Fundierte Beratung für die Energie- und Versorgungswirtschaft: den Wandel meistern, profitabel wachsen, Nachhaltigkeit steigern
Nachhaltigkeit und die sich entwickelnde Kreislaufwirtschaft
Von Emmanuel Fages, Hani Tohme und Claire Pernet
Warum Unternehmen ihre Geschäftsmodelle überarbeiten müssen
Die neuen gesellschaftlichen und ökonomischen Anforderungen lauten "Nachhaltigkeit" und "Minimierung des Ressourcenverbrauchs". Wird der Materialkreislauf effektiv gesteuert und werden Anreize geschaffen, lassen sich Stoffe und Materialien weitgehend wiederverwenden. Aktuelle technologische Entwicklungen, die Gesetzgebung und das Verbraucherverhalten begünstigen den Richtungswechsel hin zu einer Kreislaufwirtschaft. Damit tatsächlich Veränderungen erreicht werden, müssen die Unternehmen den Prozess jedoch frühzeitig einleiten und bereits beim Produktdesign, bei der Beschaffung und beim Verständnis des Verbraucherverhaltens ansetzen.
Warum eine Kreislaufwirtschaft?
Ziel einer Kreislaufwirtschaft ist es, Abfälle auf ein absolutes Minimum zu reduzieren und Ressourcen möglichst lange wiederzuverwenden. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie ihre aktuellen Geschäftsmodelle neu ausrichten müssen, um sie ökologisch nachhaltiger zu gestalten, wodurch sie schließlich auch ökonomisch nachhaltiger werden können.
Bei einer Neudefinition des Geschäftsmodells werden häufig die Grundsätze des Ökodesigns übernommen. Man steigt auf neue Materialien um oder beschafft Sekundärrohstoffe und plant für eine lange Lebensdauer oder eine Rückgewinnung am Ende des Lebenszyklus. Möglicherweise muss sich auch das Eigentumsmodell verändern, sodass Dienstleistungen anstelle von Produkten verkauft werden. Dies lässt sich beispielsweise dadurch erreichen, dass man wiederverwendbare Geräte fördert oder zuvor als Abfall betrachtete Stoffe in Werte verwandelt, wie das bereits bei Secondhand-Kleidung geschieht. Parallel dazu setzt man – begünstigt durch die veränderte Mentalität der jüngeren Verbrauchergeneration – eher auf Leasing als auf Verkauf. Auch bei Unternehmen wird das Leasing immer beliebter. Sie sind ohnehin bestrebt, ihre Bilanzen möglichst schlank zu halten.
Warum jetzt?
Aktuell gibt es drei Entwicklungen, die den Richtungswechsel hin zu einer Kreislaufwirtschaft begünstigen:
Erstens entstehen neue Technologien, die Einsparungsmöglichkeiten durch einen geringeren Verbrauch eröffnen. Bei einer Anwendung in größerem Maßstab lassen sich eventuell zusätzliche Kostensenkungen erzielen.
Inzwischen gibt es auch Alternativ- oder Komplementärlösungen zum konventionellen Recycling, wie die chemischen Recyclingverfahren von SABIC, MOV und Total. Auch Startups wie Carbios haben den Ehrgeiz, ihre Technologien – das Biorecycling – zu skalieren. Deshalb gelten sie derzeit bei Investoren als äußerst attraktiv. Carbios hat sein Kapital vor Kurzem um 105 Millionen Euro erhöht. Es sind immer mehr Materialien verfügbar, welche die üblichen Verpackungsmaterialien ersetzen können, wie PLA (Polylactid), PHA (Polyhydroxyalkanoate), organische Fasern und veganes Leder. Zudem ermöglicht die Digitalisierung die Rückverfolgung von wiederverwertbaren Materialien. Gleichzeitig schließen sich etablierte Unternehmen wie der Automobilhersteller Renault mit Startups zusammen, um profitable Nachhaltigkeitslösungen zu entwickeln. Auch multinationale Ölkonzerne haben das Feld für sich entdeckt und testen aus, wie sie ihr Know-how und ihre Kontrolle über die Rohstoffe nutzen können, um die Recyclingeffizienz zu maximieren (Total investiert z.B. in Pure Cycle, Aramco in gebrauchtes Speiseöl).
Zweitens ist das regulatorische Umfeld ausgereifter und stärker auf eine Kreislaufwirtschaft ausgerichtet. Zum Beispiel sehen wir eine zunehmende Akzeptanz des "Verursacherprinzips", das Unternehmen dazu verpflichtet, ihren Rohstoffen gebrauchte Stoffe beizumischen, und sie davon abhält, Einwegplastik und andere umweltschädliche Materialien zu verwenden. Wir beobachten auch, dass Rohstoffe und Kohlendioxidemissionen höher besteuert werden. In der Politik gibt es eine wachsende Unterstützung für mehr Nachhaltigkeit. Das belegen nationale Umsetzungspläne, der europäische Green Deal und die Förderung von "grünen Finanzierungen" (Green Financing).
Drittens sehen sich die Unternehmen mit einem steigenden Druck von Verbrauchern und Investoren konfrontiert. Die Verbraucher wehren sich gegen Produkte, die negative Auswirkungen auf die Umwelt haben. Das kann so weit gehen, dass ganze Marken oder Hersteller boykottiert werden. Umfragen belegen, dass 60% der europäischen Kunden im Alter von 18 bis 24 Jahren bereit sind, mehr Geld für Marken auszugeben, welche die Umwelt schützen. Sie zeigen auch neue Verhaltensweisen, indem sie z.B. Großmengen oder gebrauchte Waren kaufen. Investoren fürchten zunehmend um ihren guten Ruf, wenn sie in Unternehmen mit einer schlechten Umweltbilanz investieren, und ziehen sich aus nicht nachhaltigen Unternehmen zurück.
Wichtige Punkte, die auf die Agenda jedes Managers gehören
Da diese übergreifenden Entwicklungen miteinander verschmelzen, müssen sich Topmanager dringend mit den Auswirkungen dieser Entwicklungen auf ihr Geschäft und den sich daraus ergebenden Chancen auseinandersetzen. Wir empfehlen vier Schritte, die von der C-Suite vorrangig angegangen werden sollten:
- Erweitern Sie Ihre Business-Vision. Nachhaltigkeit und Rentabilität können sich ergänzen. Bei der Einführung einer Kreislaufwirtschaftslösung geht es nicht um die CSR-Berichterstattung, sie ist Teil der Überlebensstrategie.
- Machen Sie die Regulierungsbehörden auf Ihre Innovation aufmerksam. Schaffen Sie einen Use Case/Präzedenzfall und die Regulierungsbehörden werden folgen.
- Bilden Sie strategische Allianzen. Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit sind Themen, die Sie allein nur schwer angehen können. Nutzen Sie Startups oder gehen Sie mit Ihren Lieferanten, Kunden oder Wettbewerbern Partnerschaften ein, um für alle Beteiligten einen Mehrwert zu schaffen.
- Geben Sie Ihrem Unternehmen die benötigten Werkzeuge und Organisationsstrukturen. Die Mitarbeiter müssen über die erforderliche Ausstattung verfügen, um ihre Nachhaltigkeitsperformance steuern, überwachen und messen zu können.
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