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Offen sein und Technologie anderer einbinden
Interview mit Sven Schuwirth, COO von CUPRA
CUPRA-COO Sven Schuwirth spricht über die Vorteile einer neuen Marke und die Anforderungen, denen sich etablierte Automobilhersteller stellen müssen. CUPRA sieht sich als „Challenger Brand“. Als junge Marke hat sie Freiheiten, die klassische OEMs nicht haben. COO Sven Schuwirth zum Mindset, das Hersteller für den Erfolg in der neuen Automobilwelt brauchen.
... leitet seit März 2023 als COO das Tagesgeschäft der Marke CUPRA. Er war bereits seit Mitte 2021 als Director of Digital Business and Product Strategy bei SEAT S.A. tätig und in dieser Zeit maßgeblich an der Entwicklung der Produktstrategie von CUPRA und der Expansion der Marke in neue Märkte, wie zum Beispiel Australien, beteiligt. Der Wirtschaftsingenieur hat mehr als 20 Jahre umfassende Erfahrung in der Autoindustrie in den Bereichen Vertrieb und Marketing. Den Großteil seines Berufslebens war er beim Volkswagen Konzern für die AUDI AG tätig. Dort verantwortete er seit 2019 vor allem die Digitalisierung und setzte Projekte um, deren Schwerpunkt auf der Digitalisierung des Vertriebs und dem Angebot einer nahtlosen, emotionalen und prägenden Markenerfahrung für die Kunden lag – sowohl online als auch offline und entlang aller Touchpoints.
Herr Schuwirth, die erstarkenden neuen Wettbewerber aus China sind für die Player der etablierten Automobilindustrie eine große Herausforderung. CUPRA ist selbst eine noch junge Marke. Welche Vorteile bringt Ihnen diese Rolle? Haben Sie mehr Freiheiten bei Produkt, Produktion und Geschäftsmodellen, als ein Hersteller mit langer Tradition?
CUPRA wurde vor 5 Jahren als erste neue Automobilmarke innerhalb des VW-Konzerns gegründet. Zu einem Zeitpunkt als viele Marken verschwanden und neue, besonders aus Asien, auftauchten. Für uns genau der richtige Zeitpunkt, um von Barcelona aus die Welt zu inspirieren. „Challenge the conventional“ also das Herausfordern des Bestehenden ist eine der zentralen Säulen der Marke. CUPRA hat keine Historie und keine Legacy und klar gibt das mehr Freiheiten. Freiheiten, eben genau die Dinge zu machen, die der Kunde von uns erwartet und die wichtig sind, um am Ende ein scharfes Profil am Markt zu etablieren. Wir wollen bewusst keine Volumenmarke, keine Marke für alle sein, sondern vielmehr eine Marke, die diejenigen anspricht, die Emotionen rund um das Produkt und die Marke lieben, ein expressives Design bevorzugen, selbst fahren und nicht gefahren werden wollen. Und Teil einer Community neben dem Produkt sein wollen: dem CUPRA Tribe.
Natürlich haben wir auch Vorteile als Teil des VW-Konzerns, das ermöglicht uns Zugriff auf Technologien und Strukturen, die wir benötigen. Daher können wir uns auf die richtige Mixtur und Themen konzentrieren, bei denen wir den Unterschied machen wollen – Design, Fahrerlebnis und auch bei Kommunikation und im Distributionsmodell zum Beispiel mit der Agentur, und den CUPRA City Garages. Im Handel wollen wir mit echtem Kundenfokus und einer einzigartigen Beziehung zum Kunden punkten: Unsere CUPRA Master sind hier die emotionalen Ambassadors unserer Marke im Handel. Damit heben wir den Kundenkontakt auf ein neues Niveau.
Durch E-Mobilität und Digitalisierung sortiert sich die Automobilindustrie neu. Wie können europäische Hersteller und Zulieferer sich aufstellen, um davon zu profitieren, statt Boden zu verlieren?
Wir wollen maximal schnell in Richtung e-Mobilität transformieren und auch da den Beweis antreten, dass e-Mobilität nicht langweilig, sondern sexy sein kann. Und ich denke, dass uns das mit dem CUPRA Born und vor allem mit dem CUPRA Tavascan gelungen ist. Aber auch die Verbrenner-Modelle, ausgestattet mit PHEV werden uns zunächst weiterhin begleiten und im Angebot bleiben. Der Terramar im kommenden Jahr wird unser letztes Verbrenner-Modell bei CUPRA sein, auch er kommt mit PHEV. Mit diesem Mix versuchen wir die Bedingungen der Märkte, die sich unterschiedlich schnell transformieren, zu bedienen. Bis 2030 wird CUPRA vollelektrifiziert sein.
