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Logistik: Resilient liefern

Logistik: Resilient liefern

9. April 2021

Resiliente Lieferketten – Chancen für die Logistik

Das Logistik-Ökosystem verändert sich – Motor dafür ist ein weltweiter, wirtschaftlicher Wandel, lauter werdende Forderungen nach Nachhaltigkeit und nicht zuletzt die Corona-Pandemie. Kunden verlangen eine gewohnt effiziente Logistik mit mehr Sicherheit, Flexibilität und Kalkulierbarkeit bei den Lieferketten. Um zukünftig erfolgreich zu bleiben, müssen Logistikunternehmen auf diese neuen Ansprüche reagieren und maßgeschneiderte End-to-End-Lösungen anbieten sowie durch robuste , kundengerechte Dienstleistungen in der Lage sein, Unterbrechungen der Lieferketten entgegenzuwirken.

Seit Jahrzehnten wird der weltweite Handel durch internationale Lieferketten angetrieben. Global integrierte Liefer- und Produktströme haben für ein noch nie dagewesenes Maß an Effizienz, Spezialisierung und internationale Arbeitsteilung gesorgt und so das Bild der Weltwirtschaft verändert. Entstanden ist eine erfolgreiche und leistungsfähige, weltweite Logistikbranche , die dieses Modell unterstützt und das Rückgrat der Weltwirtschaft bildet.

Während all dies nach wie vor Bestand hat entstehen jedoch neue Schwerpunkte. Themen, wie wachsender Protektionismus, der gesellschaftliche Druck, nachhaltiger zu produzieren, und die Corona-Pandemie forcieren die Entwicklung in eine Richtung, die weg von der Globalisierung und hin zu eher lokalen oder regionalen Lieferketten führt. Das hat zur Folge, dass Unternehmen heute anpassungsfähigere, widerstandsfähigere und flexiblere Logistikdienstleistungen fordern – kurz: eine resiliente Logistik. Was aber bedeutet dieses neue Konzept für die Logistikanbieter und wie können diese davon profitieren?

Der Trend zur resilienten Logistik

Die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, dass globale Lieferketten anfällig für Unterbrechungen sind und deshalb für international stark vernetzte Unternehmen, die auf eine sichere und kontinuierliche Logistik angewiesen sind, ein erhöhtes Risiko darstellen. Dafür gibt es vier Hauptgründe:

Wachsender Protektionismus:

Weltweit ist eine Zunahme an Handelskonflikten und an plötzlich auftauchenden neuen Handelsschranken zu verzeichnen. Der jüngste Handelsstreit zwischen den USA und China hatte besonders starke Auswirkungen – mit dem Ergebnis, dass beide Länder sich neuen Partnern in der Europäischen Union beziehungsweise in Südostasien zugewandt haben. Andere politische Veränderungen, wie der Austritt Großbritanniens aus der EU, haben zum Near-Sourcing-Trend beigetragen.

Häufigeres Auftreten von Naturkatastrophen:

Wetter- und Naturkatastrophen können Produktionsprozesse und Transportwege unterbrechen und sich damit negativ auf nachgelagerte Branchen auswirken, die von Zulieferungen abhängig sind. Zum Beispiel ergab eine 2018 durch Resilinc durchgeführte Untersuchung zu Unterbrechungen von Lieferketten, dass Wetterextreme die absolut stärksten Auswirkungen haben.

Nachhaltigkeitsverpflichtungen:

Nachhaltigkeitsthemen aus den sogenannten ESG-Bereichen (Environment, Social, Governance) spielen heute eine wichtige Rolle beim unternehmerischen Handeln. Kurzfristige Produktionsstopps aufgrund von Arbeitsrechtsverletzungen oder Umweltschutzbelangen können dazu führen, dass sich Firmen ohne jede Vorwarnung mit Lieferausfällen konfrontiert sehen, die ihre Geschäftsprozesse gefährden. Die zivilgesellschaftliche und rechtliche Kontrolle von global aktiven Unternehmen nimmt ständig zu, zum Beispiel sind auf EU-Ebene und in einzelnen Ländern, wie Deutschland, Lieferkettengesetze im Gespräch. Diese sollen Unternehmen beispielsweise bei menschenrechtlichen Belangen in ihren vorgelagerten Lieferketten in rechtliche Verantwortung nehmen.

