"Sicheres Hochfahren" der Wirtschaft in der Corona-Krise
Politik und Gesellschaft müssen jetzt schon planen, wie wir die Wirtschaft wieder ankurbeln können
Derzeit stehen Politik und Gesellschaft hierzulande noch ganz im Bann der aktuellen Krise. Das Wohl und die Gesundheit jedes Einzelnen haben dabei höchste Priorität. Dies ist ein Gebot der Menschenwürde und deswegen alternativlos.
Dennoch gilt es, auch die wirtschaftlichen Konsequenzen der Corona-Krise im Blick zu behalten. Es wäre fatal, wenn wir in einigen Wochen die schlimmsten gesundheitlichen Gefährdungen abgewendet hätten, dann aber unsere Volkswirtschaft am Boden läge. Im Umgang mit der Corona-Krise müssen sich also gesundheitliche und ökonomische Erwägungen in der Balance halten.
Wir müssen die gesundheitlichen Gefahren der Corona-Krise ernst nehmen. Wir müssen aber auch die Tatsache registrieren, dass in China die Volkswirtschaft bereits zweieinhalb Wochen nach dem "lockdown" wieder hochgefahren und nach sechs Wochen erstmal wieder "business as usual" erreicht wurde.
Ein derartiges Szenario zu befördern und zu steuern ist das Ziel unseres Aktionsplans "Sicheres Hochfahren". Schon während des "lockdowns" und nachdem der "peak" der Neuinfektionen überwunden werden konnte, in einem Zeitraum also, dessen Dauer wir auf 3-8 Wochen schätzen, beinhaltet unser Aktionsplan Maßnahmen, die sicherstellen, dass ein nach Branchen und Regionen unterschiedliches "sicheres Hochfahren" erfolgen kann, sobald es die Umstände erlauben. Eine kontinuierliche und verlässliche Steigerung der Produktivität ermöglicht schließlich, in eine ökonomische "Normalität" zurückzukehren, die dem status quo ante in mancher Hinsicht – fortgeschrittene Digitalisierung, verlässlichere Lieferantennetzwerke, agilere Arbeitsmethoden – sogar überlegen sein kann.
Dreistufiges Vorgehen: Der Aktionsplan "Sicheres Hochfahren" von Roland Berger
Roland Berger möchte aktiv dazu beitragen, die Folgen der Corona-Krise abzumildern. Deshalb haben wir den Aktionsplan "Sicheres Hochfahren" entwickelt. Dieser besteht aus drei Elementen:
- So lange die Zahl der Neuinfektionen weiterhin drastisch ansteigt, ist der derzeitige "lockdown" unbedingt einzuhalten. Begleitend gilt es, bereits jetzt ein differenziertes Schutzkonzept aufzubauen. Die Bereitstellung flächendeckender Testmöglichkeiten (Virus bzw. Antikörper) und der dafür notwendigen Infrastruktur ist dabei zentral. Daneben gilt es, eine ausreichende Versorgung mit Schutzmaterial, z.B. Atemmasken und Desinfektionsmittel, zu gewährleisten.
- In einem zweiten Schritt sorgt der Aktionsplan "Sicheres Hochfahren" dafür, dass unsere Gesellschaft und Wirtschaft kontinuierlich wieder auf Touren kommen. Dabei empfehlen wir ein sequentielles Vorgehen (vgl. B): Zunächst muss das öffentliche Leben wieder in Schwung kommen. Das betrifft vor allem Schulen und Kitas. Die letzten Wochen haben gezeigt, dass ohne diese öffentlichen Dienstleistungen ein wirtschaftlicher Normalbetrieb gar nicht möglich ist. Danach muss der öffentliche Warenstrom wieder in Gang kommen. Außerdem müssen in den Betrieben und Unternehmen geeignete Schutzmaßnahmen entwickelt werden, damit ein "Arbeiten unter Corona-Bedingungen" möglich wird, ohne dass dies zu einem Anstieg des Infektionsrisikos führt. Dies betrifft zunächst die Produktion und ausgewählte, die Produktion begleitende Dienstleistungen.
Diese Sequenz von Maßnahmen ergibt sich aus der unterschiedlichen Relevanz von Angebot und Nachfrage im Krisenverlauf: Während es in der akuten Krise vor allem gilt, mit Hilfe von Finanzspritzen und Krediten das wirtschaftliche Angebot sicherzustellen, kommt es nach der Überwindung des Höhepunkts der Krise vor allem darauf an, die wirtschaftliche Nachfrage zu stimulieren.
Was die industrielle Produktion in der Automobilbranche betrifft, so empfehlen wir konkrete Maßnahmen, wie die Erhöhung der E-Auto Förderung im Sinne einer Abwrackprämie 2.0, die verstärkte Förderung von schadstoffarmen Autos sowie die Stundung von CO2-Strafzahlungen. Was den Einzelhandel insbesondere in der Gastronomie betrifft, empfehlen wir Maßnahmen wie Konsumgutscheine, temporäre Mehrwertsteueranpassungen und Erleichterungen bei der Einkommenssteuer.
- Schließlich müssen drittens bereits jetzt die richtigen gesellschaftlichen und ökonomischen Lehren für die Zeit nach der Krise gezogen werden: Das betrifft Unternehmen und Gesellschaft:
Unternehmen müssen ihre Investitionen überdenken, ihre Krisen-Resilienz erhöhen, ihre digitalen Geschäftsmodelle weiterentwickeln und agile Arbeitsmethoden einführen. In der Produktion müssen vor allem regionale und lokale Lieferantennetzwerke gestärkt werden.
Im öffentlichen Leben hat sich gezeigt, wie dringlich hierzulande eine digitale Bildungsoffensive auf allen Ebenen ist. Voraussetzung dabei ist der flächendeckende und beschleunigte Ausbau der Netzinfrastrukturen.
Die Planungen für die Zeit nach der Krise müssen jetzt beginnen
Der Aktionsplan "Sicheres Hochfahren" von Roland Berger ermöglicht, dass bereits jetzt die richtigen Entscheidungen für die Zeit nach der Krise getroffen werden. Dabei lassen sich von Ländern und Volkswirtschaften, die uns in der "Kurve" vorauseilen, wichtige Lehren ziehen. China macht derzeit vor, wie sich das Vertrauen der Konsumenten wiedergewinnen und wie sich die Nachfrage wieder stärken lässt und wie es gelingen kann, Produktion und Dienstleistungen kontinuierlich wieder hochzufahren.