Restrukturierungsbedarf wächst weiter – Höchstes Risiko durch steigende Rohstoffpreise
Experten erwarten komplexere Restrukturierungsfälle
Nachdem die Wirtschaft im vergangenen Jahr infolge der Covid-19-Krise stark eingebrochen war, ist nun wieder eine Erholung in Sicht. Trotzdem wirken die wirtschaftlichen Auswirkungen in den Unternehmen nach. Hinzu kommen neue Risikofaktoren, etwa zunehmend inflationäre Tendenzen. In dieser Gemengelage geht die große Mehrheit der Restrukturierungsexperten davon aus, dass die Anzahl der Sanierungsfälle und deren Komplexität weiter steigen.
In der „Restrukturierungsstudie 2021“ von Roland Berger schätzen 500 Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Folgen der Covid-19-Krise für die Wirtschaft ein und bewerten aktuelle Restrukturierungstrends . Die überwiegende Mehrheit der Befragten, die im Bankwesen, der Sanierungs- und Rechtsberatung sowie der Insolvenzverwaltung tätig sind, rechnet 2021 mit einem positiven BIP-Wachstum. Sie erwartet sogar, dass sich die deutsche Wirtschaft schneller als der europäische Durchschnitt erholt. Allerdings sind die Experten der Ansicht, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis die Wirtschaft wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht.
Für drei Viertel der Befragten steht fest: Die Anzahl der Restrukturierungsfälle wird in den nächsten zwölf Monaten steigen. Ein ähnliches Bild ergibt sich hinsichtlich der Komplexität der Sanierungseinsätze. Hier erwarten zwei Drittel der Experten, dass die Restrukturierungsfälle anspruchsvoller werden. Gründe hierfür sind vor allem eine steigende Anzahl der involvierten Parteien und höhere rechtliche Anforderungen. So kommt es durch Covid-19 verstärkt zu Interaktionen mit den Lieferanten, und der Staat spielt eine größere Rolle bei Finanzierungsentscheidungen.
Steigende Rohstoffpreise sorgen für Verunsicherung
In der Verteuerung der Rohstoffpreise und Vorprodukte (25 %) sehen die Befragten das größte Risiko für die wirtschaftliche Erholung Deutschlands. Die Befürchtung: Unternehmen könnten dadurch gezwungen sein, ihre Produktion zu drosseln und Preiserhöhungen an die Kunden weiterzugeben – mit entsprechend negativen Folgen für die Geschäftsbilanz.
Auch die weitere Entwicklung der Covid-19-Pandemie bleibt für jeden Fünften ein Risikofaktor. Mit einem harten Lockdown wird jedoch im Vergleich zum Vorjahr seltener gerechnet. Auch die Sorge vor geopolitischen Veränderungen wie etwa Handelskonflikten hat gegenüber 2020 abgenommen: Nur noch 13 Prozent der befragten Fachleute sehen darin ein relevantes Risiko.
Einzelhandel, Reise- und Autobranche mit erhöhtem Restrukturierungsbedarf
Den größten Restrukturierungsbedarf weisen nach Ansicht der Experten weiterhin der Einzelhandel sowie die Reise- und Autobranche auf. Der stationäre Einzelhandel steht durch die zunehmende Beliebtheit des Online-Shoppings schon länger unter Druck. Nun hat sich die Situation durch wiederholte Geschäftsschließungen aufgrund der Corona-Pandemie verschärft. Diese belastet auch den Tourismussektor: Er musste durch den Buchungsrückgang ebenfalls erhebliche wirtschaftliche Einbußen hinnehmen. 30 Prozent der Befragten betrachten diese Branchen deshalb als größte Sorgenkinder.
27 Prozent sehen bei der Automobilbranche erhöhten Restrukturierungsbedarf. Sie befindet sich ohnehin seit Jahren in einer komplexen Transformationsphase. Der pandemiebedingte Mangel an Halbleitern belastet zudem das operative Geschäft.
Nachhaltige Veränderungen werden wichtiger
Den strategischen Umbau – sowohl des Geschäfts- als auch des Finanzierungsmodells – betrachten die Experten weiterhin als die wichtigste Restrukturierungsmaßnahme (12%). Nachhaltigkeit und Investitionen in ESG werden mit neun Prozent an zweiter Stelle genannt. Es zeigt sich also, dass überzeugende Konzepte in den Bereichen Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung für die Sanierung von Unternehmen an Relevanz gewinnen. Die externe Finanzierung (9%) bleibt auch in diesem Jahr eine wichtige Restrukturierungsmaßnahme , da in vielen Unternehmen die Rückzahlung der Corona-Hilfskredite ansteht.
Für die Geschäftsführung von Unternehmen rücken nach Ansicht der befragten Fachleute infolge der Covid-19-Krise neue Themen in den Fokus: Allen voran geht es um mehr Flexibilität in den Lieferketten (21%) und in den Kostenstrukturen (20%), um resilienter bei externen Schocks zu sein. Für jeden fünften Experten gewinnen auch neue Arbeitsmodelle – „New Work“ – an Bedeutung. Der beschleunigten Veränderung des Arbeitsumfeldes und der Arbeitskultur durch die Corona-Pandemie wird hier Rechnung getragen.
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