On und davon: Sprint an die Spitze der Sneaker-Welt

Think:Act Magazin "In Dekaden denken"
On und davon: Sprint an die Spitze der Sneaker-Welt

17. Februar 2025

Ein Interview mit Caspar Coppetti, Mitgründer des Unternehmens

Interview

von Geoff Poulton
Illustrationen von Jan Robert Dünnweller

Als Start-up hat On es mit den großen Laufsportmarken der Welt aufgenommen. Heute ist On selbst ein Weltkonzern. Moderner Führungsstil und mutige Innovationen stehen im Zentrum des Erfolgs.

Mit einem Stück Gartenschlauch ging es los: Der von Verletzungen geplagte Profi-Triathlet ­Olivier Bernhard wollte das Gefühl von Freiheit beim Laufen wiederentdecken. Im Zuge seiner Experimente klebte er kleine Schlauchstücke unter ein Paar Laufschuhe – so gelang ihm sofort ein weicheres Auftreten und ein federndes Gefühl beim Abstoßen.

Der erste Prototyp eines On-Laufschuhs war geboren. Bernhard präsentierte die Idee Nike, seinem damaligen Sponsor. Nach einer höflichen Ablehnung wandte er sich an seinen Agenten Caspar Coppetti und den Marketingexperten David Allemann. Überzeugt von ihrem neuen Produkt gründeten sie On. In nur einem Jahrzehnt entwickelte sich das Schweizer Start-up zum Global Player und zu einer der begehrtesten Sportmarken der Welt. Heute ist Tennislegende Roger Federer als Investor und Partner mit an Bord.

Alyson Meister begründet den Erfolg von On mit der Unternehmenskultur: "On legt konsequent Wert auf eine Kultur der Autonomie, Verantwortung und Kooperation. Das Unternehmen ermutigt seine Mitarbeiter, unternehmerisch zu handeln, und fördert so ein Gefühl von Eigenverantwortung und Kreativität, das alle Ebenen der Organisation durchdringt", erklärt die Professorin für Führung und Organisationslehre an der IMD Business School in Lausanne.

Die drei On-Mitgründer leiten die Firma heute gemeinsam mit zwei Co-CEOs – eine ungewöhnliche Führungsstruktur, die nach ihrer Erfahrung eine breiter fundierte und bessere Entscheidungsfindung ermöglicht. "Die Co-CEOs spielen gemeinsam mit den Gründern eine aktive Rolle bei der Pflege und Vermittlung der Unternehmenswerte und ihrer Mission", sagt Meister, die On umfassend erforscht hat. "Dieses Führungsmodell, das anfangs auf Skepsis stieß, hat sich als großer Vorteil erwiesen, weil es komplementäre Fähigkeiten vereint und gegenseitigen Respekt fördert."

Caspar Coppetti

Caspar Coppetti ist Mitgründer und geschäftsführender Co-Vorsitzender von On. Vor der Gründung von On war ­Coppetti Managing Partner und Chief ­Strategy ­Officer bei der Werbeagentur Young & Rubicam. Außerdem war er zwei Jahre lang als Unternehmensberater tätig und hat einen Doktor­titel in Wirtschaftswissenschaften an der Universität St. Gallen erworben.

Um mehr über dieses besondere Unternehmen zu erfahren, haben wir mit dem On-Mitgründer und geschäftsführenden Co-Vorsitzenden Caspar Coppetti gesprochen. Coppetti blickt auf die Achterbahnfahrt der Gründerjahre zurück und erzählt von den Herausforderungen, den einzigartigen Start-up-Geist und die unkonventionelle Managementstruktur in einem wachsenden multinationalen Konzern zu bewahren.

Als Sie On 2010 gründeten, wagten Sie den Einstieg in einen sehr reifen Markt mit etablierten Anbietern. Wie kamen Sie darauf, Sie könnten sich von der Masse abheben? War das eigensinnige Arroganz oder eher blauäugige Naivität?

Definitiv Letzteres. Im Grunde begann alles mit einem Nein. Als Olivier Bernhard mich bat, ihm beim Marketing zu helfen, fragte ich ihn, ob er den Verstand verloren habe. Ich dachte, gegen die etablierten Marken hätten wir keine Chance. Aber als er mir den Prototyp zeigte, war ich fasziniert. Der Schuh hatte eine sichtbare Technologie, die es damals noch gar nicht gab. Seit Jahren konnte ich nicht mehr schmerzfrei laufen. Doch als ich den Schuh von Olivier ausprobierte, spürte ich sofort, dass es besser wurde. Also verteilten wir Prototypen an Läufer. Das Feedback war großartig.

David Allemann und ich hatten lange davon geträumt, ein Unternehmen zu gründen, aber uns fehlte eine zündende Idee. Jetzt war plötzlich unsere Chance da. Wir haben nie einen umfassenden Geschäftsplan oder eine Markteinschätzung für On erstellt. Wir glaubten, der Markt sei so groß, dass es eine Nische für uns geben werde. Wir ahnten damals jedoch nicht, wie stark dieser Markt in Zukunft noch wachsen sollte – und wie groß unsere Nische sein würde.

