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Mehr Umsatz mit ultrafrischen Lebensmitteln

Mehr Umsatz mit ultrafrischen Lebensmitteln

27. Juli 2024

Warum Super- und Hypermärkte auch in Krisenzeiten nicht auf Bedientheken und Handelsgastronomie verzichten sollten

Trotz anhaltender Inflationsgefahr und zurückhaltenden Verbrauchern bleibt das Ultrafrischsortiment wichtig für den langfristigen Erfolg von Super- und Hypermärkten. Wer darauf verzichtet, verliert mittelfristig ein hochwertiges Kundensegment – und damit einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil gegenüber Discountermärkten.

Sortimentstiefe und -breite, Regionalität und Nachhaltigkeitsaspekte müssen mit den Präferenzen der Stammkunden in der jeweiligen Region übereinstimmen, in der das Geschäft betrieben wird.

Der Lebensmittelhandel steckt in einer tiefen Krise: Zum ersten Mal seit langem verzeichnen Händler europaweit reale Umsatzrückgänge. Auch wenn sich die aktuellen Verwerfungen zweifellos auf die Preissteigerungen im Zuge des Ukrainekriegs und die gesunkene Kaufkraft der Verbraucher zurückführen lassen, ganz neu ist die Dynamik nicht: Über die letzten zehn Jahre hinweg hat die Besucherfrequenz in den europäischen Supermärkten und Discountern kontinuierlich abgenommen – durchschnittlich um 1,6 Prozent pro Jahr.

Vielerorts wurde dieser Rückgang nicht ausreichend beachtet. Die allermeisten Händler konnten die rückläufigen Shopping-Trips lange Zeit durch einen höheren Umsatz pro Einkauf (+2,2% CAGR pro Jahr) auffangen. Im aktuellen Marktumfeld wird dies jedoch immer schwieriger. Die Kunden kaufen vorsichtiger und lassen im Zweifel hochpreisigere Produkte liegen.

Viele stationäre Händler stehen deshalb vor einer existenziellen Herausforderung: Schaffen sie es nicht, den Negativtrend bei den Supermarktbesuchen zu stoppen, geraten die Umsätze weiter unter Druck. Weniger Shoppingtouren bedeutet weniger Kundenkontakt und Loyalität und damit weniger Differenzierungsmöglichkeiten gegenüber Online-Anbietern und Discountern.

Um dem sinkenden Frequenztrend entgegenzuwirken, werden bereits verschiedene Ansätze erprobt. Zu den am stärksten diskutierten zählt der Aufbau von Online-Bestellmöglichkeiten (mit anschließender Abholung im Supermarkt), neue Marketingoffensiven sowie Steigerung der Werbeaktivitäten oder neue Kundenbindungssystemen. Alle Vorstöße haben ihre Berechtigung. Ein wichtiger Kundenmagnet wird allerdings systematisch unterschätzt: die Warengruppe der ultrafrischen Lebensmittel (vor allem Fleisch, Wurst, Käse, Fisch).

Besonders aufschlussreich ist diesbezüglich der direkte Vergleich zwischen Selbstbedienungskunden (SB-Kunden) und sogenannten Hybrid-Kunden. Letztere kaufen nicht nur regelmäßig an der Bedientheke und im Handelsgastronomiebereich ein, sie besuchen die Einkaufsstätte im Schnitt 50-mal öfter pro Jahr. Das Ergebnis: Hybrid-Kunden generieren in der Summe rund 1.200 EUR an zusätzlichem Umsatz pro Jahr (+30%).

Kundenbefragungen bestätigen darüber hinaus die Bedeutung von ultrafrischen Lebensmitteln. So sind neben günstigen Preisen für das Gros der Verbraucher hauptsächlich eine große Auswahl und die Produktqualität von Lebensmitteln das wichtigste Entscheidungskriterium. Untersuchungen zeigen außerdem, dass die „wahrgenommenen Auswahlmöglichkeiten“ sehr stark mit der Sichtbarkeit von ultrafrischen Lebensmitteln korrelieren. Ein Mehrangebot an Fleisch, Fisch, Wurst und Käse an den Bedienungstheken schlägt demnach ein Mehr an Sortimentstiefe in den Kühlregalen. Super- und Hypermärkte, die ihr Potenzial im Bereich Qualität und Frische nicht ausschöpfen, verzichten freiwillig auf diesen wichtigen Wettbewerbsvorteil.

