Lieferkettengesetz: Wie sich Unternehmen jetzt am besten vorbereiten
Von Christian Böhler
Aktualisiert im Februar 2022
Schon in diesem Jahr sollten die Testläufe für das geforderte Reporting und Lieferanten-Monitoring starten
Globale Lieferketten bescheren vielen Weltregionen, aber auch in Deutschland beheimateten Unternehmen große Effizienzvorteile und Wachstumschancen. Doch nicht immer werden soziale Mindeststandards ausreichend beachtet. So leisten derzeit weltweit allein rund 25 Mio. Menschen Zwangsarbeit, 75 Mio. Kinder schuften unter ausbeuterischen Bedingungen.
Das Lieferkettengesetz, auch als Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) bekannt, soll diesem Missstand ein Ende setzen, indem es Menschenrechtsverstöße wie Zwangs- und Kinderarbeit, Sklaverei, gesundheitsschädliche und unsichere Arbeitsbedingungen sowie Diskriminierung durch Dumpinglöhne oder Ungleichbehandlung unter Strafe stellt.
Im Januar 2023 wird das Regelungswerk in Kraft treten – zunächst für größere Firmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden. Unternehmen bleibt also nicht mehr viel Zeit, um sich auf die neue Rechtslage einzustellen.
Due Dilligence für die Supply Chain
Die Umsetzung des Lieferkettengesetzes stellt die zunächst betroffenen 600 Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden vor große Herausforderungen. Ihnen bleiben nur noch knapp elf Monate Zeit, sich mit den umfangreichen Vorgaben auseinanderzusetzen und die Voraussetzungen für eine gesetzeskonforme Lieferkette zu schaffen. Ab 2024 fallen auch Firmen ab 1.000 Mitarbeitenden unter das Gesetz. Auch für sie heißt es dann, die gesamte Supply Chain verantwortlich zu gestalten – vom Rohstoff bis zum fertigen Verkaufsprodukt.
Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass Unternehmen
- eine Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte verabschieden und öffentlich zugänglich machen müssen. In der Erklärung ist zu beschreiben, mit welchen Prozessen die Umsetzung des Lieferkettengesetzes sichergestellt werden soll. Außerdem müssen die jeweils spezifischen Menschenrechts- und Umweltrisiken nach bestimmten Vorgaben beschrieben werden.
- Zweitens ist ein umfassendes Risikomanagementsystem zu etablieren. Dieses muss jährlich aktualisiert und in die jeweiligen Geschäftsprozesse wie etwa die Lieferantenauswahl integriert werden. Im Rahmen einer Risikoanalyse müssen mögliche nachteilige Auswirkungen auf die Menschenrechte identifiziert und Gegenmaßnahmen benannt werden.
- Unternehmen verpflichten sich außerdem, einen Beschwerdemechanismus einzurichten und einen in Deutschland ansässigen Verantwortlichen zu benennen.
- Die umfangreichen Dokumentationspflichten sehen unter anderem einen jährlichen, öffentlich zugänglichen Bericht vor, in dem Unternehmen identifizierte Risiken in ihrer Lieferkette, Gegenmaßnahmen und Implikationen für künftige Aktivitäten beschreiben.
- Im Falle einer Verletzung im eigenen Geschäftsbereich sind unverzüglich Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, die zwingend zur Beendigung der Verletzung führen. Zudem müssen weitere Präventionsmaßnahmen eingeleitet werden. Lässt sich die Verletzung beim unmittelbaren Zulieferer nicht in absehbarer Zeit beenden, muss ein konkreter Plan zur Minimierung und Vermeidung erstellt werden.
Bei Verstößen drohen hohe Strafen
Kontrolliert wird die Einhaltung des Gesetzes vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Es überprüft die Unternehmensberichte und geht Beschwerden nach. Bei Versäumnissen oder Verstößen kann es Bußgelder verhängen oder Unternehmen von der öffentlichen Beschaffung ausschließen. Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 400 Mio. Euro müssen bei Nichtbeachtung bis zu 2 Prozent des Umsatzes als Strafe zahlen, kleinere Firmen zwischen 100.000 und 800.000 Euro.