"Das Leben in Start-ups wird romantisiert. Dabei ist es oft sehr hart."

Caspar Coppetti

Mitgründer
On

Damals waren Sie Mitte 30 und arbeiteten in leitender Funktion in einer Werbeagentur. War es schwer, Ihre Karriere hinter sich zu lassen?

Das war sehr beängstigend. Aber auch ungeheuer befreiend. Wir waren sehr naiv und unterschätzten die Komplexität des Prozesses, ein physisches Produkt zu entwerfen, zu entwickeln, es herzustellen und weltweit zu vertreiben. Im ersten Jahr hatten wir praktisch jede Woche das Gefühl, kurz vor dem Scheitern zu stehen.

Wie überstanden Sie diese Momente?

Das Merkwürdige ist, man gewöhnt sich daran. Das Leben in Start-ups wird romantisiert. Dabei ist es oft sehr hart. In einem jungen Unternehmen gibt es stets sehr viel gleichzeitig zu tun. Neben dem Tagesgeschäft ist man unablässig mit der Zukunft beschäftigt. Ständig muss man sich entscheiden, wohin man seine Energie steckt. Man macht auch viele schlechte Erfahrungen. Aber jedes Mal, wenn man eine schwierige Situation gemeistert hat, gibt einem das mehr Selbstvertrauen. Man lernt, mit Höhen und Tiefen umzugehen.

Sie wollten von Beginn an das teuerste Produkt am Markt anbieten. Warum?

Wenn man aus der Schweiz kommt und eine innovative Marke aufbaut, gibt es letztlich nur die Premium-Option. Wir erkannten, dass es keine reine Premium-Laufmarke am Markt gab. Einige boten zwar sehr hochwertige Produkte an, zugleich aber auch billigere. So verwässerten sie ihre eigene Marke. Wir waren überzeugt, dass anspruchsvolle Laufsportler gerne bereit sind, mehr Geld für ein hochwertiges Hightech-Produkt auszugeben. Das erwies sich als goldrichtig.

War es schwierig, sich stets daran zu halten?

Absolut. Das Drehbuch für den Aufbau einer Premium-Marke ist zwar ziemlich eindeutig, aber man braucht eine Menge Disziplin. Eine unserer Strategien bestand darin, dass wir beim Preis und bei der Gewinnspanne Stabilität anstrebten. Wir mussten also erstklassige Einzelhändler finden, die einen sehr guten Service boten und unsere Produkte nicht auf Kosten der Margen verramschen wollten. Aber gerade die sind oft am schwierigsten zu bekommen. Ich erinnere mich an ein Geschäft in München, mit dem wir unbedingt zusammenarbeiten wollten. Aber es hat Jahre gedauert, bis wir unsere Produkte endlich dort anbieten konnten. Weil wir wussten, was wir wollten, haben wir in dieser Zeit mehrere andere Geschäfte in der Innenstadt abgelehnt. Hierbei ging es um die richtige Balance zwischen Gegenwart und Zukunft. Man muss wissen, wann man geduldig sein sollte.

"Der Superstar-CEO, der alle strategischen Entscheidungen allein fällt, existiert in der Realität nicht."

Caspar Coppetti

Co-CEO
On

Lassen Sie uns über Ihre Firmenstruktur sprechen. On wird weiterhin von seinen Gründern geführt, obwohl sie Investoren ins Boot geholt haben.

Als die Marke um das Jahr 2012 herum zu wachsen begann, erkannten wir, dass wir drei Gründer einfach nicht breit genug aufgestellt waren, um die nötigen Entscheidungen zu fällen. Normalerweise stellen Gründer dann Leute ein, die unter ihnen arbeiten. Wir aber hatten gute Erfahrungen damit gemacht, nicht nur mit einem einzigen CEO an der Spitze zu arbeiten. Deshalb beschlossen wir, zwei weitere Eigenkapitalpartner, Marc Maurer und Martin Hoffmann, hinzuzuziehen. Sie sind bis heute unsere Co-CEOs.

Der zweite wichtige Punkt war, dass wir die Kontrolle auf der Board-Ebene behalten wollten, auch wenn das Wachstum einer Sportbekleidungs­marke hohe Investitionen erfordert. Nach dem Börsengang im Jahr 2021 sagten uns unsere Investoren, dass wir die Marke langfristig weiter betreuen sollen. Mit unseren stimmberechtigten Anteilen kontrollieren wir heute 61 % der Stimmrechte. Das verleiht uns langfristig Stabilität. On kann nicht von einem Konkurrenten übernommen werden. So haben wir die Sicherheit, dass wir das Unternehmen auf lange Sicht weiter aufbauen können.

