" Die aktuelle Bewährungsprobe könnte für viele Banken zu einem Moment der Wahrheit werden: Nutzen sie die Gelegenheit, um Rückstände bei der Digitalisierung anzugehen? "
Bewährungsprobe für Banken
Bei der Vergabe von Corona-Hilfen zeigt sich, wie weit die Digitalisierung im Bankensektor fortgeschritten ist
Die Bewältigung der Corona-Pandemie stellt die Banken vor eine Mammutaufgabe : Sie müssen eine Flut von Kredit- und Bürgschaftsanfragen prüfen – unter hohem Zeitdruck, für eine große und heterogene Anzahl von Hilfsinstrumenten und bei oft unklarer beziehungsweise nicht aktueller Datenlage zum Antragsteller. Wer in der Vergangenheit in digitale Bearbeitungsprozesse investiert hat, ist klar im Vorteil. Alle anderen Banken müssen dringend aufholen.
In vielen Unternehmen ist der Liquiditätsbedarf in den letzten Tagen und Wochen rasant gestiegen. Das zeigt der Umfang, den die staatlichen Hilfsprogramme in Deutschland angenommen haben. Inzwischen reichen sie von vielfältigen Liquiditätshilfen über Bürgschaftsprogramme bis hin zu Notkrediten und anderen Soforthilfen.
Den Hausbanken kommt bei der Vergabe eine Schlüsselrolle zu. Sie müssen prüfen, ob ein Antragssteller die vorgeschriebenen Kriterien erfüllt oder nicht. Dies wird erschwert durch die heterogene deutsche Förderlandschaft mit zahlreichen Akteuren und Angeboten. Zeit ist dabei kritischer Faktor. Je später das Geld an notleidende Unternehmen ausgezahlt wird, desto höher die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz. Nicht zuletzt deswegen hat die Politik den Druck auf die Hausbanken stark erhöht. "Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen", sagte Christine Lagarde. Die EZB-Präsidentin und andere Politiker drängen die Banken zu einer schnellen und unbürokratischen Unterstützung der Unternehmen.
Für die Geldinstitute bietet die aktuelle Situation einerseits Risiken bezüglich des eigenen Kreditbuchs, andererseits aber auch eine enorme Chance. Im Idealfall können sie sich als „Retter in der Not“ profilieren und ihre Kunden mit überlebensnotwendigen frischen Krediten versorgen. Entsprechend stark hat sich bereits die öffentliche Sicht auf die Banken verändert: Anders als zu Zeiten der Finanzkrise werden sie in der Covid-19-Pandemie nicht mehr als Teil des Problems wahrgenommen. Sondern als Teil der Lösung.
Gleichzeitig ergeben sich große Herausforderungen, die jede Bank im Blick behalten muss. Wenn der Prüfungsprozess zu lange dauert und das Geld zu spät bei den Unternehmen ankommt, droht ein massiver Imageschaden oder Kundenabwanderung. Und wenn bei der Kreditvergabe Fehler unterlaufen oder Banken den Überblick verlieren, könnten langfristig zu viele Firmen mit zu schlechter Bonität in das Portfolio gelangen. Wünschenswert ist keines der beiden Szenarien.
Die Vorschriften sind klar: Banken haben bei den meisten Corona-Hilfen eine Prüfpflicht. Sie müssen beispielsweise feststellen, ob das jeweils antragsstellende Unternehmen zum festgelegten Stichtag (31.12.2019) als wirtschaftlich gesund galt. Ansonsten dürfen sie Kredite und Bürgschaften nicht weiterleiten.
Genau diese Prüfpflicht stellt viele Banken aktuell vor eine sehr große Herausforderung. Zum einen, weil sie mit einer großen Antragszahl konfrontiert sind. Zum anderen, weil die Abschlüsse für das Geschäftsjahr 2019 oft noch nicht vorliegen. Das erschwert die Prognose zur Kapitaldienstfähigkeit und Risikoklassifizierung.
Gleichzeitig fehlt es an automatisierten Prozessen, zentralen Schnittstellen und einer einheitlichen digitalen Datenbasis, mit der sich die Anträge schneller abwickeln ließen. In der Folge müssen viele Analysen manuell vorgenommen werden. Das kostet Zeit und verlangsamt die Auszahlung von Krediten.
Umso wichtiger ist, dass Banken mit Nachholbedarf in Sachen Digitalisierung ihre Prozesse schnellstmöglich auf den Prüfstand stellen. Unsere Erfahrung zeigt, dass digitale Prüfungstools entscheidend dabei helfen können, den aktuellen Antragsansturm zu bewältigen. Sie erlauben es, verschiedene Datenquellen zu bündeln und eine zuverlässige Aussage über die Kapitaldienstfähigkeit zu treffen – auf Knopfdruck und in Echtzeit. Nach unserer Einschätzung ließen sich dadurch circa 80 Prozent aller Anträge bezüglich der Erfüllung der Corona-Hilfskriterien automatisch abwickeln.
Auch wenn die staatlichen Hilfsangebote primär über die etablierten Banken abgewickelt werden, können auch Fintechs in dieser Situation einen wichtigen Beitrag leisten und geeignete Lösungen bereitstellen.
Allgemein könnte die aktuelle Bewährungsprobe für viele Banken zu einem „Moment of truth“ werden, zu einem Moment der Wahrheit: Schaffen sie es die Antragswelle schnell und regelkonform abzuarbeiten? Nutzen sie die Gelegenheit, um Rückstände bei der Digitalisierung anzugehen? Oder scheitern sie an der Aufgabe?
Klar ist schon jetzt: Nicht alle Banken sind für die aktuelle Herausforderung gleich gut gerüstet. Wer in der Vergangenheit seine digitalen Prozesse optimiert hat, könnte gestärkt aus der Krise hervorgehen. Für andere ist die Situation schwieriger. Sie könnten den Anschluss an Wettbewerber verlieren.
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