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Mit Shakespeare auf die Bühne

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München Office, Zentraleuropa
1. Februar 2023

Wie Shakespeares Charaktere Führungskräften helfen können, ihre Rollen gut zu spielen

Artikel

von Geoff Poulton
Illustrationen von Thomas Cian

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William Shakespeare war ein Meister der Bühnenkunst. Führungskräfte können sich bis heute viel von ihm abschauen. Lassen wir Schauspieler erzählen, welche Lehren der große Dichter für die Unternehmenswelt bereithält.

Vor mir ein pixeliges Bild, auf dem Laptop Ben Walden, er ist Hunderte Kilometer weit entfernt. Dennoch strahlt er eine ungeheure Präsenz aus. Seine Stimme ist klar, verbindlich und variiert gekonnt die Tonlagen. Keine „Ähs“, keine „Mhs“, keine unpassenden Pausen. Teilnehmer von Zoom-Konferenzen verlieren allzu schnell den roten Faden, wenn die Gedanken abschweifen. Aber Ben Walden erzeugt Aufmerksamkeit, erzählt Geschichten und zieht mich in seinen Bann: „Heinrich hat einen Plan: Er will den Hafen von Harfleur erobern, nach Paris einmarschieren und am Weihnachtstag gekrönt werden“, erzählt er, hält kurz inne und fixiert mich mit festem Blick. „Er stellt aber bald fest, dass er unterfinanziert ist und die Zeit nicht reicht. Ihm wurde ein völlig unrealistisches Ziel gesetzt. Die Sache wird zum ultimativen Test seiner Führungsqualitäten.“

Eine Illustration des Dramatikers William Shakespeare, umgeben von einer Reihe seiner Figuren.
BESETZUNGSLISTEN: Shakespeares Analyse universeller Wahrheiten dient als Inspiration für alle, die das Wesen der menschlichen Interaktion verstehen wollen.

Es hilft natürlich, dass Waldens Geschichte von William Shakespeare geschrieben wurde. Es hilft aber auch, dass Walden ein erfahrener Schauspieler ist. Er war regelmäßig im britischen Fernsehen zu sehen und trat im Londoner West End auf, seine jahrzehntelange Erfahrung macht ihn zu einem fesselnden Kommunikator. Heute leitet Walden Workshops bei Olivier Mythodrama. Das Unternehmen wurde Ende der 1990er-Jahre in London von Richard Olivier gegründet, Sohn des berühmten Schauspielers Laurence Olivier. In Workshops werden Wirtschaftsführern Einsichten und Techniken aus dem Schauspiel, der Psychologie und aus Shakespeares Dramen vermittelt. Die von Walden skizzierte Szene zum Beispiel entstammt Heinrich V., die Erzählung steckt voller Lektionen für moderne Führungskräfte.

In einem typischen Workshop, persönlich oder online, bekommen Teilnehmer zunächst einen Überblick über das Drama, als Bezugsrahmen für das Erkunden von Zielsetzungen, Visionen und Motivationen. So verbessern sie ihre emotionale Intelligenz und Kommunikationsfähigkeiten. Während etwa Heinrich V. im Zuge des Hundertjährigen Krieges darüber nachdenkt, wie er die viel größere französische Armee bei Agincourt besiegt, reden die Manager darüber, wie man mit Angst und Unsicherheit umgeht, Zweifel in Inspiration verwandelt und wie wichtig das Teilen von Verantwortung für den Erfolg einer Vision ist.

Welche Rolle ist Ihre?
William Shakespeares Erkundungen des Geistes bieten universelle Erkenntnisse, die bis heute gültig sind.

Heinrich V.: „Alles ist bereit, wenn unser Geist es ist.“

Allen Widrigkeiten zum Trotz überwindet Heinrich V. ein Attentat, besiegt die französische Armee und kehrt triumphierend nach London zurück, um die beiden Nationen zu vereinen. Das historische Stück ist vollgepackt mit Führungslektionen, vom Verkauf einer Vision bis zum Umgang mit Ängsten und Zweifeln trotz aller Widrigkeiten.

