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Restrukturierung in der Immobilienkrise

Restrukturierung in der Immobilienkrise

5. September 2024

Dem Abwärtssog entrinnen: Worauf es bei der Restrukturierung im Immobiliensektor ankommt

Die Immobilienbranche erlebt die wohl schwerste Krise ihrer Geschichte. Zinsanstieg und Konjunkturflaute bilden ein schwieriges Fahrwasser, das zu einem dramatischen Preisverfall bei Wohn- und Gewerbeimmobilien geführt hat. Der traditionell hohe Anteil an Fremdkapital entpuppt sich in Krisenzeiten als zusätzliches Problem. Wer sich als Unternehmen bestmöglich absichern will, muss jetzt für umfangreiche Transparenz sorgen, alle verfügbaren Optionen in einem Konzept prüfen und entschlossen handeln.

"Eine Restrukturierung im Immobiliensektor ist komplex, bedingt die Abstimmung mit verschiedenen Stakeholdern und sollte daher frühzeitig und professionell vorberereitet werden."
Portrait of Benjamin Rassler
Senior Partner
München Office, Zentraleuropa

Der erfolgsverwöhnte Immobiliensektor kämpft mit ernsten Schäden auf breiter Front. Die lange Phase niedriger Finanzierungskosten und hoher Transaktionsvolumina ist vorbei. Rapide gestiegene Zinsen, die hartnäckige Inflation mit hohen Bau- und Energiekosten sowie eine allgemeine Rezession, die sich ins zweite Jahr auszudehnen droht, bringen immer mehr Unternehmen in Schieflage: Der aktuelle Preisverfall bei Immobilien in Deutschland ist der stärkste und schnellste seit 60 Jahren. Verkäufer hoffen auf bessere Zeiten, Käufer auf weitere Preisabschläge.

Das Transaktionsvolumen auf dem deutschen Immobilienmarkt ist von Anfang 2022 bis Ende 2023 um 72 Prozent eingebrochen. Besonders hart trifft es Gewerbeimmobilien. Während die Nachfrage nach Wohnraum weiter wächst und trotz leicht sinkender Kaufpreise zu steigenden Mieten führt, bricht der Markt für Büro-, Verwaltungs- und Handelsflächen ein. Der pandemiebedingte Homeoffice-Boom, Online-Shopping und hohe bürokratische Vorschriften verstärken den Trend und sorgen für weniger Flächenbedarfe. Die in Deutschland mittlerweile auf rund sechs Prozent gestiegene Leerstandsquote ist im internationalen Vergleich zwar relativ niedrig, aber der US-Markt zeigt, wohin die Reise gehen kann: Hier sind es stellenweise 20 Prozent und mehr.

"Dabei zeichnet sich gerade im Bereich der Gewerbeimmobilien ein deutlicher Anstieg von notleidenden Krediten und daraus resultierendem Handlungsbedarf ab."
Portrait of Markus Held
Partner
München Office, Zentraleuropa

Das Finanzierungsdilemma

Größter Unsicherheitsfaktor bleibt die Zinsentwicklung. Die Immobilienwirtschaft, im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen traditionell von niedrigen Eigenkapitalquoten und einem hohen Fremdfinanzierungsanteil geprägt, reagiert äußerst sensibel auf Veränderungen der Kapitalkosten. Die Dynamik der vergangenen Jahre ist beängstigend: So zeigen Daten der Europäischen Zentralbank, dass der Effektivzinssatz für langfristige Kredite an Unternehmen in Deutschland von 1,6 Prozent im Jahr 2020 auf 3,9 Prozent im Jahr 2023 gestiegen ist. Auch für 2024 und 2025 rechnen Experten allenfalls mit einem moderaten Rückgang. Dabei besteht gerade in den kommenden Jahren bei vielen Immobiliengesellschaften erheblicher Refinanzierungsbedarf.

Deutlich steigende Zinskosten sind das eine Problem. Ein weiteres ist die spürbar restriktivere Kreditvergabepraxis der Banken, etwa in Bezug auf zu hinterlegende Sicherheiten. Die erste Insolvenzwelle hat die Projektentwickler erfasst, die am Anfang der Wertschöpfungskette in der Immobilienwirtschaft stehen. Ein Übergreifen der Krise auf nachgelagerte Dienstleistungs- und Baubereiche ist in der aktuellen Gemengelage eher wahrscheinlich. Je kritischer die Situation, desto mehr brauchen Entscheider einen kühlen Kopf und eine ruhige Hand.

