internationale Führungsposition in einem Klimaschutzmarkt zu erlangen, der bis 2025 ein Volumen von 5,9 Milliarden Euro erreicht haben dürfte. Damit dieses Vorhaben gelingt, muss die Politik jedoch dringend geeignete Rahmenbedingungen schaffen.

Um bis 2050 klimaneutral zu werden, muss Deutschland einen Wandel der industriellen Infrastruktur vollziehen.

Der Klimawandel steht ganz oben auf der globalen politischen Agenda. Im Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 hat sich die internationale Staatengemeinschaft dazu verpflichtet, mit politischen Maßnahmen die Erderwärmung auf deutlich unter 2°C, möglichst 1,5°C, zu begrenzen. Auch Deutschland hat sich diesem Ziel verschrieben. Im Klimaschutzgesetz aus dem Jahr 2019 ist eine Treibhausgasreduktion von 55 % bis 2030 sowie die Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 gesetzlich verankert.

Auf dem Weg zu diesem Ziel muss die Industrie einen großen Teil ihrer Infrastruktur modernisieren bzw. ersetzen. Dieses gewaltige Umbauprojekt birgt für Deutschland die große Chance, sich eine Führungsposition im weltweiten Klimaschutzmarkt zu erarbeiten – einem Markt, der bis 2025 ein Volumen von voraussichtlich 5,9 Milliarden Euro haben wird. Damit diese Chance ergriffen werden kann, muss die Politik Rahmenbedingungen schaffen, welche die schnelle Entwicklung, die Errichtung und den Betrieb von nachhaltigen Technologien und Anlagen fördern. Die derzeitigen politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen sind hierfür nicht geeignet.

Was muss sich also ändern? Nach einem intensiven Dialog mit Unternehmensexpertinnen und -experten aus verschiedenen Industriebranchen skizziert Roland Berger gemeinsam mit dem Thinktank Agora Energiewende und der sektorübergreifenden Initiative Stiftung2° eine Reihe von Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche Industrietransformation.

Die fünf Säulen der Klimaneutralität

Um bis 2050 klimaneutral zu werden, muss Deutschland einen ganzheitlichen Wandel seiner industriellen Infrastruktur vollziehen. Dieser Strukturwandel beruht auf fünf Säulen:

  1. Erneuerbare Energien: Der Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugung und des Stromnetzes ist eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen für die Erreichung der Klimaneutralität.
  2. Elektrifizierung und Effizienzsteigerung: Diese Faktoren werden nicht nur in den Sektoren Verkehr und Gebäude, sondern auch in der Industrie elementar sein.
  3. Wasserstoff: Der Aufbau der Infrastruktur für eine Wasserstoffwirtschaft erfordert internationale Zusammenarbeit.
  4. CCU/CCS und Negativemissionen: Für manche Industrieprozesse werden auf absehbare Zeit noch keine klimaneutralen Schlüsseltechnologien vorhanden sein. Hier werden Lösungen zur Abscheidung und Speicherung von CO2 mittels CCU-/CCS-Verfahren gefragt sein.
  5. Kreislaufwirtschaft: Eine stärkere Kreislaufführung wird den Bedarf an Rohstoffen und damit die CO2-Emissionen senken.

Schneller, besser, grüner: Ziele für eine neue Industriepolitik

Ob neu gedacht oder angepasst – die deutsche Industriepolitik sollte die folgenden vier übergeordneten Ziele in den Fokus nehmen:

Wettbewerbsfähigkeit sicherstellen

Deutschland und Europa müssen weiterhin Heimat von produzierenden Industrieunternehmen bleiben. Diese sichern nicht nur Arbeitsplätze und Wohlstand, sie treiben durch klimafreundliche Grundstoffe und Technologien auch die Transformation der Wirtschaft voran.

Langfristige Planungs- und Investitionssicherheit schaffen

Bis 2030 müssen Kernelemente von CO2-intensiven Produktionsanlagen erneuert werden. Aktuell fehlt für diese neuen Technologien jedoch das Geschäftsmodell. Um effektiv planen zu können, brauchen die Unternehmen mehr Sicherheit in Bezug auf den Infrastrukturausbau, den rechtlichen Rahmen und die ökonomischen Voraussetzungen.

Rasche Umsetzung ermöglichen

Die zügige Transformation der Industriesektoren kann nur gelingen, wenn geeignete politische und administrative Rahmenbedingungen geschaffen werden. Damit staatliche Beihilfen schnellstmöglich an Ort und Stelle gelangen, muss die Vereinbarkeit von nationalem und EU-Beihilferecht gewährleistet sein. Essentiell ist zudem die Vereinheitlichung und Reduzierung der technischen Vorschriften (z. B. DIN- und ISO-Normen) sowie die Beschleunigung von Genehmigungsfaktoren und die Modernisierung der Verwaltungen.