Julius Caesar: „In Zuversicht geht Eure Weisheit unter.“

Die ultimative Geschichte über Politik und Einfluss: Eifersüchtige Verschwörer ermorden Cäsar mithilfe seines Freundes Brutus – bevor sie selbst durch die Hand von Marcus Antonius umkommen. Zu den wichtigsten Themen gehören emotionale Intelligenz, Macht und die Welt der Organisationspolitik.

Der Sturm: „Die Vergangenheit ist Prolog.“

Die Überlebenden eines Schiffbruchs werden auf einer magischen Insel von Prospero und seinen Sklaven gequält, bevor sie in eine neue Art des Daseins eingeführt werden, das den Bedürfnissen der Zeit besser entspricht. Der Sturm bietet einen idealen Rahmen zur Erkundung unterschiedlicher Phasen des Veränderungsmanagements.

Hamlet: „Dies vor allem: Sei dir selbst treu.“

Hamlet wird vom Geist seines Vaters beauftragt, sich für dessen Ermordung zu rächen und den neuen König zu töten. Er denkt über Leben und Tod nach, täuscht Wahnsinn vor, das Ganze nimmt ein blutiges Ende; fast alle Hauptfiguren sterben. Das Stück thematisiert die Bedeutung von Entscheidungsprozessen und weisem Rat von außen.

Macbeth: „Was geschehen ist, ist geschehen.“

Drei Hexen verkünden dem schottischen Feldherrn Macbeth, er werde König. Von seiner Frau ermutigt, tötet Macbeth den König und besteigt den Thron. Von Schuldgefühlen geplagt, tötet er immer mehr Menschen, ein Bürgerkrieg bricht aus. Eine Tragödie über Ehrgeiz, Selbsterkenntnis und die Wahl des rechten Weges.

Führungskräfte können durch das Einbeziehen archetypischer Psychologie besser die zugrunde liegenden Charakteristika ihres Führungsstils verstehen – oder identifizieren, welche Qualitäten bei ihnen zu kurz kommen. Man kann zum Beispiel eher ein rationaler, strategisch denkender „Souveräner Typ“ sein oder ein zielstrebiger „Krieger“. „Die meisten Menschen sind eher geschickt im Planen und Ausführen, aber weniger gut in fantasievollen, emotionalen Bereichen“, erklärt Walden.

55% MIMIK: Wie sehr die erfolgreiche Kommunikation einer Botschaft von Körpersprache und Mimik abhängt.

Ein guter Geschichtenerzähler, der organisatorische Ideen für andere interessant macht, trägt viel dazu bei, Probleme gemeinsam zu lösen. Das mag sich ein wenig esoterisch anhören, aber die Kundenkartei von Olivier Mythodrama lässt erahnen, dass globale Top-Manager heute eine Menge aus der Welt des Theaters lernen können. Schließlich hat jeder im Wirtschaftsleben eine Rolle zu spielen. Und je höher die Führungsposition, desto mehr Rollen müssen Manager beherrschen, vom öffentlichen Redner über den Innovationsführer bis zum kühlen Entscheider und weisen Mentor.

Aber, wie Geoff Church sagt, es geht nicht darum, als Führungskraft zu schauspielern, sondern authentisch zu sein. Church ist Mitgründer und Co-Direktor von Dramatic Resources, einem britischen Unternehmen, das auf Theatertechniken zurückgreift, um die Geschäftskommunikation zu verbessern. „Gute Schauspieler leben eine Rolle, und ich denke, das gilt auch für Wirtschaftsführer. Sie müssen in verschiedene Rollen schlüpfen. Aber wenn sie es tun, ohne sich selbst einzubringen, kauft ihnen das niemand ab. Durch schauspielerische Fähigkeiten kann man lernen, sich selbst in eine Rolle einzubringen."

Bei mindestens 90 % unserer sozialen Interaktionen geht es nicht darum, was wir sagen, sondern wie wir es sagen. Davon ist Deborah Gruenfeld überzeugt, Professorin für Organisationsverhalten an der Stanford Graduate School of Business und Autorin von Acting with Power: Why We Are More Powerful Than We Believe. Das macht Dinge wie die Tonlage, Emotionen, Augenkontakt und die Körperhaltung so wichtig.