Covid-19:

Die Corona-Pandemie hat den internationalen Handel enorm getroffen und macht dabei deutlich, wie krisenanfällig globale Lieferketten sind. Die Welthandelsorganisation schätzt, dass das globale Handelsvolumen 2020 um 9,2% im Vergleich zum Vorjahr abgenommen hat. Als Folge davon ist es für Unternehmen sehr viel schwieriger geworden, die richtige Balance von Angebot und Nachfrage zu finden und Beschaffung und Lagerhaltung vorausschauend zu gestalten. Dabei ist davon auszugehen, dass Corona-Lockdowns und auch ähnliche „Unterbrechungen“ durch andere globale Krisen in Zukunft ein wiederkehrender Bestandteil des Wirtschaftslebens sein werden.

Als Ergebnis der ersten drei dieser umwälzenden Entwicklungen entsteht eine globale Wirtschaft, die schneller wächst als der internationale Handel und die einen Wandel hin zur Lokalisierung oder vielmehr zur sogenannten Glokalisierung erfährt. Covid-19 hat diesen Prozess noch beschleunigt – mit substanziellen Folgen für die Logistikbranche.

Das Bewusstsein für die inhärente Anfälligkeit von globalen, integrierten Lieferketten ist geschärft und Unternehmen arbeiten aktiv an der Neujustierung ihrer Logistikstrategien, um die Risiken besser kontrollieren zu können. Einfach ausgedrückt: Die Schaffung von resilienten, verlässlichen Lieferketten ist zu einem zentralen Aspekt des unternehmerischen Handelns geworden.

Was Kunden von einer resilienten Logistik erwarten

Die beschriebenen Entwicklungstrends sorgen für eine Nachfrageverschiebung. Unternehmen erwarten von ihren Logistikanbietern ein noch höheres Maß an Transparenz, Flexibilität und Sicherheit für ihre Lieferungen, einschließlich End-to-End-Digitalisierung und integrierten Lösungen für die Steuerung von logistischen Abläufen. Bei Industriefirmen und anderen großen Unternehmen ist die Sicherheit von Lieferketten längst von einer ehemals operativen Aufgabe zu einem strategischen "CEO"-Thema geworden. In einer 2020 durchgeführten Umfrage des Marktforschungsunternehmens Dimensional Research gaben Logistikmanager an, dass das schnelle Reagieren auf Unterbrechungen in den nächsten zwei Jahren zum wichtigsten Aspekt beim Thema Lieferketten werden wird.

Das Logistik-Ökosystem wird sich anpassen und flexibler, nachhaltiger und stärker integriert werden müssen. Wir rechnen mit verschiedenen Verschiebungen in den Value Pools zugunsten von resilienteren Lieferketten. Erstens werden Unternehmen Akzente von der Just-in-Time-Belieferung hin zur Lagerhaltung verschieben. Zweitens werden Lieferketten „glokalisierter“ und weniger international, um regulatorische Risiken zu minimieren. Drittens werden Hersteller ihre derzeitigen Logistik- und Lagernetzwerke neu bewerten. Viertens wird es einen Wechsel zu einem proaktiveren Supply-Chain-Management geben, das geprägt ist von Transparenz, Echtzeitkontrolle und differenzierten Prognosemöglichkeiten. Und schließlich wird der Markt zunehmend bereit sein, für resiliente Dienstleistungen auch einen höheren Preis zu zahlen.

