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State of the Nation: Finanzierung

State of the Nation: Finanzierung

30. August 2023

Wie Unternehmen in Zeiten steigender Zinskosten und sinkender Erträge finanziell handlungsfähig bleiben

Die Zeiten billigen Geldes sind vorbei. Angesichts hoher Inflationsraten drehen die großen Zentralbanken der Welt seit Frühjahr 2022 kontinuierlich an der Zinsschraube. Weil sich die Preissteigerungen als hartnäckig erweisen, ist ein Ende der restriktiven Geldpolitik vorläufig nicht absehbar. Die Folgen für die Wirtschaft sind gravierend. In unserem "State of the Nation"-Report analysieren wir gemeinsam mit dem Handelsblatt Research Institute (HRI) die Effekte steigender Zinsen für die Unternehmen – und zeigen auf, mit welchen Maßnahmen sie sich auch in schwierigen Zeiten finanzielle Spielräume verschaffen können.

Finanzielle Resilienz in unsicheren Zeiten: Wie Unternehmen mit gezielten Maßnahmen handlungsfähig bleiben.
Finanzielle Resilienz in unsicheren Zeiten: Wie Unternehmen mit gezielten Maßnahmen handlungsfähig bleiben.
"Mit der Zinswende in einem schwachen Wachstumsumfeld wird die Unternehmens-finanzierung zur Herausforderung: Schulden müssen wieder gemanagt werden."
Portrait of Matthias Holzamer
Senior Partner
München Office, Zentraleuropa

Unternehmensfinanzierung: Wege aus der Zins- und Ergebnisfalle

Deutschlands Wirtschaft trifft es besonders hart. Während andere EU-Länder längst wieder solide Wachstumsraten aufweisen, rechnet das HRI in seiner jüngsten Konjunkturprognose für das laufende Jahr mit einem Schrumpfen der deutschen Volkswirtschaft um 0,7 Prozent. Deutschland findet sich überraschend als momentanes Schlusslicht im EU-Vergleich wieder.

Mehr noch als die Wachstumsschwäche fordern die steigenden Zinsen die Unternehmenslenker hierzulande heraus. Nach Berechnungen der Roland Berger Experten werden sich die Refinanzierungskosten aufgrund des steigenden Drei-Monats-Euribor, Referenzzinssatz für viele Verbraucher- und Unternehmenskredite, im Jahresdurchschnitt von 1,2 Prozent im Jahr 2022 auf 3,2 Prozent im Jahr 2023 fast verdreifachen. Das drückt auf Liquidität und Profitabilität, denn Kostenschübe bei Energie, Material und Personal kommen hinzu. Eine der Folgen: Geplante Investitionen in Forschung und Entwicklung werden abgesagt, was die Wettbewerbsfähigkeit der Firmen belasten kann.

„Eine Abkühlung der Konjunktur geht im Normalfall mit fallenden Zinsen einher. Die aktuell gegenläufige Entwicklung ist ein Novum für viele CFOs, es fehlt an Erfahrungswerten und Blaupausen“, sagt Roland Berger Senior Partner Matthias Holzamer. Verschärfend kommt hinzu, dass sich über die Einnahmenseite zumeist nichts abfedern lässt. Im Gegenteil: Handlungsdruck kommt auch aus dem operativen Geschäft. Unsere eigenen aktuellen Modellierungen zeigen auf Basis von über 340 Mittelstandsunternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz beim Betriebsergebnis (EBITDA) im Durchschnitt ein Minus von 5,5 Prozent im laufenden Jahr. Bei konstanter Nettoverschuldung steigt dadurch der durchschnittliche Leverage, also das Verhältnis von Nettoverbindlichkeiten zu EBITDA, um 14 Prozent. Besonders stark macht sich dieser Effekt in Branchen mit hoher Verschuldung bemerkbar, etwa in der Automobilindustrie, aber auch im Immobiliensektor.

Gleichzeitig sinkt die Innenfinanzierungskraft vieler Unternehmen: Laut Roland Berger Modellierung werden sie im Jahr 2025 im Schnitt gut 31 Prozent ihres EBITDA für Zinszahlungen aufwenden – 2021 betrug dieser Wert noch fünf Prozent. Die verfügbaren Innenfinanzierungsmittel reduzieren sich der Projektion zufolge auf rund 69 Prozent. Wenn Zinslasten deutlich steigen, geraten auch einst gute Bonitätsratings in Gefahr, was Banken und Investoren bei weiteren Finanzierungsrunden zögern lassen dürfte.

Was Refinanzierungen zudem schwierig macht: Banken verschärfen gegenwärtig ihre Kreditvergabestandards und verknappen damit zunehmend das Kreditangebot, wie der Bank Lending Survey der Europäischen Zentralbank (EZB) vom Mai 2023 bestätigt. In dieselbe Richtung weist der Kredithürde-Indikator der KfW: Jeder vierte Mittelständler sieht sich gegenwärtig einer restriktiveren Kreditvergabe der Banken ausgesetzt. Auch bei Großunternehmen liegen die Werte deutlich über dem langjährigen Mittel. Besonders schwierig gestaltet sich die Refinanzierung in der Praxis für bereits hoch verschuldete Unternehmen.

Wie Unternehmen jetzt Handlungsspielraum zurückgewinnen

Die Finanzierung von Unternehmen zu managen, wird beschwerlich – aber keineswegs unmöglich. „Der Instrumentenkasten ist umfassender, als viele denken“, sagt der auf Financial Advisory spezialisierte Roland Berger Partner Markus Held. Der richtige Weg, die Ergebnis- und Finanzierungskosten wieder ins Lot zu bringen, besteht für ihn aus einem Mix von kurz-, mittel- und langfristig wirksamen Hebeln.

Um den Ergebnisdruck zu minimieren und das Unternehmen krisenfest aufzustellen, bieten sich unter anderem folgende Maßnahmen an:

  • Erhöhung der Kosteneffizienz, etwa über die Aushandlung von langfristigen Abnahmeverträgen mit Zulieferern und die volle Weitergabe von Kosten an die Kunden
  • Steigerung der Betriebseffizienz durch die umfassende Analyse der operativen Geschäftsprozesse
  • Verbesserung der Unternehmenseffizienz durch das Erschließen neuer Kundengruppen und Zielmärkte

"Bei schwindender Innenfinanzierungskraft, aber gleichzeitig enormen Investitionsbedarf sind viele Unternehmen gefordert, kreative Lösungen zu finden."
Portrait of Markus Held
Partner
München Office, Zentraleuropa

Bei der Optimierung der Zinskosten ist die Anpassung der Kapitalstruktur an die neuen Herausforderungen entscheidend. Mögliche Instrumente sind die Implementierung von Debt-Hive-up-Maßnahmen (Verlagerung von Verbindlichkeiten in separate Gesellschaften zur Vermeidung einer Überschuldung) oder die Einführung von Pay-in-Kind-Vereinbarungen (Streckung bzw. Stundung von Fälligkeiten oder Zinsen). Reicht dies nicht aus, bleibt die ganzheitliche finanzielle Restrukturierung.

Außerdem sollte geprüft werden, ob die Eigenkapitalquote etwa durch eine Kapitalerhöhung gestärkt werden kann. Mezzanine oder hybride Anleihen können sinnvolle Alternativen zu Geldmitteln von Dritten sein. Auch die Nutzung staatlicher Fördermittel oder der Verkauf von Teilbereichen des Unternehmens zählen zum Instrumentenkasten einer notwendigen Entschuldung.

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