Was, wenn die Eurozone in eine Rezession gerät?

Was, wenn die Eurozone in eine Rezession gerät?

1. Dezember 2022

Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst einer Rezession der europäischen Wirtschaft. Legt man die rein technische Definition einer Rezession zu Grunde – zwei aufeinanderfolgende Quartale eines sinkenden BIP – dann ist nicht ausgeschlossen, dass wir am Ende des Jahres konstatieren müssen: die europäische Volkswirtschaft befindet sich in einer Rezession.

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Falls diese Entwicklung tatsächlich eintritt, was dann? Wir analysieren in dieser Ausgabe unserer „What if“-Serie die Auswirkungen einer solchen Rezession für das Jahr 2023 – für die Entwicklung von Produktion und Investments, für die Entwicklung der Arbeitslosigkeit und für die Entwicklung des Konsums.

Abbildung 1 zeigt die deutliche Erholung der europäischen Volkswirtschaft nach Überwindung des durch die Corona-Pandemie bedingten Konjunktureinbruchs. Bereits Ende 2021 lag das BIP in der Eurozone wieder höher als vor dem Beginn der diversen Lockdown-Maßnahmen. Doch dann kam der russische Überfall der Ukraine. Und damit entstand vor allem für diejenigen Volkswirtschaften in Europa, die sich in den letzten Jahren auf billige Lieferung von Öl und Gas aus Russland verlassen haben, ein ernsthaftes Problem.

Aktuelle Prognosen gehen mittlerweile davon aus, dass die europäische Wirtschaft im Gesamtjahr 2023 schrumpfen wird. Wie stark, das wird vor allem von der Frage abhängen, inwiefern der europäischen Industrie 2023 ausreichend Gas zu Verfügung steht.

Sollte sich der Engpass beim Gas – durch welche politischen Maßnahmen auch immer bedingt – in Grenzen halten, ist für 2023 gemäß dem „Baseline Scenario“ von Oxford Economics noch von einem moderaten Rückgang der europäischen Wirtschaft um 0,1 Prozent auszugehen. Sollte die der europäischen Industrie allerdings zur Verfügung stehende Gas-Menge allerdings rationiert werden müssen, sagt Oxford Economics für 2023 insgesamt einen Rückgang des Wirtschaftswachstums in der Eurozone um 1,4 Prozent aus.

Nun mag man mit Schumpeter noch jeden Konjunktureinbruch als Beginn einer konjunkturellen Erholung, jede Krise als Anlass für neue unternehmerische Kreativität interpretieren. Aber diese Interpretation nimmt die gegenwärtige Krise nicht ernst genug. Ein Blick auf den Sentix Survey’s Business Cycle Index, der sich vor allem auf die Erwartungen von Investoren stützt, rückt den gegenwärtigen Abschwung in eine historische Perspektive und vergleicht das gegenwärtige Krisenempfinden unter anderem mit der durch die Corona-Pandemie ausgelösten Krise. Das Ergebnis: Die gegenwärtige Krise wird von Investoren und Marktteilnehmern durchaus ernster und tiefer empfunden bspw. die Corona-Krise. Das dürfte daran liegen, dass gegenwärtig eine Bündelung von negativen Faktoren - Knappheit und Verteuerung von Energie, hohe Inflationsraten, geopolitische Entwicklungen – zu beobachten ist.

Welches sind nun die konkreten Merkmale dieser erwarteten Rezession? Zunächst: Eine Rezession ging bislang stets mit einem Rückgang von Produktion und Investments einher. Abbildung 2 verdeutlicht dies für die Krisen von 2008/2009, 2012/2013 und 2020, auch wenn die makroökonomischen Ursachen in allen drei Fällen – Finanzkrise, Eurokrise, Coronakrise – jeweils ganz unterschiedliche waren.

Auch die für den Euro-Raum zu erwartende Rezession wird ihre spezifischen Merkmale aufweisen: Sie trifft die europäische Volkswirtschaft in einem durch hohe Inflationsraten, Unsicherheiten über die Energieversorgung und die geopolitische Situation und steigenden Zinsraten charakterisierten Umfeld. Das unterscheidet die derzeitige Situation von den Produktions- und Investmentrückgängen in den drei anderen genannten Fällen und lässt erwarten, dass auch diesmal Produktion und Investments deutlich einbrechen könnten.