Wie Logistikanbieter den geänderten Anforderungen gerecht werden können

Was bedeutet dies alles für Logistikunternehmen? Sie müssen sich ebenfalls anpassen. Die meisten orientieren sich bereits neu und lenken ihren Schwerpunkt weg von besonders hoher Kosteneffizienz (Just-in-Time-Lieferungen) hin zu einem breiteren, resilienteren Ansatz, der die Effizienz im Blick behält und gleichzeitig die Kundennachfrage nach anpassungsfähigen, widerstandsfähigen und flexiblen Dienstleistungen erfüllt. Um eine gelungene Balance zwischen beiden Zieldimensionen zu erreichen, empfehlen wir, folgende drei Hauptbereiche zu priorisieren:

  • Überdenken des derzeitigen Portfolios: Wachsende „Glokalisierung“ bedeutet höchstwahrscheinlich weniger Nachfrage nach (interkontinentalem) Güterfernverkehr. Logistikunternehmen sollten deshalb ihr Angebot dieser sich ändernden Nachfrage anpassen und zum Beispiel auch „die erste und die letzte Meile“ – die Warenabholung und -zustellung – abdecken.
  • Stärkere Integration: Die Rolle der Logistikanbieter wird sich voraussichtlich weiter in Richtung 4PL- (oder sogar 5PL-) Provider entwickeln, der sämtliche Transportprozesse übergreifend und datenbasiert verwaltet und steuert. Ein detailliertes Verständnis der Kundenbedürfnisse ist unerlässlich, um dieser Rolle gerecht zu werden Der Anbieter muss sein Geschäftsmodell neu ausrichten und sich ggf. auf bestimmte Verticals fokussieren. Eine gute Kommunikation, bei der der Kunde als strategischer Partner angesehen wird, erleichtert die Prognose der Nachfrage.
  • Digitalisierung: Investitionen in eine digitale Infrastruktur, einschließlich der beiden wichtigsten Hebel – künstliche Intelligenz und Automatisierung – tragen entscheidend dazu bei, das von Kunden erwartete Maß an Resilienz, Transparenz und Vorhersagbarkeit anbieten zu können. Ebenfalls unverzichtbar ist eine nahtlose Integration mit der Kunden-IT zur Realisierung von Informationsflüssen in Echtzeit.

Umsetzung einer resilienten Logistik

Resiliente Logistik-Provider bieten nicht nur stärkere Transparenz, Flexibilität und Vorhersagbarkeit, sie reagieren auch schnell auf Unterbrechungen, minimieren deren Auswirkungen und sorgen so für robuste Supply-Chain-Prozesse. Um dieses Servicelevel zu erreichen, müssen sich die Anbieter auf drei Haupt-Geschäftssäulen konzentrieren, wobei die Kundenbedürfnisse besonders zu beachten sind:

Gute Zukunftsaussichten für die Early Adopter der resilienten Logistik

Anbieter, die frühzeitig auf eine resiliente Logistik setzen, können in Zukunft von erheblichen Vorteilen profitieren. In unseren Augen werden Logistik-Unternehmen langfristig zu strategischen, integrierten Partnern ihrer Kunden werden und nicht länger nur externe Lieferanten sein.

In diesem Modell wird der Logistik-Anbieter zu einem Hauptakteur in den internen und externen Supply-Chain-Prozessen des Kunden, der sich reibungslos in dessen betriebliche Prozesse einfügt. Infolgedessen werden sich Kunden künftig stärker auf nur noch einen "Lead-Logistiker" (oder eine kleine Gruppe von Anbietern) fokussieren, deren Hauptaufgabe darin besteht, die Lieferketten des Kunden durch Transparenz und Flexibilität abzusichern und gesamthaft zu steuern.

Dies wird zwar die Gewinnung neuer Kunden erschweren, da deren Anforderungen komplexer und individueller sein werden und weil – aufgrund der strategischen Bedeutung – potenzielle Logistikanbieter gründlicher geprüft werden. Auf der anderen Seite werden Vertrags und Kundenbeziehungen auch viel beständiger sein. Einmal an Board, werden Anbieter eine entscheidende und fest integrierte Rolle bei den Kundenabläufen spielen. Dies erhöht die finanziellen und operativen Kosten für einen Anbieterwechsel und legt den Grundstein für langanhaltende Geschäftsbeziehungen.

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Senior Partner
Dubai Office, Mittlerer Osten
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