Der erste und wichtigste Schritt: für umfassende Transparenz sorgen

Für eine erfolgreiche Krisenbewältigung kommt es auf eine strukturierte Vorgehensweise an. Dabei beginnt der Prozess damit, zunächst Transparenz über den Ernst der Lage herzustellen. Dazu nutzt Roland Berger eine eigens entwickelte Heatmap, die die Krisenanfälligkeit und aktuelle Situation von Immobilienunternehmen bewertet. Die so entstehende Entscheidungsgrundlage hat zwei Vorteile: Sie schafft nach innen ein gemeinsames Verständnis der aktuellen Lage, nach außen befähigt sie das Management, verlässlich und überzeugend mit Eigen- und Fremdkapitalgebern zu kommunizieren. Eine solide Ist-Analyse umfasst dabei unter anderem Asset-Bewertungen, Übersichten über laufende Finanzierungen und Fälligkeiten sowie Kostenentwicklungen. Aktuelle Szenarioanalysen zeigen, welche Handlungsspielräume dem Unternehmen bleiben.

Klarer Fokus auf finanzielle Restrukturierung

Auf Basis dieser Erkenntnisse erfolgt im zweiten Schritt die kritische Bewertung der Handlungsoptionen sowie die Erarbeitung eines Maßnahmenplans und dessen Umsetzung. Aus der Projektpraxis wissen wir: Das Drehen an operativen Stellschrauben ist eine notwendige Voraussetzung, um als Unternehmen wieder auf Erfolgskurs zu kommen. Zielführend ist ein Restrukturierungsplan aber nur dann, wenn er finanzielle Maßnahmen adressiert, ohne eine strategische Neupositionierung des Unternehmens zu vernachlässigen.

An einer konsequenten finanziellen Restrukturierung führt in den meisten Fällen kein Weg vorbei. Die Liste der Optionen reicht von der Anpassung, beziehungsweise Nachverhandlung der Finanzierungsstruktur über die Prolongation bestehender Kreditverträge bis hin zur gesamtheitlichen Restrukturierung der Passivseite. Auch der Verkauf einzelner Objekte kommt infrage.

Erfolgsfaktoren bei der Restrukturierung von Immobilienunternehmen

Eine strukturierte Vorgehensweise ist entscheidend für eine erfolgreiche Restrukturierung . Insbesondere in kritischen Situationen sollten in Betracht zu ziehende Maßnahmen sorgfältig koordiniert und in einem umfassenden Ansatz kombiniert werden, um ein zielgerichtetes Restrukturierungskonzept zu entwickeln. Um die Erfolgschancen zu erhöhen, muss ein klar definierter Kommunikations- und Kooperationsprozess etabliert und gepflegt werden.

Dabei wird in einer ersten Projektphase zunächst versucht, die kurzfristige Finanzierung durch Verhandlungen mit Eigen- und Fremdkapitalgebern zu sichern. Stabilisierungsmaßnahmen wie die Verschiebung der geplanten Schuldendienstleistungen und Verzichte auf Vertragsverletzungen sollten, falls erforderlich, kurzfristig vereinbart werden. Es empfiehlt sich, ein Cash Office einzurichten, das für die Planung und Steuerung der Konzernliquidität verantwortlich ist.

Ausgehend von einer stabilisierten Liquiditätssituation sollte ein integriertes Restrukturierungskonzept entwickelt werden, das alle erforderlichen Hebel und Maßnahmen zur Bewältigung der Krise umfasst. Um eine analytische Grundlage für die Performance des Immobilienportfolios zu schaffen, ist es wichtig, die lokalen Immobilienmärkte und ihre erwartete Entwicklung zu verstehen – um dies sicherzustellen, arbeiten wir zusammen mit lokalen Immobilienexperten.

Das gesamte Restrukturierungskonzept sollte in einem robusten, integrierten Business Plan abgebildet werden, der auf verschiedene Szenarien ausgerichtet ist. Dieser dient als zentrale Grundlage für die Verhandlungen mit unterschiedlichen Stakeholdern und zur regelmäßigen Bewertung des Unternehmenserfolgs der Restrukturierung.

Es werden Analysen durchgeführt und Handlungsoptionen bewertet, um gemeinsam mit Finanzierern, Investoren und anderen Stakeholdern eine einvernehmliche Lösung zu erarbeiten. Sollte keine einvernehmliche Lösung gefunden werden, können auch alternative Wege beschritten werden, die eine nachhaltige Entschuldung des Unternehmens bewirken.

Wie bei jeder Transaktion oder Transformation ist der Prozess entscheidend. Eine effiziente Koordination aller Stakeholder und eine effektive Kommunikation sind dabei von wesentlicher Bedeutung – Erfahrung und Prozesswissen in schwierigen Sondersituationen zahlt sich aus und entscheidet über Erfolg oder Misserfolg in einer Restrukturierung.

Co-Author des Artikels ist Stephan Schmitz.

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