Die On-Gründer glaubten an ihr Produkt und waren entschlossen, andere davon zu überzeugen, dass ihre innovativen Sneaker sie zum Erfolg führen werden.
Die On-Gründer glaubten an ihr Produkt und waren entschlossen, andere davon zu überzeugen, dass ihre innovativen Sneaker sie zum Erfolg führen werden.

Ist es nicht schwierig, mit dieser Führungsstruktur Entscheidungen zu treffen?

Ich denke nicht. Wir machen das jetzt seit 14 Jahren zu dritt und seit elf Jahren zu fünft, und das ist immer ziemlich gut gelaufen. Der Superstar-CEO, der alle strategischen Entscheidungen allein fällt, existiert in der Realität nicht. Wenn man das macht, muss eine Person sehr viel Zeit damit verbringen, Leute zu überzeugen. Wenn jemand von uns im Board einen Vorschlag macht, muss er mindestens eine weitere Person davon überzeugen. Die anderen können dann gegebenenfalls die Rolle der Herausforderer übernehmen. Wir finden so bessere Lösungen, weil keiner von uns allein in die falsche Richtung losläuft. Wenn wir nicht auf einer Linie sind, dann ist das für uns ein Signal dafür, dass wir noch nicht die perfekte Lösung gefunden haben. Dazu braucht man aber viel Respekt und Vertrauen in die anderen.

Sie sprachen vom Börsengang und wie wichtig es war, die Kontrolle zu behalten. Was mussten Sie sonst noch abwägen, um Ihre Ziele zu erreichen?

Damals war ich sehr skeptisch, was den Börsengang anging. Ich habe mich nicht darauf gefreut und wir wollten On ja auch nicht verkaufen. Dennoch waren wir an einem Punkt angelangt, an dem ein Börsengang sinnvoll war. Und es war richtig, das in den USA zu tun. Denn erstens haben die Vereinigten Staaten einfach den größten Markt. Zweitens sind viele unserer Wettbewerber in den USA gelistet. So haben wir mehr Vergleichsgrößen und können davon lernen. Drittens sind die Investoren erfahrener. Und schließlich herrscht in den USA die Überzeugung vor, dass gründergeführte Firmen profitabler sind. In Europa werden solche Unternehmen meist ziemlich skeptisch betrachtet, weil man es oft mit Familien der zweiten oder dritten Generation zu tun hat, die nicht am Aufbau des Unternehmens beteiligt waren.

Welche Ziele streben Sie für die Zukunft an?

Wir wollen die Nummer eins der Laufsportmarken werden. Das ist unser wichtigstes Ziel. Wenn ich morgens aufwache, denke ich genau daran. Unsere Fans erwarten Innovationen. Und das ist großartig, denn wir brauchen keine Angst vor Abenteuern zu haben und können mutige Produktinnovationen viel schneller auf den Markt bringen als unsere Wettbewerber. Wir bieten Läufern ganz neue Technologien, darauf basiert unser Anspruch als Premium-Marke. Das wenden wir jetzt auch auf andere Sportarten an. Seit 2019 haben wir Roger Federer als Partner an Bord. Das hat uns sehr geholfen, auch im Tennis Fuß zu fassen. Wir haben gelernt, wie wichtig für uns eine Sportart ist, die im Fernsehen präsent ist.

Sport und Bewegung sind ein wichtiger Bestandteil der On-Philosophie. Sind Sie optimistisch, dass die Menschheit künftig fit und aktiv sein wird?

Ich bin definitiv Optimist. Viele junge Menschen sind heute gesundheitsbewusster als die Jungen in früheren Generationen. Ich denke auch, dass es sehr wichtig ist, die gesundheitlichen Aspekte von Bewegung in Erinnerung zu behalten. Während der stressigen Gründerjahre bei On haben uns eine Laufrunde oder eine Radtour sehr geholfen, alles zu verarbeiten. Bewegung macht uns fitter und glücklicher. Deshalb glauben wir, dass Menschen, die sich bewegen, kreativer und kooperativer sein können und so bessere Ideen entstehen.

Gut zu wissen:
Kenne Deine Nische:

Wenn Sie ein Premium-­Produkt anbieten, verwässern Sie nicht Ihren Markenkern zugunsten eines größeren Marktes.

An Visionen festhalten:

Üben Sie sich in Geduld. Das ist zwar manchmal schwierig, doch an einem Fernziel festzuhalten lohnt sich.

Geteilte Verantwortung:

Mitunter kann ein Führungsgremium einem alleinigen CEO überlegen sein und für bessere Entscheidungen sorgen.

Über den Autor
Portrait of Geoff Poulton
Geoff Poulton
Geoffs Artikel über Innovation und Nachhaltigkeit wurden vom Guardian, von der Times und der Deutschen Welle veröffentlicht. Er hat für globale Marken wie BMW und Airbus gearbeitet. Geoff lebte viele Jahre in Deutschland, danach in London, heute schreibt er am Meer in Cornwall.
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Veröffentlicht Februar 2025. Vorhanden in
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