Bei der Digitalisierung verfolgen wir einen klaren und simplen Ansatz. Lass uns auf das konzentrieren, was wirklich notwendig ist. Der Kunde hat heute schon sein Ökosystem, genannt Smartphone. Wann immer möglich, sollten wir ihm die Verwendung dessen auch nicht verweigern und nur die Funktionen anbieten, die kein anderer kann oder zur unmittelbaren Fahraufgabe notwendig sind. Offen sein und Technologie anderer einbinden und nutzen ist das Gebot der Stunde. Uns ist bewusst, dass wir hier noch an Geschwindigkeit zulegen müssen, wenn man sich den Wettbewerb aus Fernost anschaut.
Erst bei Audi und dann bei CUPRA waren Sie Leiter Digital Business, bevor Sie zum COO bei Cupra wurden. Wie muss sich ein Automobilhersteller in SachenDigitalisierung aufstellen, um bestehen zu können?
Das ist komplex, wenn man sich die Legacy der IT-Landschaft der OEMS inkl. der Importeure und Händler anschaut. Aber im Kern brauchen wir mehr Standardapplikationen und offene Systeme. Im Bereich Vertrieb müssen wir schauen, dass wir Standardapplikationen wie Salesforce nutzen, um möglichst die gesamte Kette von Kunde und Handel abzubilden. D.h. nur die notwendigen Dinge anpassen, statt wie bisher auf zu viele verschiedene Einzelapplikationen zu setzen.
Das ist uns beim Markteintritt in Australien sehr gut gelungen. Das gilt es jetzt zu skalieren, auch in Europa. Im Bereich Fahrzeug sehen wir schon heute eine hohe Nutzungsrate von Integrationslösungen wie Apple Car Play. Damit ist der Weg vorgegeben – wir müssen den nächsten Schritt gehen, aber gleichzeitig schauen, dass wir die Kontrolle über die Fahrzeugsysteme und die Daten nicht aus der Hand geben, denn auch das ist etwas, dass der Kunde von uns verlangt.
Chinesische OEMs und Zulieferer holen rasant auf und setzen inzwischen selbst Spitzentechnologie ein. Wie haben die chinesischen Unternehmen das – trotz Coronaeinschränkungen – schaffen können?
Sie haben insbesondere im Bereiche E-Fahrzeug von Beginn an auf eine starke Software gesetzt und sich hierzu entweder Partner geholt oder kamen selbst aus einem IT-Konzern. Das ist ein zentraler Unterschied. Gleichzeitig haben sie sehr intelligent und über einen langen Zeitraum das Wissen und die Kompetenz westlicher Hersteller übernommen und in ihre Produkte eingebracht. Respekt dafür. Wir können davon lernen und gezielt Kooperationen mit eben diesen Herstellern eingehen, so wie es jüngst der VW-Konzern getan hat.
Wie können die Player der etablierten europäischen Automobilindustrie dagegen bestehen?
Wie ich bereits sagte, wir müssen einerseits von ihnen lernen und unsere eigene Herangehensweise schnell anpassen. Zum anderen müssen wir unsere Stärken insbesondere bei Design, Markenführung und ganzheitlicher Experience sowie klassische Umfänge wie Fahrwerk oder Komfort weiter absichern. Das wird uns gelingen, wenn wir versuchen, nicht alles selbst zu machen, sondern verstärkt in Kooperationen und Allianzen eintreten und uns auf das konzentrieren, was wir sehr gut können, und das ist eine Menge. Schauen Sie sich CUPRA als positives Beispiel an, denn eines sollten wir nicht vergessen: Wir sind wirtschaftlich erfolgreich. Das ist elementar für die Nachhaltigkeit einer Marke. Seit 2018 haben wir bereits mehr als 400.000 Fahrzeuge weltweit ausgeliefert. Schwarze Zahlen können Neueinsteiger im internationalen Wettbewerb nach so kurzer Zeit selten vorweisen. Kennen Sie einen Newcomer mit positiver Bilanz? Ich kenne einen: CUPRA. Wir sind seit letztem Jahr profitabel.
... wurde 2018 gegründet und hat ihren Hauptsitz in Martorell (Barcelona). sie sieht sich als unkonventionelle Challenger-Brand, die Emotion, Elektrifizierung und Performance verbindet und die Welt von Barcelona aus inspiriert. Weltweit lieferte CUPRA bislang über 400.000 Fahrzeuge aus, mehr als 150.000 davon allein im Jahr 2022. Das bislang am meisten verkaufte Modell ist der CUPRA Formentor, das erste exklusiv entwickelte Fahrzeug der Marke. Das erste reine Elektrofahrzeug ist der CUPRA Born, als zweites vollelektrisches Modell wird der Tavascan folgen, der ab Ende 2023 im chinesischen Anhui vom Band laufen und 2024 auf den Markt kommen soll. CUPRA will jährlich 70.000 Einheiten des Tavascan absetzen.