Dabei gilt zu beachten, dass die insbesondere durch gestiegene Energiekosten ausgelöste Rezession zwar alle Sektoren betreffen wird, die energieintensiven Sektoren allerdings deutlich schneller und härter von einer möglichen Gas-Rationierung betroffen sein dürften.

Was werden die Folgen des derzeitigen Konjunktureinbruchs auf dem Arbeitsmarkt sein? Vergleichen wir auch bezüglich dieser Frage die aktuelle Situation mit den entsprechenden Auswirkungen von Finanzkrise, Eurokrise und Coronakrise. Folgt die weitere Entwicklung des BIP in Europa dem erwähnten „Baseline-Szenario“ (vergleiche Abbildung 1), kann man davon ausgehen, dass es in Europa nur zu einem moderaten Anstieg der Arbeitslosigkeit kommt – etwa vergleichbar den Folgen der Corona-Krise. Gemäß dem erwähnten „Gasengpass“-Szenario käme es 2023 jedoch zu einem Anstieg der Arbeitslosenquote in Europa um 1,1 Prozent.

Bemerkenswerterweise wären damit aber auch in diesem negativen Szenario die Folgen für den europäischen Arbeitsmarkt geringer als in den Jahren 2008/2009 bzw. 2012/2013. Das dürfte vor allem daran liegen, dass der Fachkräftemangel auf dem europäischen Arbeitsmarkt konjunkturunabhängig für Unternehmen ein erhebliches Problem darstellt, welches sich durch einen in der Krise erfolgenden Beschäftigungsabbau nach der Krise rächen würde. Aus diesem Grund werden unter allen Maßnahmen zur Kostensenkung Entlassungen das letzte Mittel der Unternehmen sein. Insofern dürften Arbeitgeber und Politik auch 2023 erneut, falls es nötig ist, auf jene Maßnahmen zurückgreifen, die sich in der Corona-Krise bewährt haben, wie etwa das Kurzarbeitergeld.

Auch der Konsum leidet unter den trüben Konjunkturaussichten. Die von der Europäischen Kommission monatlich herausgegebene Konsumentenumfrage zeigt eine dramatische Verschlechterung der finanziellen Situation der europäischen Haushalte seit Beginn dieses Jahres an, und es ist zu befürchten, dass sich diese Entwicklung im nächsten Jahr fortsetzt und dadurch auch die Nachfrage der privaten Haushalte hemmt.

Wie kann die europäische Politik der Rezession entgegenwirken? Üblicherweise verlassen sich Politiker in Europa in Krisensituation gerne auf das Instrument einer öffentlich finanzierten Stimulierung der Nachfrage. Doch der Spielraum für derartige Maßnahmen ist im Zeitalter hoher öffentlicher Verschuldung und hoher Inflationsraten begrenzt.

Aber auch hinsichtlich der Energieversorgung nimmt die Politik in dieser Krise eine wichtige Rolle ein. Politische Maßnahmen auf nationaler und europäischer Ebene werden maßgeblich auf Preis und Menge der Energieversorgung und somit auch auf das Ausmaß der Krise einwirken.

Entscheidend wird die ökonomische Situation der europäischen Volkswirtschaft im nächsten Jahr wohl von der Entwicklung am Gasmarkt – hinsichtlich Verfügbarkeit sowie bezüglich der weiteren Preisentwicklung – abhängen. Kommen die Unternehmen gut durch den Winter, können sie ihre Produktionsmengen im bisherigen Umfang aufrechterhalten? Bewähren sich die Maßnahmen der Politik zur Bekämpfung der Gasknappheit? Es dürften diese beiden Fragen sein, die über die Dauer und die Intensität der Rezession im nächsten Jahr entscheiden.

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Was, wenn die Eurozone in eine Rezession gerät?

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A menace is haunting Europe - the menace of recession in Europe. If we take the mere technical definition of a recession as a basis – two consecutive quarters of falling GDP – then, by the end of the year, we may be faced with this prospect: the European economy is in recession.

Veröffentlicht Dezember 2022. Vorhanden in
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