Von Menschenrechtsverletzungen Betroffene sind vor deutschen Gerichten klageberechtigt, sie können außerdem Beschwerde beim BAFA einreichen. Zusätzlich dürfen in Deutschland ansässige Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Gewerkschaften im Namen von ausländischen Betroffenen Klagen und Beschwerden einreichen.
Dabei sollten Unternehmen wissen, dass der Fokus des Lieferkettengesetzes auf direkten Menschenrechtsverletzungen liegt. Umweltgesichtspunkte spielen nur indirekt eine Rolle, und zwar dann, wenn die Gesundheit oder Sicherheit von Menschen gefährdet sind. Insofern können auch Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung oder ein hoher Wasserverbrauch, der die Lebensmittelherstellung oder die Sicherheit der Trinkwasserversorgung vor Ort gefährdet, ein Klagetatbestand sein.
Tier 1, Tier 2: Welche Lieferanten sind betroffen?
Die Anforderungen an die Unternehmen sind nach den unterschiedlichen Stufen in der Lieferkette (eigener Geschäftsbereich, unmittelbarer Zulieferer, mittelbarer Zulieferer) und nach Art und Umfang der Geschäftstätigkeit, dem Einflussvermögen des Unternehmens auf den unmittelbaren Verursacher der Verletzung sowie der typischerweise zu erwartenden Schwere der Verletzung abgestuft.
Was heißt das?
Im eigenen Geschäftsbereich und bei einem unmittelbaren Zulieferer (Tier 1) muss eine vertragliche Zusicherung über die Achtung der Menschenrechte vorliegen. Auch die entsprechenden Kontrollmechanismen sind vertraglich festzulegen. Unternehmen müssen Trainings und Entwicklungsprogramme anbieten und mindestens einmal jährlich eine Risikoanalyse erstellen.
Mittelbare Zulieferer (Tier 2 und folgende) werden lediglich passiv überwacht, d.h. es gibt institutionalisierte Beschwerdeprozesse für interne und externe Stakeholder wie Whistleblower, betroffene Beschäftigte und NGOs.
Die Zeit drängt: Was Unternehmen jetzt in Angriff nehmen sollten
Auch wenn das Gesetz durch viele eher vage Formulierungen großen Spielraum für Interpretationen lässt und nicht alle Unternehmen in gleichem Umfang betroffen sind: Das laufende Jahr sollten Firmen zur Vorbereitung nutzen. 2022 bleibt dann genügend Zeit für entsprechende Testläufe, bevor die Regelungen im Januar 2023 in vollem Umfang greifen.
Die beste Grundlage für das geforderte Risikomanagement liefert ein schonungsloser Check-up der gesamten Lieferkette. So sollten alle Zulieferer auf ihr Gefahrenpotenzial hin überprüft werden: In welchen Ländern sind sie aktiv? Wie hoch ist der Anteil manueller Arbeit in der Wertschöpfung? Durch wen wird diese Arbeit erbracht? Könnte Kinderarbeit im Spiel sein? Wie ist es um Menschenrechtsverletzende Umweltrisiken bestellt?
Sind mögliche Risiken identifiziert, kann eine Liste kritischer und unkritischer Zulieferer erstellt werden. Mit Unternehmen, die als kritisch eingeschätzt werden, sollte gemeinsam eine Strategie für das weitere Vorgehen abgestimmt und umgesetzt werden. Die genannten Punkte sind außerdem in den künftigen Lieferantenauswahl- und Risikomanagementprozesses zu integrieren.
Außerdem müssen die Unternehmen die organisatorischen Voraussetzungen und internen Abläufe für das gesetzlich geforderte Reporting und Lieferanten-Monitoring schaffen. Wir empfehlen, die interne und externe Kommunikation spätestens im kommenden Jahr testweise durchzuspielen.
Die Liste der weiteren anstehenden Aufgaben ließe sich lange fortsetzen: Sie reicht von der Benennung eines in Deutschland ansässigen Verantwortlichen und der Organisation regelmäßiger Managementmeetings bis hin zur Information der Mitarbeitenden und ihrer Unterstützung bei der Umsetzung.
Die Aufzählung zeigt: Mit dem Lieferkettengesetz kommt viel Arbeit auf die Unternehmen zu. Höchste Zeit, jetzt mit der Vorbereitung zu starten.
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