Natürlich können Super- und Hypermärkte durch ihre systemimmanenten Kostenstrukturen ihre Preise nicht auf Discounterniveau absenken, ohne an Profitabilität einzubüßen. Ein Preiskampf im Eckartikelsortiment lässt sich schon allein wegen der deutlich höheren Personalkosten (5-10%) nicht refinanzieren. Und falls es doch gelingen würde, Boden zu Discountern gut zu machen, ginge dies stark zu Lasten von Innovation und Investitionen – dem mitunter wichtigsten Alleinstellungsmerkmal von Super- und Hypermärkten. Aufwändige Restrukturierung und Investitionsmittelfreisetzung sind dann fast unvermeidlich.

Der Business-Case für die Ultrafrischen: Mehr Shoppingtrips, mehr Kundenloyalität, mehr Umsatz

Mit einem erfolgreichen Konzept für ultrafrische Lebensmittel können im ersten Schritt vor allem reinen SB-Bestandskunden zu hybriden Frische-Kunden weiterentwickelt werden. Unsere Erfahrung zeigt: Ein Umsatzanteil von 12 Prozent für Bedienungstheke und Handelsgastronomie liegt eher im unteren Bereich des Zielkorridors. Überzeugt der Händler hingegen mit zielgenauen Warengruppenkonzepten, so ist erfahrungsgemäß mit einem 20-prozentigem Substitutionseffekt im SB Sortiment zu rechnen. Daraus ergibt sich ein standortspezifisches Umsatzsteigerungspotential von mindestens 10 Prozent. Mögliche Abstrahleffekte auf andere FMCG-Kategorien sind hier noch nicht berücksichtig. Genauso wenig wie die Steigerung der Shopping-Trips insgesamt und die dadurch wachsende Wettbewerbsdifferenzierung und Kundenloyalität.

Oft vergessen wird außerdem: Theken- und Gastro-Produkte werden tendenziell weniger von Markenartikel-Herstellern getragen, sondern stammen häufig von kleineren und/oder regionalen Lieferanten. Wer auf sie setzt, reduziert deshalb automatisch seine Lieferantenabhängigkeit und erhöht seine Sortimentsvielfalt. Kurz: Die Händler schaffen die Markenidentität an der Bedientheke und in der Handelsgastronomie vornehmlich selbst. Aus Händlersicht ein nicht zu unterschätzender Vorteil – gerade in Zeiten eines sich zuspitzenden Konflikts mit den Herstellern über gestiegene

Die aktuell angespannte Situation im Lebenshandel erschwert die Umsetzung von „Ultrafrische“-Konzepten. Trotzdem wäre es ein Fehler, wenn Händler das Potenzial in diesem Segment nicht voll ausschöpfen. Aus unserer Sicht sind vor allem drei Voraussetzungen für eine erfolgreiche „Ultrafrische“-Strategie wichtig.

  1. Profitabilität erhöhen: Gerade vor dem Hintergrund des sich verstärkenden Preiskampfes wäre es ein Fehler, Rentabilitätserwägungen außen vor zu lassen. Die gute Nachricht: Aus unserer Erfahrung lässt sich die Flächenproduktivität an der Frischtheke und in der Handelsgastronomie mit einem breit geschnürten Maßnahmenpaket um 25 Prozent erhöhen. Zu den wichtigsten Maßnahmen zählen: die optimale Planung der Bedarfsflächen (im rückwärtigen Bereich sowie im Servicebereich), die Nutzung hybrider Verkaufsmöbel, die Optimierung der Thekentiefen sowie eine adäquate Mitarbeiterschulung (u.a. zur Abfallreduzierung).
  2. Individuelle Kundenbedürfnisse berücksichtigen: Erfolgreiche Konzepte schaffen es, ihr Warenangebot an den Frischtheken und in der Handelsgastronomie dezidiert an den standortspezifischen Kundenbedürfnissen auszurichten. Das beutet: Sowohl die Sortimentstiefe und -breite als auch die Regionalität und der Nachhaltigkeitsaspekt müssen landesindividuell im Einklang mit den Vorlieben der jeweiligen Kernkundschaft stehen. Nur so gelingt es den Händlern den so wichtigen regionalen und lokalen Bezug herzustellen und die Loyalität auf Verbraucherseite zu erhöhen. In den meisten Fällen hat sich hierbei folgender Sortiment-Mix bewährt: 70 Prozent national , 30 Prozent regionalen, 20 Prozent lokal.
  3. Best-in-Class-Anspruch erfüllen: Ultrafrische Lebensmittelangebote haben nur eine Chance auf Erfolg, wenn sie sich klar von Billig-Angeboten abheben. Dies gilt sowohl für die Standortauswahl, die Planung der Warengruppen sowie den gesamten Prozess- und Beratungsablauf (Thekentechnik, Waagsysteme, Preisauszeichnung, Mitarbeiterschulung). Die Frische und Qualität der Produkte sollte immer höchste Priorität haben.

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