Church und seine Kollegen arbeiten mit einer ganzen Reihe von internationalen Kunden zusammen, von Banken bis zu gemeinnützigen Organisationen. Meist geht es um Themen wie Reden vor Publikum, Nervosität, Selbstbewusstsein und um einen besseren Umgang mit anderen. Das alles sind völlig normale Herausforderungen, sagt Church. „Aber Schauspieler haben eine Reihe von eingeübten Routinen, um damit umzugehen; sie können destruktive Anspannung in kreative Spannung umwandeln.“

38% STIMME: So stark hängt die erfolgreiche Übermittlung einer Botschaft von Tonfall und Stimmlage ab.

Für gute Schauspielerei ist außerdem entscheidend, wohin man seine Aufmerksamkeit lenkt. „Schauspieler lernen, ihre Aufmerksamkeit auf andere Darsteller und das Publikum zu richten. Nicht auf sich selbst“, sagt Church. „Denken Sie also darüber nach, was Sie Ihre Adressaten fühlen lassen wollen. Wollen Sie sie begeistern oder aufrütteln?“ Ebenso wichtig ist gute Beobachtung, sagt Christine Kelly, Dozentin für Management-Kommunikation an der MIT Sloan School of Management. „Schauspielübungen bringen die ganze Körperlichkeit zur Geltung. Der ganze Körper muss zuhören. Wenn Sie sich über Haltung, Augenkontakt und Gesten anderer bewusst werden, erspüren Sie Stimmungen – und tragen so zu einem besseren Umgang miteinander bei.“ In Kellys Kursen gründen Schüler Theatergruppen und bringen eigene Produktionen auf die Bühne. Die Arbeit inspiriert die Kommunikation und die Entscheidungsfindung im Team, hat Kelly beobachtet.

Die Schauspielschulen Olivier Mythodrama und Dramatic Resources haben Ende der 1990er-Jahre angefangen. Ben Walden und Geoff Church stellen heute fest, dass sich die Wünsche ihrer Kunden verändert haben. Die jüngste Massenbewegung ins Home-Office wegen der Corona-Pandemie birgt zusätzliche Herausforderungen. Aber Ben Walden hat mir ja bereits demonstriert, wie man schau- spielerische Fähigkeiten auch im virtuellen Büro von daheim aus einsetzen kann. „Ihre visuelle Darbietung sollte Intimität und Vertrauen zu Ihrem Publikum aufbauen“, erklärt Church. „Denken Sie darüber nach, wie Sie Emotionen durch fantasievolle Sprache oder verschiedene Kameraperspektiven beeinflussen können.“

Publikum, Umgebung oder Geschäftsfeld können den Erfolg der hier vorgestellten Techniken natürlich beeinflussen. Aber es gibt durchaus ein grundlegendes Prinzip, das Unternehmen und Organisationen im Hinterkopf behalten sollten. „Viele Menschen haben Angst davor, verwundbar zu sein und zu enthüllen, wer sie wirklich sind“, sagt Christine Kelly. „Als guter Schauspieler muss man aber gerade verletzlich sein und sich zeigen.“ Wenn Menschen das Risiko eingingen, mehr von sich selbst zu zeigen, könnten alle davon profitieren. „Die Geschäftswelt ist hier üblicherweise sehr konservativ“, hat Kelly beobachtet. „Aber wenn Sie es wagen, sich mehr zu zeigen, werden Sie ein besseres Arbeitsumfeld schaffen – und mehr Erfolg haben.“

Über den Autor
Portrait of Geoff Poulton
Geoff Poulton
Geoffs Artikel über Innovation und Nachhaltigkeit wurden vom Guardian, von der Times und der Deutschen Welle veröffentlicht. Er hat für globale Marken wie BMW und Airbus gearbeitet. Geoff lebte viele Jahre in Deutschland, danach in London, heute schreibt er am Meer in Cornwall.
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