Durch die Digitalisierung sind die klassischen Automobilunternehmen mit neuen Technologien und neuen Marktteilnehmern konfrontiert. Wie können sie es schaffen, Herr ihres Produkts Automobil zu bleiben, statt bloß Hardware zu liefern, die durch Software von anderen Playern zum Leben erweckt wird?
Im Bereich Entertainment verlangt der Kunde, dass wir uns öffnen, die Apple Car Play Integration ist hier nur ein Beispiel. Im Bereich Fahrzeugsteuerung müssen wir anders agieren und uns bewusst entscheiden, wie weit wir gehen. Aber im Kern wird es ohne Offenheit in Richtung dieser Partner nicht gehen. Der Kunde verlangt es. Das Business verlangt es. Und wir sollten auch nicht vergessen, am Ende kauft der Kunde ein Auto als Ganzes. Das Auto ist ein extrem komplexes Produkt. Und die Orchestrierung des Gesamterlebnisses, um die geht es doch. Und die werden wir nie aus der Hand geben.
Führen die Veränderungen in Technologien und Wettbewerb zu einem engeren Zusammenrücken von Herstellern und Zulieferern?
Ja. Der Mix ist das Lernen, das Eingehen von Partnerschaften und das Schaffen offener Systeme.
CUPRA bezeichnet sich selbst als Challenger Brand. Ihr zweites reines E-Fahrzeug, der Tavascan soll ab Ende des Jahres in Anhui gebaut werden. Soll damit auch der VWKonzern ein neues Zugpferd in China bekommen?
Es gibt keine Pläne für einen Markteintritt in China. Der Tavascan wurde in Barcelona designed, entwickelt und nur die Produktion findet in China statt. Warum? China ist führend in der E-Mobilität und wir nutzen Synergieeffekte und Partnerschaften im Volkswagen Konzern. Das Werk in Anhui ist ein Innovationszentrum und verfügt über die richtige Technologie und Plattform, um den CUPRA Tavascan in großem Umfang zu produzieren und schnell auf den Markt zu bringen.
Was macht den Tavascan zum erfolgversprechenden Herausforderer von BYD & Co?
Das Design, das Fahrerlebnis und vieles mehr. Mit dem Tavascan wollten wir 2019 zeigten, dass es sich nicht nur um ein Modell handelt, das auf Veränderungen reagiert – sondern sie schafft. Sie werden sehen, am Ende ist es ein CUPRA. Es geht mehr als „nur“ um das Produkt. Die Marke, der Auftritt und die Ansprache der Kunden gehören ebenso dazu. Da haben wir einige gute Argumente. Und wir freuen uns auf den Wettbewerb und die Challenge.
Sie haben viele Jahre u.a für etablierte Marken wie AUDI, BMW und Seat gearbeitet. Was macht für Sie den Unterschied zu CUPRA aus und was können die klassischen Hersteller davon lernen?
Es sind die Menschen. Wir alle brennen für das eine Ziel, etwas Neues zu schaffen. Eine neue Marke, eine Marke, die anders ist als was es am Markt schon gibt zu etablieren. Das motiviert unglaublich und lässt die Mannschaft auf das fokussieren was wirklich wichtig ist. Und natürlich hilft dabei auch unsere Größe – wir sind ein kleines Team. Klein und damit schnell, haben kurze Wege. All das, was man heute agil nennt, sind wir schon. Das gilt es zu erhalten. Und das ist sicher die Herausforderung von großen Unternehmen mit komplexen Governance Strukturen, die eines mit sich bringen: dass das Talent, der Mensch, droht darin bisweilen verloren zu gehen.
Sie planen den Markteintritt auch in Nord-Amerika: Können Sie uns hier Eckpunkte ihrer Marktstrategie verraten?
Wir gehen in Phasen vor. Erst einmal voller Fokus auf Europa. Daneben sind wir bereits erfolgreich in anderen Märkten vertreten wie Mexico, Israel oder jüngst Australien. Nord-Amerika ist groß und erste Analysen haben gezeigt, dass dort Potenzial für eine Marke wie CUPRA besteht. Wir werden das weiter beobachten, aber jetzt schon über Daten zu reden ist, zu früh. Warten wir also mal ab.