Großvolumige Entwicklung und Anwendung von Schlüsseltechnologien forcieren

Viele Schlüsseltechnologien sind bereits erprobt und werden im Rahmen von Demonstrationsprojekten durch die Politik finanziell gefördert. Nun müssen die Unternehmen den nächsten Schritt gehen und diese Technologien zur großvolumigen Anwendung bringen. Für Deutschland ergibt sich daraus die Chance einer internationalen Technologieführerschaft, insbesondere im Anlagenbau.

Mit einem klugen Instrumentenmix zur Klimaneutralität

Damit Deutschland klimaneutral wird und seine Wirtschaft prosperiert, braucht es einen durchdachten Mix von Instrumenten entlang der gesamten industriellen Wertschöpfungskette.

Der Industriesektor ist auf den sicheren Zugang zu ausreichend grüner Energie und CO2-armen Rohstoffen zu wettbewerbsfähigen Preisen angewiesen (upstream). Hierfür sind Maßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien und des Kohleausstiegs erforderlich. Für Technologien wie CCU/CCS und eine in höherem Maße zirkuläre Wirtschaft bedarf es der internationalen Zusammenarbeit.

Bei der Produktion (midstream) werden geeignete ökonomische Rahmenbedingungen benötigt, um die Wettbewerbsfähigkeit bestehender Produktionsverfahren zu gewährleisten und Carbon Leakage, d. h. die Verlagerung der Produktion in Länder mit weniger strenger Umweltgesetzgebung, zu vermeiden.

Da nachhaltig erzeugte Produkte aufgrund höherer Kosten derzeit noch nicht ausreichend nachgefragt werden, muss auch bei den Absatzmärkten (downstream) nachjustiert werden. Hierfür müssen für jeden Sektor differenziert ausgestaltete Anreize und Vorgaben geschaffen werden, wie beispielsweise eine nachhaltige öffentliche Beschaffung, steuerliche Vorteile und die Sicherstellung einer hohen Recyclingfähigkeit.

Auf übergeordneter Ebene ist zudem durch zusätzliche Maßnahmen sicherzustellen, dass auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) auf dem Weg in die Klimaneutralität weiterhin erfolgreich wirtschaften können.

Jetzt ist die Politik ist am Zug: Empfehlungen für politisches Handeln

Die angestrebte Klimaneutralität verlangt von allen Wirtschaftsregionen weltweit eine massive Transformationsanstrengung. Die deutsche Industrie kann hier eine führende Rolle spielen – wenn die Bundesregierung die notwendigen Rahmenbedingungen schafft. Die folgenden zwölf Handlungsempfehlungen an die Bundespolitik sollen aufzeigen, wie Deutschland klimaneutral werden, die internationale Transformation vorantreiben und zugleich die Basis für seinen wirtschaftlichen Erfolg sichern kann.

  1. Ausreichendes und verlässliches Angebot an Erneuerbaren Energien schaffen
  2. International wettbewerbsfähige Stromkosten für die deutsche Industrie sichern
  3. Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft national und europäisch vorantreiben
  4. Aufbau einer zirkulären Wirtschaft international beschleunigen
  5. Akzeptanz für CCS-Technologien stärken und Aufbau einer CO2-Infrastruktur forcieren
  6. CO2-Bepreisung wirksam weiterentwickeln (Emissionshandel, Abgaben und Umlagen)
  7. Breite Anwendung von Schlüsseltechnologien durch Contracts for Difference (CFDs) vorantreiben
  8. Forschung & Innovation sowie Effizienztechnologien zielgerichtet fördern
  9. Nachfrage nach klimaneutralen Produkten durch Anreize und Rechtssetzung ankurbeln
  10. Level Playing Field für kleine und mittlere Unternehmen ermöglichen
  11. Chancen der Transformation ergreifen – gezielt Exportmärkte erschließen
  12. Klimaneutralität ins Zentrum des Regierungshandelns stellen und die politische Steuerung modernisieren

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Studie

Klimaneutralität 2050: Die Industrie braucht entschlossenes politisches Handeln

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Deutschland will bis 2050 klimaneutral sein. Für die Industrie bedeutet dies eine Kraftanstrengung. Für den Erfolg bedarf es der richtigen Rahmenbedingungen.

Veröffentlicht März 2021. Vorhanden in
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